Die Harmonie zwischen Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache kann keiner stören.

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Die Koalitionäre von ÖVP und FPÖ klopfen sich und einander stolz auf die Schultern: wie toll sie sind und wie sehr sie aufeinander stehen, auch ein Jahr nach der Wahl. Kein trennendes Blatt passt zwischen Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache. Die Harmonie kann keiner stören, die Opposition nicht – diese ohnehin nicht – und auch jene 881.569 Menschen nicht, die das Don't-smoke-Volksbegehren unterschrieben haben. Diese Unterschriften werden weggewischt. Das interessiert niemanden in dieser Regierung, weil die FPÖ das nicht will.

Es war die einzige unumstößliche Bedingung der FPÖ, mit der sie vor knapp einem Jahr in die Koalitionsverhandlungen gegangen ist: Das bereits beschlossene Rauchverbot in der Gastronomie müsse wieder aufgehoben werden. Kurz, ein überzeugter Nichtraucher, hält das zwar für einen ausgesprochenen Topfen, aber wenn der Koalitionspartner so leicht einzukaufen ist, wer wird da schon Nein sagen?

Das gilt ein Jahr später auch noch. Der Koalitionspakt wird über die Vernunft gestellt. Das Anliegen, die Gastronomie zum Schutz der dort arbeitenden Menschen und der Gäste rauchfrei zu machen, ist zwar nachvollziehbar und durch die Zahl jener Menschen, die jährlich an Lungenkrebs sterben, gut belegt. Aber die FPÖ will halt nicht. Kurz hält das zwar immer noch für einen Topfen, steht aber zu seinem Wort.

Überraschender ist da schon, dass sich die FPÖ, die sich immer so sehr für die direkte Demokratie eingesetzt hat, so gar nicht bewegt. 881.569 Menschen müssten auch der FPÖ zu denken geben.

Meinungsflexibel und Gesinnungsbiegsam

Das Volk sollte nicht länger "Bittsteller" und auf die Politik angewiesen sein, die darüber entscheidet, worüber man abstimmen darf. Die Bevölkerung sollte vielmehr das Recht haben, eine Volksabstimmung zu erzwingen. Wer hat das gesagt? Erraten, Heinz-Christian Strache. Das ist schon ein paar Jahre her.

Gerade Strache hatte die Grenze für die Verbindlichkeit von Volksbegehren mit 250.000 Unterschriften viel niedriger angesetzt, zeigt sich jetzt aber wieder sehr meinungsflexibel und gesinnungsbiegsam. Wenn es nicht seinen Interessen entspricht, zählt das Volk nicht. Und selbst wenn es seinen Interessen entspricht, zählt das Volk nicht, dann nämlich, wenn es der große Koalitionspartner so will: Beispiel Handelsabkommen Ceta und TTIP, die von der FPÖ heftig bekämpft wurden.

Mehr als 560.000 Menschen unterschrieben im Vorjahr ein Volksbegehren gegen die Unterzeichnung dieser Handelsabkommen. Strache: "Ein gewaltiger Erfolg. Das wären eigentlich klare Zahlen. Aber das interessiert dann offenbar den Herrn Bundeskanzler natürlich nicht. Ihn interessiert weder die Meinung des Volkes noch die seiner eigenen Parteimitglieder." Das sagte Strache im Jänner 2017. Damals war Christian Kern Bundeskanzler. Mittlerweile nahm Strache jene Position ein, die er damals kritisiert hatte, interessiert sich also weder für die Meinung des Volkes noch für die seiner eigenen Parteimitglieder. Die FPÖ ist in einer Koalition mit der ÖVP und hat damit ihre Position zu Ceta und TTIP entsorgt, weil Kurz das so will – und weil in der Regierung nicht gestritten wird. Das schätzen die Leute, das zeigen auch die Umfragen.

Der Preis dieses Nichtstreitens ist offenbar die Entsorgung der eigenen Positionen. Das ist eine Frage der Haltung. Die hat man. Oder hat man nicht. (Michael Völker, 11.10.2018)