Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan fordert die Herausgabe von Videoaufnahmen aus Saudi-Arabiens Istanbuler Konsulat, in dem der Journalist Jamal Khashoggi verschwunden ist.

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Istanbul/Washington/London/Riad – Im Fall des vermissten saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi haben Großbritannien, die USA und die Türkei den Druck auf Riad erhöht.

Der britische Außenminister Jeremy Hunt hat am Donnerstag den saudischen Behörden mit "gravierenden Konsequenzen" gedroht, sollten sie für das Verschwinden Khashoggis verantwortlich sein. "Sollten die Anschuldigungen zutreffen, werde dies gravierende Konsequenzen haben da unsere Freundschaft und Partnerschaft auf gemeinsamen Werten basiert", erklärte Hunt gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Auch die Türkei wollte nicht länger "still bleiben", warnte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und forderte die Herausgabe von Videoaufnahmen aus dem Istanbuler Konsulat, in dem Khashoggi verschwunden war.

Zuvor hatte bereits US-Präsident Donald Trump Auskunft zum Schicksal des Regierungskritikers verlangt. Er habe "auf höchster Ebene" mit Vertretern Saudi-Arabiens gesprochen, sagte Trump am Mittwoch. Washington sei "sehr enttäuscht" und werde der Sache "auf den Grund gehen". US-Ermittler seien zur Unterstützung der Untersuchungen in der Türkei. Laut dem Weißen Haus sprachen Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und sein Sicherheitsberater John Bolton mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Khashoggis türkische Verlobte Hatice Cengiz hatte zuvor Trump um Hilfe gebeten.

Kamera ausgefallen

Türkische Ermittler haben den Verdacht geäußert, dass Khashoggi bei seinem Besuch in dem Konsulat vergangene Woche von saudi-arabischen Agenten ermordet wurde. Riad weist die Vorwürfe zurück, ist aber den Beweis schuldig geblieben, dass er das Konsulat wieder lebend verlassen hat. Laut dem Konsulat waren die Überwachungskameras in dem Gebäude am Tag von Khashoggis Besuch ausgefallen.

"Ist es möglich, dass es in einem Konsulat, in einer Botschaft kein Kamerasystem gibt?", fragte Erdoğan laut der Zeitung "Hürriyet". "Dieser Vorfall ist in unserem Land passiert. Es ist uns unmöglich, bei einem solchen Vorfall still zu bleiben." Die türkische Regierung hat bisher direkte Vorwürfe an Riad vermieden, doch veröffentlichten die türkischen Medien zahlreiche Details aus den Polizeiermittlungen zu dem Fall.

USA womöglich informiert

Die "Washington Post", für die der im Exil lebende Khashoggi zuletzt als Kolumnist tätig war, berichtete, die US-Geheimdienste hätten im Voraus Kenntnis von Plänen zur Festnahme des Journalisten gehabt. Laut der Zeitung ordnete der mächtige Kronprinz bin Salman an, den 59-Jährigen nach Saudi-Arabien zu locken, um ihn dort festzunehmen. Ihm sei dafür ein neuer Job angeboten worden, Khashoggi habe dem Angebot jedoch misstraut.

Das US-Außenministerium bestritt, dass die USA im Voraus über Entführungspläne informiert gewesen seien. Khashoggi lebte seit September 2017 in den USA im Exil, da er in seiner Heimat eine Festnahme befürchtete. In seinen Kolumnen hatte er wiederholt die repressive Politik von Kronprinz bin Salman sowie die Militärintervention im Jemen, die Blockade Katars und die Verfolgung der Muslimbruderschaft kritisiert.

Fotos und Namen veröffentlicht

In der Türkei konzentrierten sich die Ermittlungen unterdessen auf ein mutmaßliches "Anschlagsteam" aus 15 Saudi-Arabern, die am Tag von Khashoggis Besuch nach Istanbul gereist waren. Türkische Medien veröffentlichten am Mittwoch Fotos und Namen von 15 Männern, die in zwei privaten Flugzeugen am Dienstag vergangener Woche in Istanbul eintrafen, bevor sie am Abend über Dubai und Kairo nach Saudi-Arabien zurückkehrten.

In Medien wurden die 15 Männer als Mitarbeiter der saudi-arabischen Sicherheitsdienste oder Vertraute von bin Salman identifiziert. Die Türkei hat von Saudi-Arabien die Zustimmung erhalten, das Istanbuler Konsulat zu durchsuchen, doch fand die Durchsuchung bisher nicht statt. Medienberichten zufolge gibt es noch Diskussionen, ob auch die Residenz des Konsuls und Fahrzeuge des Konsulats durchsucht werden dürfen. (APA, red, 11.10.2018)