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Und tschüss! Im Netz kursieren Ideen dafür, was man noch schreddern könnte. Ob der Banksy-Effekt sich auch beim teuersten Gemälde der Welt, Leonardo da Vincis "Salvator Mundi", einstellen würde?

Imago, Getty / Collage: Otto Beigelbeck

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Banksys "Girl with Balloon" in jenem Zustand, in dem es in die Auktion gelangte.

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Kurz nach dem Zuschlag um rund eine Mio. Pfund (rund 1,2 Mio. Euro) wurde das Bild teilweise zerstört.

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Drei Tage dauerte es, bis die Museumsleitung aufmerksam wurde. So lange hing in der Paläontologie-Abteilung des British Museum eine reichlich aus ihrer Zeit gefallene Höhlenmalerei: ein Steinstück, das neben einem von Pfeilen durchbohrten Büffel einen Homo sapiens mit Einkaufswagen zeigt. Jener große Künstler, der den kleinen Einschmuggel-Streich ersonnen hatte, durfte sich jedenfalls die Hände reiben. Es war ein gewisser Banksy.

Der ist heute so berühmt, dass die gefälschte Höhlenmalerei im British Museum längst fix ausgestellt ist. Die Reihe der Scherze, die Banksy dem Kulturbetrieb spielte, ist unterdessen um einige Meisterstücke gewachsen. Neben einer in den Louvre geschmuggelten Mona Lisa mit Smileygesicht erlangte auch ein Coup in der Popmusik Berühmtheit: 2006 stellte Banksy ein gefälschtes Paris-Hilton-Album in englische Plattenläden. Mitsamt Fake-Musik und Fake-Cover. Popularität erlangte er auch mit seinem Kerngeschäft, den markigen, oft das Weltgeschehen kommentierenden Schablonengraffiti. Inzwischen tauchen sie weltweit auf – in London, Paris, New York oder im Gazastreifen.

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Das Bild mit Ballonmädchen, das sich am Freitag auf einer Auktion bei Sotheby's in London selbst zerstörte, ist sein jüngster Streich. Der Hammer war gerade bei 1,2 Millionen Euro gefallen. Da sorgte ein in den Rahmen eingebauter Aktenvernichter dafür, dass sich das Blatt vor den Augen der verblüfften Auktionsbesucher zur Hälfte in feine Streifen auflöste. In den sozialen Medien bejubelte man den Coup gegen den kapitalistischen Kunstbetrieb.

Wie immer, wenn er zuschlägt, steht man aber vor einem eigentümlichen Problem: Die Welt hat zu Banksy kein Gesicht. Der Künstler hält von jeher seine Identität geheim. Als gesichert gilt, dass er 1974 im britischen Bristol geboren wurde, abseits davon gibt es aber lediglich Vermutungen über Banksys Person. Zwischendurch wurde gemunkelt, es handele sich um eine Frau oder ein Kollektiv.

Marke gegen Marken

Um das Phänomen Banksy zu verstehen, muss man sich in die Philosophie der Street-Art vertiefen. Sprühend, klebend und installativ greifen deren Künstler in den Stadtraum ein. Simplizität ist oberstes visuelles Gebot, dazu Prägnanz, Plakativität, Wiederholung. Der Werbung abgekupferte Strategien, um sich im urbanen Zeichen- und Bilderdschungel zu behaupten und als Kunst erkennbar zu sein. So geht man als Marke, gegen Marken ins Gefecht.

Auch Banksys Bildsprache ist längst eine globale Marke geworden. Die Ästhetik ließe sich fälschen, aber der Künstler bestätigt immer wieder über Instagram seine Autorschaft. Zuletzt im Juni, als in Paris einige Sujets mit Ratten auftauchten: eine Hommage an Blek le Rat, dem Urvater der Pochoirs oder Stencils genannten Schablonenkunst. Dieses Erinnern an die Historie des Mediums, kann man auch als Bekenntnis zu ihrer Philosophie verstehen.

Aller Street Art ist eine starke antikonsumistische Haltung gemein. Keith Haring, der Graffiti und damit auch Street Art nahestand, machte Anfang der 1980er-Jahre deutlich, dass es Unternehmen möglich war, mit Werbung verlangen- und konsumorientierte Botschaften zu plakatieren, während die Mehrheit der Öffentlichkeit keine Möglichkeit hat eine alternative Stimme zu äußern. Auch in diesem Zusammenhang sind Banksys gesellschaftspolitische Statements, sein ästhetisierter Protest zu lesen: Eine Figur, die für die ignorierte Masse eine weithin gehörte Stimme erhebt.

Gegen den totalen Kommerz

Dem Prinzip Harings "Kunst für jedermann" mit leicht entschlüsselbaren, symbolhaften Zeichnungen zu schaffen, folgten die Street-Art-Künstler. Seite an Seite mit der Werbung kritisierten sie die Allgegenwart des Kommerzes. Die etablierte Kunst als elitäre und konsumierbare Form der Warenproduktion galt es zu überwinden. Dass die Straßenkunst aus Gründen der Abzocke zuletzt immer häufiger aus ihren urbanen Kontexten gerissen, sprich: von Hausmauern geklopft, wird, haben Banksy und seine Kollegen oft angeprangert. Die Vereinnahmung der Gegenkultur im Kunstmarkt scheint nicht aufhaltbar. Nicht zuletzt das 2002 in London aufgetauchte Balloon Girl, das abgekratzt und für umgerechnet mehr als 560.000 Euro versteigert wurde.

Freilich, die visuellen Statements sind so wie in den 1960er Jahren in den New Yorker Ghettos entstandenen Graffiti individuelle Selbstbehauptungen in einer anonymer werdenden Welt. Die erstrebte Sichtbarkeit mündet jedoch nicht in geläufigen Vorstellungen von Berühmtheit. Banksys bleibt unbekannt. Sogar seine Eltern würden bis heute nicht wissen, dass er Banksy sei. Auch im Verweigern des Starkults bleibt er also Teil der Gegenkultur. Die steten Versuche ihn doch noch zu enttarnen, sind ebenso wie die Übergriffe des Marktes, im zerstörten Werk eine Wertsteigerung zu sehen, letztlich nichts anderes als ein Angriff auf die künstlerische Selbstbestimmung. (Anne Katrin Fessler, Romand Gerold, 8.10.2018)