Hightech im Auto ist nicht nur ein Segen. Die Fahrer werden abgelenkt – und Diebe lassen von Autos mit mechanischen Wegfahrsperren mitunter lieber die Finger.

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Der Schein trügt, dass aufgrund digitaler Hightechausstattung etlicher Kfz-Modelle (vor allem hochpreisiger) die Diebstahlquote zurückgeht und die Ortung der Autos leichter möglich ist. Generali-Vorstandsmitglied Walter Kupec, zugleich Vorsitzender der Sektion Kfz des Versicherungsverbandes, sagt, dass nur rund zwei Prozent der gemeldeten Versicherungsfälle sogenannte Totaldiebstähle sind, die Mehrzahl der Schäden sind Unfälle – und deren Reparatur wird immer teurer. Früher, so der langjährige und entsprechend erfahrene Versicherungsmanager, war eine Stoßstange eben eine Stoßstange, und die Reparatur hat etwa 80 Euro gekostet. Heute ist sie ein Hightechgerät. In der Stoßstange oder auf der Frontscheibe seien Sensoren, Kameras etc. eingebaut, deren Reparatur kostet ein Vielfaches.

Ein anderes Beispiel: "Ein deutscher Hersteller hat begonnen, den Blinker nicht mehr blinken zu lassen, sondern das Licht nach außen zu leiten. Dieses spezielle Licht muss bei einer Reparatur wieder mit einem Softwareupdate in die Softwaresteuerung des Autos implementiert werden. Das verteuert die Einzelreparatur bei einem eigentlich banalen Blinker", so Kupec.

Reparaturen werden aufwändiger

Die für die Versicherung relevanten Kosten in der Kfz-Sparte seien der Stundensatz für den Lackierer, die Arbeitszeit eines Mechanikers oder generell die Ersatzteile. Das seien die Massenschäden; allein bei der Generali sind es 750.000 pro Jahr. Der Diebstahl selbst hochpreisiger Autos ist bei der Masse an Schäden nicht relevant. Und nicht zu vergessen – die Zinsen: Denn von deren Entwicklung hängen die Pflegekosten oder der Verdienstentgang der Unfallopfer ab. Dafür müssten Rückstellungen in der Bilanz gebildet werden. "Das Geschäft wird von so vielen anderen Faktoren beeinflusst, da ist es nahezu egal, ob ein Porsche mehr oder weniger gestohlen wird", sagt Kupec.

Walter Kupec: Die Masse will günstig versichert sein.
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Auch Hightech könne Diebstähle nicht verhindern: Professionelle Diebstahlbanden wissen ganz genau, wo der Chip im Auto angebracht ist, der gezogen werden müsse, um die Funkverbindung und damit die Verbindung zum Autohalter zu unterbrechen. "Gute Programmierer sitzen nicht nur bei den Autoherstellern, sondern ebenso beim organisierten Verbrechen. Die Banden sind immer einen Schritt voraus", so Kupecs Erfahrung. Beim Porsche 911 GT3 etwa sei alles nur Software, wer immer diese programmiert – es gibt Leute, die können sie wieder deaktivieren.

Automatischer Notruf

Wenig Erfahrung gebe es noch mit dem seit Jahresbeginn verpflichtend geltenden E-Call, also dem automatischen Notruf durch das Auto. Dabei wird bei einem Unfall ohne Zutun des Fahrers die europäische Zentralstelle mit der Notrufnummer 112 verständigt. Bis die Durchsetzung mit dem Notfallknopf greift, "wird es noch eine Zeit lang, so an die zehn Jahre, dauern", so Kupec im Gespräch mit dem STANDARD.

Zukunftsmusik ist für den Versicherungsmanager auch das hoch- und vollautonome Fahren (Level drei bis fünf nach Wiener Konvention), was auch gesetzlich derzeit noch gar nicht ausdefiniert und deshalb noch nicht möglich ist. Im selbsterprobten Praxistest mit den derzeit zulässigen teilautonomen Fähigkeiten machte Kupec die Erfahrung, dass Fahren auf der Autobahn damit relativ problemlos möglich sei, aber wenn es regne oder schneie, gehe gar nichts mehr. Die Sensoren sagen: Verkehrserkennung außer Betrieb. Verkehrszeichen werden ignoriert, im Kreisverkehr wurde beschleunigt, die Kurve mit 100 km/h angesteuert – und alle 30 Sekunden sagte eine Stimme: "Gib die Hände auf das Lenkrad." Alles in allem "ein dramatisches Erlebnis".

Daten der Lenker sind heikles Gut

Und das heikle Thema Datenverarbeitung? In Österreich bietet nur die Uniqa einen sogenannten Telematik-Tarif an. "Die Daten, die wir (Generali, Anm.) bisher schon haben, nutzen wir nicht." Die Frage sei also: Was machen die Hersteller damit? Nur Produzenten haben den vollen Zugriff auf die Daten. Das gehe dann so weit: abruptes Abbremsen, Auslösen des Airbags, welche Sitze sind belegt, welche Gurte sind angelegt, welche Teile des Autos sind abgenutzt und werden in Kürze zu tauschen sein.

Und beim Mobilitätsservice werden dann die Autos durch die Herstellerfirmen vom Unfallort abgeholt, in die Vertragswerkstätte gebracht, wo dann entschieden wird, welches Service durchgeführt wird, welche Ersatzteile verwendet werden, welche Reifen montiert werden. Kurzum: Die Kontrolle der Daten ermöglicht die Kontrolle aller Bereiche.

"Aber in Wirklichkeit geht es doch darum, dass das Geschäftsmodell einer Versicherung funktioniert", betont Kupec. Und dieses ist – Digitalisierung hin oder her: eine intakte Gefahrengemeinschaft. (Claudia Ruff, 13.10.2018)