Wien/Salzburg – Kommen populistische Parteien an die Macht, bestimmen sie die politische Agenda – und damit auch, was an den Schulen und Unis gelehrt oder nicht gelehrt wird. Schulen würden somit "Teil der politischen Propaganda", so Politikwissenschafter Reinhard Heinisch von der Uni Salzburg.

Wobei es nicht um Populismus als Rhetorik, sondern um Populismus als Ideologie geht: Hier wird ein vage definiertes homogenes Volk einer korrupten, böswilligen Elite gegenübergestellt.

Justiz und Medien werden demontiert

Kämen Populisten in Regierungsverantwortung, würden mit Berufung auf den angeblichen Volkswillen unabhängige Justiz und Medien demontiert, Gesetze beeinflusst und alternative Sichtweisen blockiert. "Letztlich werden alle Institutionen, auch das Schulsystem, unterwandert und entsprechend indoktriniert, wie dies in Ungarn und Polen aktuell geschieht", beschreibt Heinisch.

"Üble EU"

Lehrer würden unter Druck gesetzt, Lehrpläne umgeschrieben. So lernten ungarische Schüler etwa, dass Viktor Orban allein gegen die Sowjets gekämpft habe und nun einer "üblen EU" widerstehe. Dabei würden Populisten viel Geld in die Hand nehmen, um Lehrer, Schulen und kirchliche Institutionen auf Linie zu bringen. Neben Ungarn könne man die Auswirkungen derzeit auch in Polen, Bolivien oder Venezuela beobachten.

Inhaltlich dominieren laut Heinisch bei Populisten die Erzählung von der angeblich notwendigen Verteidigung der alteingesessenen Bevölkerung gegen zugezogene Minderheiten, Verschwörungstheorien, und die Berufung auf "abendländisch-christliche Werte". Dazu kommen metaphysische Vorstellungen vom "guten und reinen" Volk sowie eine Abwertung sozialwissenschaftlicher Inhalte zugunsten sogenannter "harter" Wissenschaften. Diese Haltung habe wiederum Auswirkungen auf Lehrpläne, Finanzierung, Anstellungen und Bestellung von Direktoren und Lehrern und in der Folge an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten.

Für Heinisch ist zentral, dass Staat und auch Schule "politisch neutral bleiben und nicht zum Instrument bestimmter Parteien werden, die im Namen des 'wahren Volkes' jungen Menschen eine Agenda einimpfen, weil sie meinen, traditionelle und illiberale Werte vertreten zu müssen". Angehenden Lehrern und Schülern müsse anschaulich und verständlich vermittelt werden, mit welchen Mechanismen Populismus wirkt und welche Gefahren für die Demokratie von ihm ausgehen bzw. wie man diese erkennt.

Nicht verteufeln

Dabei gehe es allerdings nicht darum, populistische Parteien pauschal zu verteufeln, wie Heinisch betont. So treibe man innerparteilich nur die eher Moderaten in die Hände der eher radikalen Kräfte. Durch kritische Analysen könne man unterdessen durchaus Druck auf Parteien ausüben, sodass sich "bestimmte radikale Tendenzen innerparteilich nicht durchsetzen". Dazu komme, dass es von Teilen der Bevölkerung auch eine konkrete Nachfrage nach populistischer Politik gebe. "Auch das muss man analysieren und verstehen und zwar unabhängig von dem, was bestimmte Parteien daraus machen."

Gerade Schulen hätten die Aufgabe, zivilgesellschaftliches Wissen und politische Bildung zu verbreiten, was in Österreich "ohnehin nur miserabel funktioniert", wie Heinisch beklagt. "Da die liberale Demokratie nun erstmals wirklich herausgefordert wird, ist dies wichtiger als je zuvor in der zweiten Republik." Ein wichtiger Hebel ist dabei aus Sicht des Politikwissenschafters, den Schülern Urteilsfähigkeit beim Umgang mit Sozialen Medien beizubringen. Immerhin würden Jugendliche über diese Kanäle die meisten politischen Inhalte beziehen und diese würden auch "von populistischen Gruppen als zentrales Kampfmedium instrumentalisiert".

An der Uni Salzburg findet am 12. und 13. Oktober die internationale Fachtagung "Nationalpopulismus bildet?" statt. (APA, 12.10.2018)