Leitkultur auf Ungarisch: Denkmal für Eroberer Árpád (um 845 bis um 907) in Dunakeszi, nahe Budapest.

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Wohl nicht national genug: Gergely Pröhle.

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Im Zeichen eines verschärften "Kulturkampfs" von rechts musste der Generaldirektor des Budapester Petöfi-Literaturmuseums, Gergely Pröhle, seinen Posten räumen. Man habe sich "im gegenseitigen Einvernehmen" voneinander getrennt, teilte das Ministerium für Humanressourcen ohne Angabe von Gründen mit. "Der Herr Minister hat andere Vorstellungen in Hinsicht auf die Programmatik des Museums", so Pröhle zum Radiosender Inforadio über die Ansichten von Miklós Kásler.

Pröhle leitete das Petöfi-Literaturmuseum seit 2017. Der frühere ungarische Botschafter in Berlin und Bern und frühere Vize-Staatssekretär im Außenministerium gilt durchaus als jemand, der loyal zur Orbán-Regierung steht. Aber selbst Regierungskritiker räumen ein, dass Pröhle das Museum kompetent führte und aus den tagespolitischen Grabenkämpfen herauszuhalten vermochte. Benannt ist die Institution nach dem ungarischen Dichter Sándor Petöfi (1823-1849), der in Ungarn als Ikone des Freiheitskampfs gegen die Habsburger 1848/49 verehrt wird und als dessen Soldat sein Leben auf dem Schlachtfeld ließ.

Nicht genug auf Regierungslinie

Pröhles sachlicher Führungsstil wurde ihm im eigenen Lager zum Verhängnis. Nach dem erneuten deutlichen Sieg der Orbán-Partei Fidesz bei den Parlamentswahlen im April verstärkten sich die Stimmen in Orbáns Umfeld, die forderten, nun auch die Kultur gänzlich auf Regierungslinie zu bringen. Mit anderen Worten: das Kulturleben habe sich am völkisch-nationalen, christlichen Kurs der gewählten Regierung auszurichten.

Das Orbán-Sprachrohr Magyar Idök veröffentlichte in diesem Sinne eine Artikelserie. Darin wurden nicht nur Pröhle, sondern auch andere Leiter von kulturellen Institutionen attackiert. Diese wurden zwar vom Orbán-Staat ernannt, das Blatt beurteilte aber ihre Tätigkeit als zu lasch und zu wenig linientreu. Der Intendant der Staatsoper sah sich nach einer derartigen Attacke veranlasst, die Zahl der Aufführungen des Musicals Billy Elliott von Elton John zu reduzieren. Der Vorwurf: Der Titelheld sei homosexuell und dies würde auf das junge Publikum "abfärben".

Zu "links-liberales" Programm

Dem Direktor des Literaturmuseums warf man vor, "links-liberalen" Literaten ein Podium zu geben und die angeblich zu Unrecht vernachlässigten Schriftsteller der völkisch-nationalen Linie zu ignorieren. "In der Werkstatt des Herrn Generaldirektor Pröhle", hieß es etwa, "grassieren die links-liberalen Meinungsmacher, die die Ungarn und Ministerpräsident Viktor Orbán demütigen. Und Herr Pröhle bezahlt die Rechnung, selbstverständlich nicht aus der eigenen Tasche, sondern aus dem Geldbeutel der Steuerzahler."

Als Nachfolger für Pröhle wird Literaturwissenschaftler Mihály Takaró gehandelt. Er ist ein Apologet der autoritären Herrschaft von Miklós Horthy (1868-1957), der das Land an der Seite Hitlers in den Weltkrieg führte und die Ermordung von mehr als 400.000 ungarischen Juden in Kauf nahm. Die Personalie ist noch nicht bestätigt. (Gregor Mayer aus Budapest, 5.10.2018)