Sport-Club-Geschäftsführer Heinz Palme setzt auf interne Ruhe, Kontinuität und Stabilität im Verein. Es gilt "aus einer geordneten Position heraus Marketing zu betreiben, eine Mannschaft neu aufzubauen, Ruhe reinzubringen und damit auch Qualität entstehen zu lassen."

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Nach AS Roma (Bild/2014), Paris St. Germain und Valencia (jeweils 2015) sowie dem FC St. Pauli (2016) kommt nun mit Borussia Mönchengladbach der aktuelle Dritte der deutschen Bundesliga nach Wien-Hernals.

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Wien – Karl Skerlan, 18 Jahre jung, legt sich knapp außerhalb der Strafraumgrenze das Laberl zurecht, steigt zurück, schaut auf, läuft an und zirkelt einen Freistoß in der 24. Spielminute über die Mauer hinweg zum 1:0 in die Maschen. Es sollte die Initialzündung für jenen legendären Abend im Wiener Praterstadion sein, an dem der Wiener Sportclub im Erstrundenduell des Europapokals der Meister den haushohen Favoriten Juventus Turin mit 7:0 demütigte und damit Sportgeschichte schrieb.

60 Jahre später fristet Österreichs Meister von 1922, 1958 und 1959 ein vergleichsweise bescheidenes Dasein in der Regionalliga Ost. Immerhin ist aktuell nach etlichen Jahren im Abstiegsstrudel ein Licht am Horizont erkennbar, mischt doch die Elf von Trainer Norbert Schweitzer vorne mit, liegt nach zehn Spieltagen auf Platz fünf und kann daher dieser Tage relativ entspannt das 60-Jahr-"Juveläum" feiern, das in einem freundschaftlichen Match gegen den deutschen Bundesligisten Borussia Mönchengladbach am 12. Oktober (18.45 Uhr) am Sportklubplatz gipfelt. Zwei Stunden später steigt im Happel-Stadion das ÖFB-Länderspiel in der Nations-League gegen Nordirland.

Im Praterstadion waren die 34.000 Zuschauer seinerzeit nach dem Traumtreffer von Skerlan außer sich. Minuten später erhöhte Josef "Pepi" Hamerl mit einem Doppelschlag (34./38.) auf 3:0 und brachte damit die nach dem 3:1-Hinspielerfolg in Turin sehr zuversichtliche "Alte Dame" gehörig ins Wanken. Juventus hatte souverän den zehnten Meistertitel in der Serie A eingespielt und galt als eines der besten Teams in Europa, gegen Österreichs Meister aber war an jenem 1. Oktober 1958 offensichtlich kein Kraut gewachsen.

Von einer derartigen Klasse ist man nach Seuchenjahren noch weit entfernt, doch Sport-Club-Geschäftsführer Heinz Palme hat mit den Funktionären analysiert, was es braucht, wieder nach vorne zu kommen. Der Verein müsse gestärkt und somit in der öffentlichen Aufmerksamkeit anders dargestellt werden. "Natürlich konnte der Verein durch die Insolvenzen nie richtig aus dem Tief herauskommen", sagt Palme. "Es ist sicherlich sehr schwierig, solch einen Verein zu führen, weil es im Endeffekt am Geld liegt. Das bedeutet, dass man Marketingmaßnahmen setzen, sehr hart arbeiten und Glaubwürdigkeit schaffen muss, um den Verein entsprechend zu positionieren."

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1. Oktober 1958: Sportclub-Stürmer Josef Pepi Hamerl (links) mit seinem vierten Tor gegen Juventus Turin. Das waren Zeiten.
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Die Zuschauer im Prater trauten ihren Augen nicht. Als nämlich Hamerl (64./80.) nach der Pause mit seinen Treffern drei und vier auf 5:0 erhöhte, war der Wille der Italiener endgültig gebrochen, die gefürchtete Offensive um Giampiero Boniperti, John Charles und Omar Sivori abgemeldet. "Ihre Pässe kamen nicht an, Spieler stolperten über ihre eigenen Füße und die Kombinationen klappten nicht", sagte der Wiener Flügelstürmer Walter "Max" Horak, der drei Assists beisteuerte, Jahre später.

Um nicht länger in den Niederungen des Fußballgeschäfts herum zu dümpeln, hat sich der Sport-Club mit der Vienna-Gruppe einen strategischen Partner gesucht. "Damit man eine gewisse Sicherheit und Liquidität hat, dass man nicht immer hinten nach arbeiten muss", so Palme. Der Spieß solle umgedreht werden. Es gelte "aus einer geordneten Position heraus Marketing zu betreiben, eine Mannschaft neu aufzubauen, Ruhe reinzubringen und damit auch Qualität entstehen zu lassen." Um an potenzielle Sponsoren herantreten zu können, sei es unumgänglich, "sein Haus in Ordnung zu bringen."

Nicht gerade einfach schien auch das Unterfangen im Vorfeld für den Sportclub 1958, die Hürde Juventus zu überwinden, mit dem ungewöhnlichen Schachzug, die Spielbesprechung vor der Partie ins Lusthaus zu verlegen, bewies Meistertrainer Hans Pesser aber ein glückliches Händchen, denn der furiose Sportclub, offensichtlich von der sprichwörtlichen Muse geküsst, ließ sich auch von der härter werdenden Gangart der Italiener nicht beeindrucken, sondern erhöhte durch zwei Treffer von Erich Hof (82./85.) gar auf 7:0. "Das war das schrecklichste Spiel meiner Karriere", schrieb Juves walisischer Stürmer Charles später in seiner Autobiografie."

Ähnliche Emotionen hatten in den letzten Jahren auch die stets recht zahlreich erscheinenden Fans in Dornbach. Palme: "Wir haben festgestellt, dass die Qualität nicht vorhanden ist, um uns im Mittelfeld zu positionieren, daher haben wir uns mit neuen Spielern verstärkt, die Mischung ist geglückt." Der 60-Jährige betont, dass man nicht panisch werden darf. Trotz eines Durchhängers im April hielt man an Trainer Schweitzer fest. "Weil es ganz wichtig ist, Kontinuität zu erreichen. In den letzten zehn Jahren hat es 16 Trainer gegeben, so kannst du nichts aufbauen." Generell gelte es, Ruhe zu bewahren, eine straffe Struktur zu schaffen.

Der legendäre Abend im Prater-Stadion.
Ryan Long

Tipptopp war die Offensive der WSC-Meisterelf 1958. Gegen Juve agierte man in einem 3-2-5-System, also mit fünf Stürmern. Den legendären Angriff bildeten Liga-Torschützenkönig Horak, Adolf Knoll, Hof, Hamerl und Skerlan. "Wir haben Tore schießen müssen, wer die gemacht hat, war vollkommen egal!", sagte Horak 2003 dem Ballesterer. "Das war nicht so wie heute, dass einer dem Besserstehenden nicht den Ball gibt, sondern aufs Tor schießt und dann ist’s kein Tor." Die Taktik wurde dazumal bestimmt nicht überbewertet: "Zu uns hat der Trainer gesagt: ‚Wenn’s euch mehr schießen traut’s als kriegt’s, na dann greift’s an!‘ Wir haben das befolgt, wir haben jede Meisterschaft mehr als 100 Tore geschossen. In 26 Runden!"

Damit beim WSC auch das Ambiente für sportliche Erfolge passt, wurden bestehende Stadionsanierungspläne noch einmal geprüft, abgeändert und vervollständigt, damit das Projekt samt Restaurant und Veranstaltungsbereich auch gestemmt werden kann. "Das Ansuchen ist nun definitiv im Gemeinderat." Gibt die Politik den Segen, könnten in rund einem Jahr die Bagger in Dornbach rollen. Dann kann man sich auch Gedanken machen, wohin die Reise gehen soll. "Ist es der sportliche Anreiz in die zweite Liga zu gehen, dann muss man sich die Entwicklung der Liga sicherlich genauer anschauen", sagt Palme, der dem Kick in der Regionalliga Ost das Prädikat "gut" verleiht. "Es gibt viele von den Akademien ausgebildete Spieler mit sehr guter Qualität. Es muss daher nicht unbedingt sein, dass man mit Gewalt in die zweite Liga geht, wenn die Regionalliga mit geringeren Kosten und höheren Einnahmen den Ansprüchen genauso gerecht wird." Es gelte Stabilität herzustellen. "Es geht darum, das Beste für den Verein herauszufiltern." (Thomas Hirner, 9.10.2018)