Die Ermittlungen in der Causa Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF) weiten sich aus. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt in dieser Angelegenheit seit Jahren zu fragwürdigen Verkäufen von Immobilien an Nahestehende des Fonds bzw. dessen damalige Chefs.
Am 11. September sind die Ermittler erneut zu Hausdurchsuchungen ausgeschwärmt, sie fanden an vier Standorten statt. Das bestätigt eine Sprecherin der WKStA auf Anfrage des STANDARD. Auch die Zahl der von den Ermittlungen Betroffenen hat sich um zwei erhöht: Nun geht die Behörde gegen 15 Beschuldigte vor, fünf davon Unternehmen. Neu auf der Beschuldigtenliste ist z. B. ein früherer Kabinettsmitarbeiter von Innenminister Ernst Strasser (ÖVP).
Immobilien für Freunde
Kurze Rückblende: Der ÖIF, der dem Innenministerium untersteht, zog sich ab 2005 aus der Wohnraumbeschaffung für Flüchtlinge zurück. Von 2006 bis August 2011 verkaufte er seinen gesamten Immobilienbestand. Die Veräußerung von 270 Eigentumswohnungen erfolgte laut WKStA um sechs Millionen Euro zu billig. Scheinangebote sollen gelegt worden sein, Schätzgutachten und professionelle Vermarktung gefehlt haben.
Zugegriffen haben Geschäftsfreunde des ÖIF oder ihnen Nahestehende, etwa ein ÖIF-Steuerberater oder der ÖIF-Hausverwalter. Hauptbeschuldigter ist der frühere Fondschef, der bis 2012 im Amt war und auch den Stadterweiterungsfonds geleitet hat. Davor, ab 1996, war er ÖVP-Referent gewesen. Es geht um den Verdacht der Untreue, und es gilt die Unschuldsvermutung. Ein beschuldigter Immobilienmakler hat gestanden, Scheinanbote für ein Immopaket erstellt zu haben.
Aufgeflogen war die Sache durch Recherchen der damaligen Grün-Abgeordneten Gabriela Moser. Sie ortete ein "Insidernetzwerk mit ÖVP-Nähe".
Treffen bei Jagdstammtisch
Insidernetzwerke sieht offenbar auch die WKStA, wie sich aus dem Beschluss zu den jüngsten Hausdurchsuchungen erschließt. Sie zeichnet darin die Verbindungen der Erwerber zum ÖIF(-Chef) nach und auch deren Verbindungen zum Stadterweiterungsfonds. Dieser Fonds hat einst das Wiener Heumarkt-Areal verkauft. Die Ermittler thematisieren nun auch die Treffen der Beschuldigten und anderer Involvierter beim "Jagdstammtisch". Zu Veranstaltungen dieses Vereins, den auch Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly frequentierte (laut WKStA: initiierte), sei der ÖIF-Chef "zahlreiche Male" eingeladen worden. Auch der beschuldigte Unternehmer F., der etliche Immobilien erwarb, und der Ex-Kabinettsmitarbeiter im Innenministerium hätten am Jagdstammtisch teilgenommen.
Der Verein ist nicht unbekannt, die Jagdgesellschaft trifft sich regelmäßig. Obmann war bis 2013 Casinos-Austria-Chef Karl Stoss, heute ist es Porr-Chef Karl-Heinz Strauss, sein Vize ist Ex-Minister Josef Pröll. Ex-Telekom-Manager und Ex-ÖVP-Funktionär Michael Fischer ist Vize-Schriftführer.
Exkabinettsmitarbeiter im Visier
Beim Stammtisch wurde laut WKStA der Wiener Immobilienexperte S. "als möglicher Sponsor" genannt, und er hat bei der Bewertung des Heumarkts und von großen ÖIF-Immobilienpakete eine Rolle gespielt. Auch seine Immobiliengesellschaft habe ein Scheinangebot abgegeben.
Der frühere Mitarbeiter im Innenministerium kommt, abseits des Jagdstammtischs, so ins Spiel: Er sei ein langjähriger Freund und Geschäftspartner des Ex-ÖIF-Chefs und habe mit zwei weiteren Beschuldigten enge Geschäftskontakte gehabt. Von F. habe er "zumindest bis 2010 laufend Zahlungen" erhalten.
Mensdorff-Pouilly sieht keine Verbindung
Der Ex-Kabinettsmitarbeiter räumt gegenüber dem STANDARD ein, F. ab 2006 beraten zu haben, die Geschäftsbeziehung sei 2013 zerbrochen. Mit dem ÖIF verbinde ihn ein Beratungsmandat, rund 5000 Euro pro Monat habe er dafür eineinhalb Jahre lang bekommen. Der Deal sei zweimal geprüft und für okay befunden worden. Und der Jagdstammtisch? Dort sei er "spärlich" und seit zehn Jahren gar nicht mehr gewesen.
Auch Mensdorff-Pouilly kann keine Verbindungen zwischen Jagdstammtisch und Wirtschaft sowie Politik ausmachen: "Ein großer Dichter dieser Zeit, der da was reininterpretiert."(Renate Graber, 9.10.2018)