Jair Bolsonaro nach der Stimmabgabe.

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Brasilia – Der Rechtspopulist Jair Bolsonaro hat die erste Runde der Präsidentenwahl in Brasilien klar gewonnen. Der Ex-Militär erhielt rund 47 Prozent der Stimmen, teilte die Wahlbehörde am Sonntag nach der Auszählung fast aller Wahlurnen mit. An zweiter Stelle lag Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei mit 28 Prozent. Die beiden treffen in drei Wochen in der Stichwahl aufeinander.

"Ich bin mir sicher, dass wir auch die Stichwahl gewinnen. Bis zum Sieg – so Gott will", sagte Bolsonaro in einem auf Facebook veröffentlichten Video. Der linke Bewerber Ciro Gomes kam auf 12,5 Prozent, der Mitte-rechts-Kandidat Geraldo Alckmin auf 4,8 Prozent. Für Henrique Meirelles, Wunschkandidat von Staatschef Michel Temer, stimmten sogar nur 1,2 Prozent. Rund 147 Millionen Brasilianer waren aufgerufen, einen Nachfolger für Temer zu wählen, insgesamt traten 13 Kandidaten an.

Lob für Militärdiktatur

Bolsonaro kritisierte "Probleme" mit den elektronischen Wahlurnen. Hätte es diese nicht gegeben, wäre er jetzt schon zum Präsidenten gewählt worden, meinte er. Er werde nun vom Obersten Wahlgericht "Lösungen" verlangen. Seine Anhänger versammelten sich am Abend vor dem Wahlgericht in der Hauptstadt Brasília und schrien "Betrug, Betrug, Betrug!". Kurzzeitig sah es so aus, als könnte Bolsonaro gleich im ersten Wahlgang den Einzug in den Präsidentenpalast schaffen. "Am 28. Oktober gehe ich an den Strand", tönte er am Wahltag noch.

Aus Rio de Janeiro meldete sich ORF-Reporter Rainer Mostbauer mit einer Analyse.
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Bolsonaro spricht öfter abfällig über Minderheiten und lobt die Militärdiktatur der Jahre 1964 bis 1985. Angesichts der ausufernden Kriminalität kommen die Forderungen Bolsonaros, genannt "Trump Brasiliens", nach einer Politik der harten Hand bei vielen Wählern gut an. "Er wird den Banditen geben, was sie verdienen: Kugeln", sagte Cassio Freire, der mit dutzenden weiteren Anhängern zu Bolsonaros Haus in Rio de Janeiro gekommen war.

São Paulos früherer Bürgermeister Haddad ging für die Arbeiterpartei von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ins Rennen. Zunächst wollte der wegen Korruption zu zwölf Jahren Haft verurteilte Lula selbst antreten, dann aber untersagte ein Gericht die Bewerbung des noch immer populären Politikers. Haddad ist zwar nicht so charismatisch wie sein politischer Ziehvater, ein bisschen von dessen Glanz fällt aber auch auf ihn ab. "Ich will alle Demokraten Brasiliens vereinen", sagte Haddad. "Das Ergebnis zeigt, in welcher Gefahr sich Brasilien befindet."

Volkswirtschaft in tiefer Krise

Viele stimmten wohl auch für Haddad, um Bolsonaro zu verhindern. "Ich habe Haddad gewählt", sagte der 20-jährige Rafael de Jesus nach seiner ersten Wahl in São Paulo. "Nicht, dass ich ihn gut finde, aber er ist der am wenigsten Schlechte."

Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas steckt in einer tiefen Krise. Zahlreiche Politiker sind in Korruptionsskandale verwickelt, die Wirtschaft läuft nur schleppend, und die Gewalt nimmt immer weiter zu. Über 60.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr getötet – in den Favelas liefern sich Drogenbanden und die Sicherheitskräfte regelmäßig stundenlange Schießereien. Das Land ist tief gespalten. Fast religiös ist die Verehrung vieler armer Menschen für Lula und seine Arbeiterpartei, die sie mit milliardenschweren Sozialprogrammen aus der bittersten Armut geholt hat. In der Mittel- und Oberschicht hingegen herrscht tiefes Misstrauen gegenüber den Linken, die sich in den Boomjahren selbst die Taschen füllten.

Politveteran Bolsonaro als "Anti-System-Kandidat"

Während Lulas Amtszeit von 2003 bis 2010 erlebte das Land einen wirtschaftlichen Aufschwung, doch unter seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff rutschte es in eine tiefe Rezession. Rousseff wurde 2016 wegen mutmaßlicher finanzieller Vergehen des Amtes enthoben. Viele Brasilianer machen die Arbeiterpartei für die wirtschaftliche Misere verantwortlich und setzen große Hoffnung in Bolsonaro.

Bolsonaro stellt sich als Anti-System-Kandidat dar, der mit dem Politzirkus nichts zu tun hat. "Ich werde den Saustall Brasilia ausmisten", versprach der Hauptmann der Reserve. Dabei ist der 63-Jährige selbst ein Insider: Seit fast drei Jahrzehnten mischt er in der Politik mit, saß für neun verschiedene Parteien im Parlament. Allerdings wurde er bisher nie mit den großen Korruptionsskandalen in Verbindung gebracht. (APA, dpa, 8.10.2018)