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Eine Frau steht in Panama City vor den Trümmern eines Wohnwagens, der durch Hurrikan Michael zerstört worden war.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/JOE RAEDLE

Eine ausgetretene Treppe führt zu einem Haus, das es nicht mehr gibt, reduziert zu einem Bretterhaufen. Autos und Boote, Kühlschränke und Waschmaschinen liegen in der Gegend verstreut, als hätte ein Riese mit ihnen gespielt. Überall herabgerissene Stromleitungen, überall umgestürzte Bäume.

Es sind Bilder einer apokalyptischen Landschaft, die sich einem Fotoreporter der Zeitung Tampa Bay News bieten, als er am Donnerstagmorgen Mexico Beach erreicht. Mindestens achtzig Prozent aller Gebäude, schätzt er, sind entweder stark beschädigt oder komplett zerstört. Um Touristen anzulocken, wirbt das Fischerdorf, südwestlich von Tallahassee gelegen, mit paradiesischer Ruhe. "Genießen Sie die Schönheit, an der wir uns täglich erfreuen!", steht auf einem Schild am Ortseingang. Auf den Bildern des Fotografen ist nun auch das Schild traurig verbeult, halb zerquetscht vom Stamm einer Kiefer.

Sturmflut

Mit gewaltiger Zerstörungskraft ist der Hurrikan Michael über Florida hinweggezogen, über Landstriche im vergleichsweise dünn besiedelten, vergleichsweise armen Nordwesten des "Sunshine State", der mehr mit dem Südstaatenmilieu Alabamas gemein hat als mit dem mondänen Miami. In der Nähe von Tallahassee kam ein Mann ums Leben, nachdem ein entwurzelter Baum den Bungalow, in dem er wohnte, unter sich begraben hatte. In einem Trailerpark, einer Wohnwagensiedlung, starb ein Kind, als die provisorische Behausung seiner Familie zertrümmert wurde. Insgesamt starben in Florida vier Personen, aber auch in Georgia und North Carolina kamen durch den Sturm Menschen zu Tode. Der Fernsehsender CNN und die "Washington Post" berichteten unter Berufung auf örtliche Behörden, in North Carolina sei ein Mann in seinem Fahrzeug von einem Baum erschlagen worden. Und in Georgia sei ein elf Jahre altes Mädchen ums Leben gekommen, als ein Carport von dem Sturm in die Luft gehoben wurde und durch ein Dach stürzte. Insgesamt sollen mindestens 13 Menschen gestorben sein. Nicht wenige Überlebende stehen nun vor den Scherben ihrer Existenz.

Am schlimmsten getroffen hat es offenbar den Küstenstreifen zwischen Panama City und Mexico Beach. Windböen wirbelten Dächer durch die Luft, drückten Wände ein, Strommasten knickten um wie Streichhölzer. Eine stellenweise fast drei Meter hohe Sturmflut verwandelte Wohnviertel in eine Seenlandschaft. Etliche Straßen sind unterspült oder nicht mehr passierbar. "Es ist, als träumtest du einen Albtraum", sagt Linda Albrecht, Mitglied der Gemeindeverwaltung von Mexico Beach, dem Sender CNN. "Jemand muss kommen und dich durchrütteln, um dich aufzuwecken."

Rasant an Kraft gewonnen

Am frühen Mittwochnachmittag hatte Michael das Festland erreicht, nachdem er in den zwei Tagen zuvor rasant an Kraft gewonnen hatte. Auf der Höhe von Mexico Beach wurden Windgeschwindigkeiten von bis zu 250 Kilometern pro Stunde gemessen. Seit im Jahr 1851 moderne Wetteraufzeichnungen begannen, haben amerikanische Meteorologen nur in zwei Fällen im Auge eines Sturms einen noch tieferen Druck gemessen, ein Indiz für die Heftigkeit der Naturgewalt.

Das eine Mal, 1935, richtete der Labor-Day-Hurrikan auf der Inselgruppe der Florida Keys katastrophale Schäden an. Beim zweiten Mal, 1969, suchte Camille die Küstenregion Mississippis heim. Der Hurrikan Katrina, der 2005 die Uferdämme in New Orleans brechen ließ und die Stadt unter Wasser setzte, ging dagegen nur als Kategorie-zwei-Sturm in die Chronik ein, als zweite von fünf möglichen auf der Saffir-Simpson-Skala.

Rasant Energie getankt

"Michael hat uns förmlich überrollt", sagt Rick Scott, der Gouverneur Floridas. Der Republikaner spricht von einem fatalen Überraschungseffekt, der die Evakuierung, wie sie normalerweise mit einem Hurrikan einhergeht, enorm erschwert habe: Die Vorwarnzeit sei extrem kurz gewesen. Noch am Montag war lediglich von einem Tropentief die Rede, das über Kuba in Richtung Norden ziehe. Später wurde Michael zu Kategorie zwei heraufgestuft. Tatsächlich prallte er dann als Sturm der Kategorie vier auf die Küste. Auf dem letzten Abschnitt seiner Wegstrecke über das Meer, zwischen Kuba und Florida, hat er deutlich mehr Energie getankt, als es die Meteorologen zunächst für möglich gehalten hatten.

Ob dies mit dem Klimawandel zu tun hat, darüber ist einmal mehr eine Debatte entbrannt. Für den Demokraten Bill Nelson steht es außer Zweifel, auch wenn Präsident Donald Trump Szenarien eines vom Menschen verursachten Klimawandels zu einer Erfindung der Chinesen erklärte.

Die Wassertemperatur im Golf von Mexiko liegt derzeit um etwa zwei Grad Celsius über dem langjährigen Mittel, in Nelsons Augen kein Zufall, sondern logische Folge der Erderwärmung. Die zusätzliche Wärme werde zu neunzig Prozent von den Ozeanen absorbiert, zitiert er aus wissenschaftlichen Analysen. Und wärmeres Wasser habe, unter bestimmten Bedingungen, intensivere Hurrikans zur Folge. (Frank Herrmann, 11.10.2018)