Bellingcat konnte öffentlich russische Agenten enttarnen

Foto: Screenshot/Bellingcat

Falschmeldungen, Propaganda, Troll-Armeen: Die vergangenen Jahre haben eindrucksvoll gezeigt, welches negative Potenzial in sozialen Medien steckt. Doch bei der pessimistischen Betrachtung der Netzphänomene bleibt oft unerwähnt, dass durch das freie Internet auch das Gegenteil von Fake News möglich wurde: Fundierte Recherchen, die ohne die Ressourcen einer Behörde oder eines großen Medienhauses möglich sind.

Öffentliche Quellen

Ein Beispiel dafür ist die Plattform Bellingcat, die erst vor Kurzem wieder für weltweite Schlagzeilen sorgte. Das Team rund um Blogger Eliot Higgins schaffte es, anhand öffentlich zugänglicher Quellen zwei russische Agenten zu identifizieren, die für das Giftattentat im britischen Salisbury verantwortlich sein sollen. Das Outing der Russen ist ein "wahrlich bemerkenswertes Märchen, das zeigt, wie die Stärke der Crowd und Open Source-Technologien beeindruckende Ergebnisse schaffen kann", schreibt Observer-Journalistin Carole Cadwalladr.

Bürgerjournalisten

Cadwalladr hat selbst Erfahrung mit "Bürgerjournalisten", wie sauber recherchierende Blogger oftmals genannt werden. Sie hatte den Datenskandal rund um Facebook und Cambridge Analytica aufgedeckt, wobei ebenfalls engagierte Nutzer wichtige Hinweise lieferten – etwa der Mathematikprofessor Paul-Olivier Dehays, der eine Analyse über die Möglichkeiten des Datenmissbrauchs zusammenstellte.

Ziel russischer Trolle

Die Recherche aus offenen Quellen gehört auch für Geheimdienste zum täglichen Geschäft. So werden Firmenbücher, Zeitungsartikel oder öffentliche Berichte ausgewertet, um Lagebilder zu erstellen oder Verbindungen zu erkennen. Doch das Team rund um Bellingcat sorgt mit seinen Methoden und Ergebnissen auch innerhalb der Geheimdienste für Erstaunen, heißt es regelmäßig. Da ist es kein Wunder, dass die Plattform zu einem wichtigen Ziel für russische Trolle aufgestiegen ist.

Ukraine

Schon im Ukraine-Konflikt lieferte Bellingcat regelmäßig wichtige Erkenntnisse. So ist eine intensive Recherche der Plattform dafür mitverantwortlich, dass der Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 nahezu sicher als Werk russischer Militärs gilt. Auch im Syrien-Konflikt hat Bellingcat wichtige Informationen bereitgestellt.

Eliot Higgins, der 2012 zu bloggen begann, reist mittlerweile um die Welt, um Journalisten seine Recherchetechniken beizubringen. Die Plattform hat inzwischen vier Vollzeitangestellte und ein Team von rund 60 Zulieferern. (red, 14.10.2018)