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Unsere Autorin Lisa Breit (Symbolbild) versuchte sich als Clickworkerin. Sie recherchierte Adressen, schrieb Produktbeschreibungen oder nahm an Umfragen teil. Nach zehn Minuten hat sie 40 Cent verdient – nach zwei Stunden sechs Euro.

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Eine Produktbeschreibung für einen Esstisch schreiben. Adressen und Öffnungszeiten von Lokalen eintragen. Videos beschlagworten. Diese Aufgaben sind monoton und mühsam. Aber irgendjemand muss sie machen. Beauftragt werden damit häufig sogenannte Clickworker: digitale Freelancer, die über diverse Online-Plattformen an die Aufträge kommen.

Experten prognostizieren dieser Art, Arbeit zu organisieren, eine große Zukunft – gleichzeitig steht sie stark in der Kritik. Es heißt, dass Clickworker nur wenige Cent pro Auftrag verdienen und sich ihr Leben nur knapp leisten können. Die Wissenschafterin Ursula Huws, die zum Thema forscht, spricht sogar von einem "Cybertariat", einem digitalen Prekariat. Ich will wissen, was dahintersteckt – und mich selbst als Clickworkerin versuchen.

Einer der bekanntesten Webseiten für Clickworker-Jobs ist clickworker.de. Dort melde ich mich an. "Als Clickworker arbeiten Sie selbstbestimmt und zeitlich vollkommen flexibel", wird mir in Aussicht gestellt. Und wie ist der Verdienst? Das gilt es herauszufinden. Ich lege einen Benutzernamen und ein Passwort fest, versichere per Mausklick, dass ich volljährig bin. clickworker.de will von mir wissen, welche Sprachen ich spreche (Deutsch, Englisch, Französisch) und was meine höchste abgeschlossene Schulbildung ist (Universität). Dann soll ich mich selbst zu meinen "Fähigkeiten" einschätzen, ich setze Haken bei "Produktbeschreibungen", "Blogartikeln" und "redaktionellen Artikeln".

40 Cent nach zehn Minuten

Es kann losgehen. Unter einem Reiter, "Alle Jobs", werden die für mich verfügbaren Aufträge gelistet – plus Entlohnung. Für die Recherche von Adressen gibt es beispielsweise zehn Cent. Meine Aufgabe ist es, zu einem Vereinsnamen die zugehörige Straße mit Hausnummer und auch die Webseite zu recherchieren. Nach zehn Minuten habe ich 40 Cent verdient. Nicht gerade viel.

Ich suche nach einem lukrativeren, anspruchsvolleren Auftrag. Also absolviere ich eine sogenannte "Qualifizierung als Autorin für deutsche Texte". Sollte ich hinkriegen, denke ich mir – immerhin arbeite ich seit vier Jahren hauptberuflich als Journalistin. Schreiben ist mein täglich Brot. Die Multiple-Choice-Fragen zur Beistrichsetzung und die Lückentexte fallen mir nicht schwer. Am Ende muss ich eine Biografie verfassen, ich schreibe über eine österreichische Fotografin. Dann heißt es warten. Nach ungefähr zwei Wochen erhalte ich das Okay.

Nun werden mir auch redaktionelle Jobs angeboten. Zum Beispiel: "Verfassen Sie kurze Produkttexte (Möbel, Heimtextilien, Leuchten)", 1,55 Euro je Auftrag. Die Vorgaben für die Texte sind üppig: Sie sollen zwischen 51 und 100 Wörter lang sein, ansprechend, aber zugleich nüchtern formuliert. Die Farbe der Möbel darf nicht erwähnt werden, mehrere Keywords sollen dafür ein- bis zweimal vorkommen, die Marke muss am Satzanfang, in der Nähe der Produktbeschreibung, erwähnt werden und später nochmals vorkommen. Potenzielle Kunden darf man nicht direkt ansprechen.

Hart verdientes Geld

Für den ersten Text – die Beschreibung eines gepolsterten Bürostuhls mit rundem Sockel – benötige ich in etwa 30 Minuten. Bei einem zweiten Text – über einen Esstisch aus Massivholz – bin ich mit 25 Minuten immerhin etwas schneller. Auch die nächsten Texte schaffe ich nicht unter 20 Minuten – wenn ich mir einen ansprechenden Titel und nette, halbwegs kreative Beschreibungen überlege, gleichzeitig aber alle Instruktionen berücksichtige. Dann sind keine Aufträge für eine Produktbeschreibung mehr über mich verfügbar.

Ich könnte nun für 43 Cent Sprachaufnahmen aufzeichnen, was nicht geht, weil ich kein Mikro bei der Hand habe. Für die Teilnahme an einer Umfrage zu meinem Haushalt (37 Fragen, circa zehn Minuten) bekomme ich 56 Cent. Nach insgesamt circa zwei Stunden auf der Plattform beträgt mein Kontostand nicht einmal sechs Euro. Fazit: Das ist wirklich hart verdientes Geld. (Lisa Breit, 1.11.2018)