Jörg Haider lebt – laut "News" jedenfalls.

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Sie konnten es nicht mehr erwarten, schließlich will man hinter der Magazin-Konkurrenz nicht zurückstehen, und schon gar nicht, wenn es um die nostalgische Rückholung Jörg Haiders aus dem Totenreich geht. Der hat sich zwar erst an einem 11. Oktober mit dem Auto überschlagen, aber gut anderthalb Wochen vorher galt es, die abgestumpften Reize zu beleben, die sein Name auf den Titelblättern einst geschäftsbelebend garantierte. Der Untote, titelte "News" und behauptete, politisch lebt er noch immer weiter. Aus "Profil" sprach ein gewisser Nationalstolz, nicht zufrieden damit, dass auch Österreich in Haider mit einem gestandenen Rechtspopulisten aufwarten konnte, nein, er wurde zum Ahnherrn der Europäischen Rechten, als hätte es nicht lange vor ihm zum Beispiel den alten Le Pen, Vater der Marine, gegeben.

Um den ganzen Gedenkaufwand zu rechtfertigen, muss Haider unbedingt zu einer Art Genie aufgemöbelt werden, was zu der Schwierigkeit beim Versuch führt, sich sein ziemlich ungeniales Ende zu erklären. "News" zitiert zwar den Politologen Anton Pelinka mit der Einschätzung, "Haider ist im Guten wie im Bösen maßlos überschätzt. Er war ein guter Wellenreiter, aber er hat die Wellen nicht gemacht. Er hat nur früher als andere den Zeitgeist erkannt." Dennoch beharrt "News" darauf, er habe politische Ideen hinterlassen, die sich weit über die FPÖ hinaus durchgesetzt haben. Ein Jahrzehnt nach seinem Tod ist seine Politik so erfolgreich wie nie zuvor.

Die Antwort auf die Frage, was nun eigentlich außer einem dem nationalsozialistischen Familienmilieu entspringenden extremen Rechtspopulismus seine Politik gewesen sein soll, bleibt letztlich diffus. In "Profil" diagnostizierte Peter Sichrovsky, der ihm eine Zeitlang als Generalsekretär diente: Im Grunde vertrat er keine bestimmte Ideologie, keine Philosophie und kein politisches Programm. Er reagierte situativ, seinen Inter essen entsprechend, überaus geschickt und sensibel ... Jörg Haider dominierte mit seinen wechselhaften politischen und persönlichen Zielen, Interessen und Launen das Schicksal der Partei, war für Erfolg ebenso verantwortlich wie für das Scheitern. Wobei er sich der Verant wortung für das Scheitern letztlich entzogen hat.

Wenn sich Kenner wie Pelinka und Sichrovsky nicht irren, ist es weniger Haiders langer Schatten, der nach zehn Jahren noch immer auf die österreichische Innenpolitik fällt. Die Jahre zwischen 2006 bis 2017 waren davon nicht sehr stark verdunkelt. Aber es ist kaum ein Zufall, dass die Erzählung von der geradezu dämonischen Strahlkraft Haider’scher Politik mit der türkis-blauen Regierung an Fahrt aufgenommen hat.

Und es wird ja alles gut. So konnte "Österreich" Dienstag vermelden: Strache bekommt Haider-Medaille. Wenn da nicht Haiders langer Schatten völlig unverdient, aber nostalgisch willkommen auf den Königsmörder von damals ("News") fällt! Witwe Claudia ehrt Strache, und zwar pünktlicher, als die Magazine Haider ehrten. Zum zehnten Todestag des früheren Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider überreicht Witwe Claudia dem jetzigen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die "Jörg Haider Medaille". Am 11. Oktober findet im – einst arisierten – Bärental auf dem Haider-Familienanwesen "ein kleiner Festakt" aufgrund von Straches "historischen Verdiensten" statt.

Was die historischen Verdienste des gegenwärtigen Sportministers betrifft, könnten sie vielleicht in seinem Einsatz für die Errichtung eines Denkmals für Trümmerfrauen bestehen. Mit Verdiensten um die Person Haiders können sie nichts zu tun haben. Weiß doch auch "Österreich": Strache war nach der Parteispaltung, aus der das BZÖ hervorging, einer der größten politischen Gegner Haiders.

Aus Straches Büro drang unter den Bedingungen scharfer Message-Control die Botschaft zu "Österreich",die Auszeichnung sein "eine extrem große Ehre". Die Extremität der Ehre hängt natürlich davon ab, wer die Haider-Medaille unter der Patronanz von Claudia Haider sonst noch erhalten hat oder erhalten soll. Dazu schwieg "Österreich". Auch ob an dem kleinen Festakt Wladimir Putin teilnehmen wird, blieb bisher offen, erscheint aber nicht ausgeschlossen, könnte Haiders langer Schatten irgendwann einmal doch auch auf ihn gefallen sein. Strache muss nicht der einzig Geehrte bleiben. Herbert Kickl kann als erster Träger der Haider-Medaille in Nahkampfausführung kaum noch übergangen werden. (Günter Traxler, 7.10.2018)