Treffen an der Problemgrenze: Irlands Staatsminister Jim Daly, der österreichische EU-Minister Gernot Blümel, Mediator Pat Hynes (v. li.).

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Wer wissen will, wo die Grenze zwischen Irland und Nordirland verläuft, muss auf die Schilder der Feuerwerksverkäufer achten. Jetzt, vor Halloween, fahren viele Iren hierher in den Norden, um Kracher einzukaufen. Im Süden sind sie verboten. Hinter dem ersten Werbeplakat beginnt der Norden, Ulster. Müsste man sich ein Symbol für die derzeit explosivste Grenze in der EU ausdenken, es ließe sich kein besseres finden.

Ravensdale ist ein verschlafenes Nest auf dem halben Weg zwischen Dublin und Belfast. Hier wird sich zeigen, ob die EU und Großbritannien einen einigermaßen geordneten Brexit über die Bühne bringen oder ob die Angelegenheit komplett entgleitet.

Bis zum Karfreitagsabkommen vor 20 Jahren war die Grenze hier schwer befestigt, der Nordirlandkonflikt zwischen protestantischen Unionisten und irisch-nationalistischen Katholiken hatte die Insel fest im Griff. 3500 Menschen kamen bei Kämpfen und Anschlägen zwischen 1969 und 1998 ums Leben.

"Grenze unsichtbar gemacht

"Nach dem Abkommen haben wir hier alles demilitarisiert und die Grenze unsichtbar gemacht. Wir müssen unbedingt sicher stellen, dass wir jetzt nicht wieder Zeichen aufstellen, die auf die geteilten Identitäten hinweisen", sagt Pat Hynes. Er arbeitet seit Jahrzehnten als Mediator. Am Freitag erklärte er Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) die Sensibilität des Problems. Denn tritt Großbritannien aus der EU und der Zollunion aus, macht das ein hartes Grenzregime in Ravensdale nötig. Daran könnte sich der Konflikt wieder entfachen. Die Menschen von damals leben noch, die Emotionen und auch die Waffen sind noch da.

Hinweise darauf gibt es bereits: Seit dem Brexit-Referendum ist die Zahl der sichtbar aufgezogenen Union Jacks in Nordirland deutlich gestiegen, auch die Angriffe auf Polizisten haben erstmals wieder zugenommen. "Das Potenzial für Gewalt ist noch da", sagt Hynes.

Tragisches Problem

"Das Problem ist eine europäische Frage", erklärt unterdessen Blümel. Niemand wolle eine harte Grenze, auch nicht eingefleischte EU-Gegner im Vereinigten Königreich. Aber sie könnte womöglich "auf fast tragische Weise" unvermeidbar werden. Geschehe dies, sei es eine "Katastrophe".

Die österreichische Präsidentschaft versicherte den Iren jedenfalls die Unterstützung der 26 Partner in den Verhandlungen mit den Briten. Beobachter sagen, dies sei das erste Mal in der Geschichte, dass Dublin stark gegenüber London auftreten könne.

Dort versucht Premierministerin Theresa May einen Kompromiss – zunächst in ihrer Regierung – zu finden. Irland gilt als der größte Stolperstein für die Austrittsverhandlungen, die in der kommenden Woche beim Rat in Brüssel in die Endphase gehen werden. Verkompliziert wird die Sache auch dadurch, dass May von den zehn Abgeordneten der nordirischen Democratic Unionist Party abhängig ist. Diese unsicheren Kantonisten sichern ihr die Mehrheit in Westminster – für die Gegenleistung von einer Milliarde Pfund an Förderungen für Nordirland. (Christoph Prantner aus Ravensdale, 12.10.2018)