Finden in Moskau und St. Petersburg zurzeit eigentlich Orchesterkonzerte statt? Wahrscheinlich deutlich weniger als sonst, denn drei der prominentesten Dirigenten dieser Städte gehen hier in Wien ihrer Arbeitstätigkeit nach. Im Wiener Musikverein sind nämlich gerade gewissermaßen russische Wochen: Die Herren Wladimir Fedosejew und Juri Temirkanow sind mit ihren Orchestern angereist, dem Tschaikowskij-Symphonieorchester Moskau und den St. Petersburger Philharmonikern.

Und die Wiener Philharmoniker haben Waleri Gergijew, den Chefdirigenten des Orchesters des Mariinski-Theaters, gebeten, ihr zweites Abonnementkonzert zu dirigieren. Die drei Herren führen die ihnen anvertrauten Klangkörper seit 30 Jahren und länger; nicht nur in der Politik scheint man in Russland von Wechsel nicht viel zu halten.

Ein Kraftwerk am Klavier

Waleri Gergijew kam mit einem reinen Sergei-Prokofjew-Programm. Mit vier Ausschnitten aus dem Ballett Romeo und Julia wurde das Abonnementpublikum in Laune gespielt – dann kam Denis Mazujew mit Prokofjews zweitem Klavierkonzert: Der Russe ist ein Kraftwerk am Klavier. Die großartig größenwahnsinnige Kadenz im Kopfsatz des fulminanten Frühwerks bewältigte er mit Bravour und Biss. Mazujew hat den Berserker und den Bulldozer drauf, ist aber als einer der differenzierungsfähigsten Dreschflegel der Branche auch zu delikatester Poesie fähig.

Nur das a-Moll-Thema (con eleganza) im Andantino war etwas arg scharfkantig gezeichnet. Aber auch den Wiener Philharmonikern gefiel schließlich die Performance des 43-Jährigen: Die Streicher strapazierten ihre Bögen beim (applaudierenden) Verdreschen ihrer Notenständer jedenfalls auf das Äußerste. Und Sergei Prokofjews sechste Symphonie? Man hörte es der etwas tastenden, emotional verwechselbaren Interpretation doch an, dass die Wiener das tragisch grundierte Werk nicht alle Samstagnachmittage zu spielen pflegen. Es gab Freude nichtsdestotrotz. Und vielleicht hebt das Stück ja am Dienstag beim Gastspiel im Paris ab. (Stefan Ender, 9.10.2018)