In der U-Bahn bauen sich Aggressionen zunächst unsichtbar auf: In "Liliom.Club" geht ein Prater-Schausteller keineswegs den Weg des geringsten Widerstandes.

Foto: Walter Mussil / Bernhard Ensemble

Wien – Theater sollte sich ein wenig mehr Hollywoodesprit verpassen? Längst geschehen. Ernst Kurt Weigel vom Bernhard Ensemble hat eine Mashup-Methode entwickelt, mit der er österreichische Dramen mit US-amerikanischen Filmen kurzschließt. So entstanden bisher denkwürdige Arbeiten wie Welt.Unter.Melancholia (verkittet aus Jura Soyfer Der Weltuntergang und Lars von Triers Melancholia), The.Big. Lumpazi (aus Nestroy und The Big Lebowski) oder Wiener.Wald.Fiction, ein Hybrid aus Horváths Geschichten aus dem Wienerwald und Tarantinos Pulp Fiction.

Famos geriet im Vorjahr das Stück Taxi.Speiber, in dem Weigel eine Brücke von Martin Scorseses Taxi Driver zur österreichischen Figur des Herrn Karl schlug. Bei der jüngsten Arbeit Liliom.Club treffen nun ab Dienstag im Off-Theater in der Kirchengasse Ferenc Molnár und David Fincher aufeinander: Die ungeleitete, verzweifelte und anarchische Gewalt aus dem Film Fight Club wirft ihr Licht auf den vom unfairen Leben rabiat gewordenen Ringespielausrufer Liliom. Bei diesem Mash-up-Format geht es nicht um das bloße Aufpolieren abgenützter bzw. vielgespielter Dramen. Vielmehr überblendet Weigel unterschiedliche Sicht- und Erzählweisen bezüglich eines Topos. Er schlägt also Funken aus einer inhärenten Gegenüberstellung.

Gespräch mit Gott

Weigel verdeutlicht das am Beispiel von Schnitzlers Das weite Land und Lynchs Lost Highway so: "Alles was Schnitzler ins Schweigen hineinpackt, das macht der Film sichtbar. Lynch zeigt Dinge, die psychedelisch hinter der Realität geschehen." Ähnlich ist es bei Wienerwald.Fiction: "Das verbale Blutbad, das Horváth um sich spritzen lässt, das wird bei Tarantino tatsächlich ausgeführt!"

Viele solche Parallelen werden erst beim konkreten Arbeiten sichtbar. So auch jetzt bei Liliom.Club, hier spiegelt sich beispielsweise die Himmelfahrtssequenz aus Liliom (der sich nach dem geplanten Raubmord selbst gerichtet hat) in Fight Club, als der namenlose Protagonist am Ende meint, mit Gott zu sprechen, während er vor dem Psychiater sitzt.

Aggression, Männlichkeit und Anarchie

Aggression, Männlichkeit, Anarchie sind die Themen, die Weigel verhandeln möchte. Die Idee dazu kam ihm eines Abends am U-Bahnhof Praterstern, wo zig Menschen "mit runtergebogenen Hälsen" ihre Smartphones bedienten. "Sieht alles recht friedlich aus, aber was da wirklich geschieht, bleibt unsichtbar. Vielleicht erledigen da Hetzer ihr Handwerk. Das virtuelle Alter Ego ist meist ein aufgeblähtes, starkes, egal in welchen Belangen, ob sexuell oder politisch."

Wichtig ist Weigel die Pflege des Wiener Idioms. Ob Lynch oder Fincher – hier wird eingewienert! Das ist kein Lokalpatriotismus, sondern die Feier der Schönheit von (allen möglichen) Sprachfärbungen. Auch eine Schweizerin ist im Team. Weigel bekennt sich zu Theater als lokaler Kunstform. Jetzt wird es mit den österreichischen Autoren aber schon langsam eng, meint er. – Echt? Na, Anton Wildgans ginge noch. (Margarete Affenzeller, 8.10.2018)