Wien – Ex-ÖVP-Obmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist am Freitag erstmals nach seinem Rücktritt an die Öffentlichkeit getreten. In einer Pressekonferenz der Initiative Ausbildung statt Abschiebung kritisierte er die Rücknahme des Zugangs von Asylwerbern zur Lehre durch die Regierung. Grünen-Landesrat Rudi Anschober bekräftigte dabei, seine Initiative weiter ausbauen zu wollen.
Kein parteipolitisches, sondern ein rein sachliches Anliegen ist es, das Mitterlehner laut eigener Aussage zu seinem Auftritt bewegt hat, denn: "Ich glaube, die Materie zu kennen." In der Debatte über Asyl in Lehre müsse sich vor allem die Argumentation ändern, denn derzeit gebe es mehr offene Lehrstellen als Interessenten. "Das Argument, da nimmt jemand dem anderen etwas weg, stimmt einfach nicht", erklärte Mitterlehner.
Enttäuscht zeigte sich er Ex-Vizekanzler vor allem vom Verlauf der Debatte, etwa die nicht eingehaltene Zusage von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), Asylwerber, die sich schon in einer Lehre befinden, würden bis zu deren Abschluss nicht abgeschoben. "Eine Zusage in der Politik muss auch die entsprechenden Konsequenzen haben", sagte Mitterlehner dazu, ohne seine Nachfolgerin beim Namen zu nennen.
Schockiert über FPÖ-Reaktionen
Der ehemalige ÖVP-Chef sorgt sich aber auch um die Meinungsfreiheit in Österreich, etwa wegen einer harschen Reaktion der FPÖ auf Kritik von IV-Präsident Georg Kapsch. "Meine Damen und Herren, wo sind wir?", zeigte sich Mitterlehner schockiert.
In der Arbeits- und Migrationsdebatte setzt er aber immer noch Hoffnung in einzelne Vertreter seiner Partei, denn: "Die ÖVP ist auch nicht unbedingt ein monolithischer Block."
Anschober wiederum demonstrierte Durchhaltewillen. "Wir wollen Ausbildung statt Abschiebung massiv weiter ausbauen", kündigte er weitere Schritte an, als neue Mitstreiter habe man den SPÖ-Abgeordneten und Gewerkschafter Josef Muchitsch sowie Schauspieler Harald Krassnitzer gewonnen.
Auch in anderen Bundesländern formierten sich neben Oberösterreich mittlerweile ähnliche Initiativen. Ziel bleibe weiterhin, Abschiebungen von Lehrlingen zu verhindern. Rückendeckung erhielt Anschober nicht nur von Mitterlehner, auch die Integrationshaus-Vorsitzende Katharina Stemberger, die Regisseurin Sabine Derflinger und der ehemalige ÖVP-Generalsekretär und Flüchtlingskoordinator Ferry Maier waren am Podium vertreten. Letzterer stellte die Vermutung an, ob die Regierung womöglich in der "Geiselhaft" von Innenminister Herbet Kickl (FPÖ) sitze. (APA, red, 5.10.2018)