Weniger Konsum, mehr teilen, effizienterer Einsatz der Ressourcen – was als kollaborative Idee begonnen hat, ist zu einem einträglichen Geschäftsmodell geworden, vor allem für große Plattformen wie Airbnb, Uber oder Book a Tiger. Auch Coworking kann dazu gezählt werden.

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Autos teilen, für den Städtetrip die Wohnung eines anderen mieten oder bei Reparaturen in den eigenen vier Wänden passendes Werkzeug ausborgen. Teilen, leihen, mieten – die Idee hinter der Sharing Economy ist nicht neu, durch den digitalen Fortschritt sind aber nicht nur die Möglichkeiten, sondern ist auch die wirtschaftliche Bedeutung rasant gestiegen. Laut dem Thinktank Brooks Institution wird der Sharing-Economy-Markt in den USA im Jahr 2025 rund 335 Milliarden Dollar (290 Milliarden Euro) schwer sein.

Noch beeindruckender die Zahlen der Europäischen Kommission: Bis Ende des Jahrzehnts werde der europäische Markt auf kollaborativen Plattformen von 30 Milliarden im Jahr 2015 auf 572 Milliarden Euro wachsen. Weniger Konsum, mehr teilen, effizienterer Einsatz der Ressourcen – was als kollaborative Idee begonnen hat, ist zu einem einträglichen Geschäftsmodell geworden, vor allem für große Plattformen wie Airbnb, Uber oder Book a Tiger.

Teilen in Echtzeit

Auch bei der Sharing Economy handelt es sich um die Vermittlung von Dienstleistungen, nur können die Informationen in Echtzeit mit der ganzen Welt geteilt werden, sagt Michael Heiling von der Arbeiterkammer Wien. Gemeinsam mit Simon Schumich hat er den Branchenreport zur Sharing Economy verfasst. Echtes Sharing betreiben nur wenige Plattformen in Österreich. Ohne Entgelt gibt es fast nichts. Von den großen Online-Plattformen gehören beispielsweise Couchsurfing und Foodsharing zu den Ausnahmen.

Daher sehen Experten den Begriff kritisch, denn: Was wird wirklich geteilt? Und wer hat den Gewinn? Begriffe wie "Pseudo-Sharing" oder "Share-Washing" machen immer öfter die Runde. Für Heiling sei die Sharing Economy aber auch arbeitsrechtlich in einem Graubereich. Denn: "Menschen bieten ihre Dienstleistung als Selbstständige an, aber sie sind trotzdem von der Plattform wirtschaftlich abhängig", sagt Heiling. Möglicherweise sind sie auch persönlich abhängig, dann wäre die Abgrenzung zu einem unselbstständigen Arbeitsverhältnis bereits schwieriger.

Derzeit sei der Markt noch schwer zu fassen. Von den großen Plattformen kann man in Österreich hinsichtlich der Mitarbeiterstruktur oder des erwirtschafteten Gewinns kaum etwas in Erfahrung bringen, weil sie aufgrund der Unternehmensgröße oder fehlender Niederlassungen in Österreich nicht dem Berichtswesen unterliegen. Hier sei die Europäische Union gefordert, um mehr Transparenz, Wissen und Evidenz in dieser Branche zu schaffen.

Keine Gutverdiener

Mit den Motiven der Nutzer der Sharing-Economy-Angebote beschäftigen sich die Wirtschaftspsychologin Eva Hofmann und ihr Team von der Wirtschaftsuni Wien in einer Studie. Das Ergebnis fällt eindeutig aus. Nicht Ressourcen schonen oder die Umwelt schützen, sondern Kostenersparnis sei der Hauptgrund. "Zuallererst gehe es ums Geld, erst bei weiterem Nachfragen gehe es um Motive wie Umweltschutz oder auch Konsumkritik", sagt Hofmann. Aus wissenschaftlicher Sicht sei aber der Begriff der Sharing Economy noch nicht klar definiert. Bei ihren Forschungen wurde eine sehr breite Definition gewählt, also jede Organisation, die etwas zum Verteilen oder eine Dienstleistung meist online anbietet.

Eine empirische Erhebung unter Anbietern in 14 Ländern der EU hat ergeben, dass lediglich zwei bis drei Prozent des Einkommens über Sharing-Plattformen kommen. Auch eine Umfrage aus Großbritannien zeigt ein ähnliches Bild. Von den Personen, die über Plattformen arbeiten, haben 48 Prozent ein Jahreseinkommen unter 18.000 Euro, weitere 43 Prozent ein Jahreseinkommen unter 36.000 Euro. "95 Prozent sind keine Gutverdiener", sagt Heiling. Trotzdem wachse der Bereich stark.

Hochregulierter Markt

Ob das gesteigerte Angebot auch zu Preisdumping führe, sei derzeit noch schwer abzuschätzen. Zwar könne jemand, der diese Plattformen als Zusatzverdienst sieht, andere Angebote stellen als jemand, für den das die Haupteinnahmequelle ist. "Aber die Frage ist: Wie sehr können die Leute überhaupt auf den Preis einwirken?", sagt Heiling. Die Plattformen halten dem gern entgegen, dass sie lediglich der Marktplatz sind. "Aber ein hochregulierter Marktplatz, dessen Regulator ein gewinnorientiertes Unternehmen ist." (Gudrun Ostermann, 29.11.2018)