Zu den Motiven des mittlerweile gekündigten AKH-Mediziners wird viel spekuliert. Von einem Auffrisieren der OP-Statistik ist etwa die Rede, Ärztekammerpräsident Szekeres glaubt nicht daran: "Der Betroffene stand schon ganz oben auf der Karriereleiter, mehr konnte er fast nicht mehr erreichen."

Foto: Heribert CORN

Es ist eine heikle Angelegenheit: Dass Ärzte ihre Patienten aus der privaten Ordination im öffentlichen Krankenhaus auf Kassenkosten behandeln, wird nicht nur von Patientenanwälten und Gesundheitsexperten immer wieder kritisiert, auch in der Ärzteschaft gibt es dafür ein Bewusstsein. Einer, der sich darüber Gedanken macht, ist Peter Husslein, Leiter der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Wiener AKH. "Diese Verwobenheit wollen wir auf unserer Abteilung von vornherein verhindern, weil dadurch das Risiko besteht, dass bestimmte Patientinnen bevorzugt werden." An der Klinik existiert daher eine sogenannte Punktpatientenregelung – jene Patienten, die aus der privaten Ordination eines Mediziners ins AKH kommen, sind mit einem Punkt gekennzeichnet.

Die Klinik gesteht dem Arzt, der sie mitbringt, eine subsidiäre Betreuung dieser Patienten zu. Der Mediziner muss eine Dienstanweisung unterschreiben und damit garantieren, dass er ihnen "keine bevorzugte Behandlung im AKH zusichern darf". Da in diesem Fall ausschließlich der Arzt in seiner Privatordination, und nicht das Krankenhaus insgesamt, finanziell profitiert, darf der Mediziner diese Patienten auch nicht selbst operieren, sondern höchstens assistieren – sie wird als Ausbildungsoperation von einem fähigen Assistenten durchgeführt.

Husslein: "So ist es in der Frauenklinik extrem schwer vorstellbar, dass jemand in der Privatordination verspricht, die Patientin persönlich zu operieren." Ohne eine solche Regelung wäre dieses Versprechen ein potenzielles Motiv, warum ein Arzt im Protokoll als Operateur aufscheinen will, obwohl er beim Eingriff nicht anwesend ist.

Zehn Stunden pro Woche

In anderen Abteilungen gibt es eine solche Regelung nicht. Private und öffentliche Tätigkeiten vermischen sich immer wieder. Insgesamt darf die private Tätigkeit eines Arztes nicht mehr als zehn Stunden pro Woche umfassen. Laut Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres werden die Ordinationszeiten auch regelmäßig überprüft.

Zu den Motiven des mittlerweile gekündigten AKH-Mediziners, der die Fälschung von OP-Protokollen veranlasst haben soll und gleichzeitig in einer Privatklinik Eingriffe durchgeführt hat, wird viel spekuliert. Von einem Auffrisieren der OP-Statistik ist etwa die Rede. Szekeres glaubt nicht daran: "Der Betroffene stand schon ganz oben auf der Karriereleiter, mehr konnte er fast nicht mehr erreichen."

Im sogenannten Ehrenrat prüft die Ärztekammer derzeit die Vertrauenswürdigkeit des Mediziners. Der Ausgang sei noch ungewiss, "alles ist möglich", sagt Szekeres – etwa auch, dass ein Berufsverbot ausgesprochen wird. Davon sei man aber noch weit entfernt. Die Sache sei auch deshalb kompliziert, weil der Arzt zwei Dienstverhältnisse hat, er ist angestellter Uniprofessor nach Vertragsbedienstetenrecht und Beamter nach Beamtendienstrecht.

Anfang der Woche hat eine Gruppe Mediziner zudem per Aussendung kritisiert, dass der AKH-Arzt auch Vorsitzender des Wohlfahrtsfonds der Wiener Ärztekammer war und in dieser Funktion "Millionenbeträge" zu verantworten hatte. Dabei handelt es sich um eine Pensionsvorsorge, die jeder Mediziner einzahlen muss. Grund zu der Annahme, dass der betroffene Mediziner unredlich gehandelt haben soll, gebe es aber keinen. "Der Arzt war zwar Vorsitzender, konnte aber nichts alleine entscheiden", so Szekeres.

Zweifelhafte Argumente

Dass die OP-Protokolle am Wiener AKH absichtlich gefälscht wurden, steht jedenfalls fest. Daran hat auch Markus Müller, Rektor der Med-Uni, keine Zweifel. Der Beschuldigte will gegen seine Kündigung gerichtlich vorgehen, wie die Presse berichtete. Er selbst gibt Kollegen die Schuld, die vergessen hätten, ihn aus Protokollen zu streichen, die er anders als ursprünglich geplant, nicht durchführen konnte.

Diverse AKH-Ärzte bezweifeln diese Argumentation, zumal der Operateur einmal direkt nach einem Eingriff einen Bericht verfassen muss, auf dem der durchführende Arzt vermerkt ist. Einige Zeit später wird er vom Computer-System aufgefordert, die Eingaben erneut zu kontrollieren. (Bernadette Redl, 9.10.2018)