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EU-Kommissar Johannes Hahn fordert die mazedonischen Parlamentarier auf, die notwendigen Verfassungsänderungen für die Namensänderung zügig umzusetzen.

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Nach dem Referendum über die Namensänderung, das wegen zu geringer Bürgerbeteiligung ungültig war, fordert EU-Kommissar Johannes Hahn die mazedonischen Parlamentarier auf, die notwendigen Verfassungsänderungen für die Namensänderung trotzdem zügig umzusetzen. In der größten Oppositionspartei VMRO-DPMNE gibt es massiven Widerstand gegen die Namensänderung – Mazedonien soll künftig Nord-Mazedonien heißen. Die Regierung braucht für die Verfassungsänderung aber etwa zehn Stimmen von der VMRO, doch die VMRO-Führung stemmt sich dagegen.

Es gebe Berichte über Drohungen gegen jene, die aus der Parteilinie ausscheren und die Regierung im Parlament unterstützen wollen, so Hahn. Mitglieder der VMRO hätten sich gegen die Linie des Parteichefs Hristijan Mickoski gestellt, seien dafür aber sanktioniert worden, wie etwa der stellvertretende Generalsekretär der Partei, der entlassen wurde.

"Das ist für eine Partei, die den Anspruch erhebt, eine proeuropäische, demokratische Partei zu sein, vollkommen inakzeptabel", so Hahn zum STANDARD. Er hoffe nun auf einen Diskussionsprozess. "Denn die euroatlantische Integration, die jetzt endlich durch die Lösung des Namenskonflikts in greifbare Nähe rückt, ist ja auch von der VMRO-DPMNE als Ziel genannt worden. Aber dann muss sie auch dementsprechend handeln und den Beschluss des Abkommens ermöglichen. Alles andere ist unglaubwürdig", warnt Hahn.

"Destruktive Haltung aufgeben"

Er fordert die Oppositionspartei auf, "ihre destruktive Haltung aufzugeben und das Interesse des Landes und seiner Bürger vor ihre parteipolitischen Interessen zu stellen". Die mit Griechenland ausgehandelte Namensvereinbarung sei deshalb so bedeutsam, weil sie den Weg zur euroatlantischen Integration wieder freimache. "Sie ist zudem für die gesamte Region ein Signal, dass selbst die Lösung jahrzehntelang festgefahrener Konflikte möglich ist. Daher sollte die Namensvereinbarung unverzüglich im Parlament umgesetzt werden." Das Referendum sei rein konsultativ gewesen. Was zähle, sei das überzeugende Votum für die Vereinbarung: Die Bürger haben mit einem Rekordwert von 94 Prozent für die Namensvereinbarung gestimmt. Der Aufruf zum Boykott – einige in der VMRO hatten dies gefordert – zeuge von mangelnder demokratischen Reife, so Hahn.

Der Kommissar, der sich seit Jahren für mehr Rechtsstaatlichkeit und Perspektiven für den Balkanstaat einsetzt, warnt auch ausdrücklich vor Neuwahlen, die Premier Zoran Zaev ins Spiel gebracht hat. Solche würden mit Sicherheit eine Verzögerung in der Umsetzung und Ratifikation der Namensvereinbarung mit sich bringen. "Ich bezweifle auch, dass bei wesentlichen Verzögerungen die griechische Regierung noch imstande sein wird, das Namensabkommen im Parlament durchzubringen", meint er.

Zeitfenster nutzen

Es sei zudem keineswegs sicher, dass Neuwahlen der Regierung in Skopje die erwünschte Zweidrittelmehrheit bringen würden. "Das heißt, es gibt ein bestimmtes Zeitfenster, das jetzt zu nutzen ist, sonst könnte diese einmalige Chance auf die Umsetzung der Namensvereinbarung und damit der Beitrittsperspektive für lange Zeit oder vielleicht auch für immer vertan sein", so Hahn. Eine Partei, die dieses wirklich historische, nicht nur für das Land, sondern die gesamte Region bedeutsame Abkommen aus parteipolitischen Gründen verhinderte, habe volle Verantwortung dafür zu tragen, lässt er die VMRO wissen.

Auch die deutsche CDU versucht die Schwesterpartei VMRO zum Einlenken zu bringen. Der Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul sagte, die Abstimmung im Parlament über die Verfassungsänderungen sei nun entscheidend. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor dem Referendum Skopje besucht, um ihre Unterstützung für die Namensvereinbarung zu unterstreichen.

Zahlreiche Verfahren gegen VMRO-Politiker

Die VMRO-DPMNE ist intern zerrissen. Jener Parteiflügel, der noch gegenüber dem alten Parteichef Nikola Gruevski loyal ist, versucht aus der derzeitigen innenpolitischen Situation Kapital zu ziehen und die Zustimmung zur Namensänderung um jeden Preis zu verhindern. Viele Vertreter der VMRO stehen zurzeit wegen Korruption und Amtsmissbrauchs vor Gericht – sie fordern im Hintergrund Amnestie. Der ehemalige Premier Gruevski selbst wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt – in diesem Fall geht es um den illegalen Verkauf von einem Mercedes von der ehemaligen Innenministerin Gordana Jankuloska. Das Urteil wurde kürzlich in zweiter Instanz bestätigt.

Gegen Gruevski laufen noch weitere Verfahren. Auch der mazedonische Präsident Gjorge Ivanov, der russische Interessen vertritt, ist gegen die Änderung des Staatsnamens, durch die ein Nato-Beitritt möglich werden könnte. (Adelheid Wölfl, 8.10.2018)