Salzburg – Das Gespräch beginnt mit dem Thema, das auch die letzten Wahlkämpfe und die Politik in Österreich dominiert: die Migration. "Hattest du mit dem Flüchtlingsthema direkte Berührungspunkte?", steigt Micha Rainer in das Gespräch ein. "Ja", antwortet Christian Hansen. Er habe im Sommer 2015 in Freilassing gewohnt und auch mit Flüchtlingen Kontakt gesucht.

Der Kommunikationsplaner Christian Hansen (58) und der IT-Techniker Micha Rainer (59) trafen sich in Salzburg im Rahmen von "Österreich spricht", um zu diskutieren. Sie sitzen lässig auf dem Sofa in der Lounge des Hotels Stein. Es könnte auch ein Geschäftstreffen sein. Rainer trinkt ein Mineralwasser, Hansen einen gespritzten Quittensaft. Die beiden Männer waren bereits vor dem Gespräch in ihrer E-Mail-Korrespondenz per Du.

Christian Hansen (links) und Micha Rainer trafen einander in Salzburg zum Gespräch.
Foto: Mike Vogl für DER STANDARD

Beim Flüchtlingsthema herrscht in einigen Punkten Einigkeit. Prinzipiell müsse Flüchtlingen geholfen werden, doch es brauche klare Regeln und auch Aufnahmegrenzen. Während der Diskussion fällt auf, dass die zwei Salzburger sehr auf politische Abgrenzung und die Abwägung von Argumenten achten. Es müsse gehandelt werden, damit sich die Menschen nicht mehr in die Gefahr begeben, mit einem Schlauchboot übers Mittelmeer zu fahren, besprechen die Diskussionspartner im Schlagabtausch:

Rainer: Diese Hoffnung darf man nicht schüren. Ich muss vor Ort versuchen, das zu stoppen und humanitär zu regeln. Koste es, was es wolle. Dieses Geld haben wir bestimmt. Den Leuten werden Visionen von Europa vorgegaukelt, die nicht zu halten sind.

Hansen: Es hat jeder ein Handy. Sie sehen, wie es hier ist. Die Leute träumen genauso von einem Leben in Europa wie damals die Iren, die wegen der Ernteausfälle nach Amerika ausgewandert sind. Das war auch eine Illusion mit vielen Härten und Enttäuschungen.

Rainer: Aber es war ein großes Land, das noch besiedelbar war. In Europa ist das relativ eingeschränkt.

Hansen: Ja, okay, das stimmt. Da muss ich dir recht geben. Es müsste Tickets für Asylwerber geben.

"Was ich bewundere, ist, dass sich der junge Herr so tapfer hält", sagt Hansen über Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Foto: Mike Vogl für DER STANDARD

"Ich war Marxist, Roter und Grüner"

"Ich war in meiner Jugendzeit Mitglied bei den Marxisten, bin dann ein überzeugter Roter und Grüner geworden und bin ebenso überzeugt in den letzten Jahren dort wieder abgesprungen, weil es sich in eine Richtung entwickelt, die ich nicht unterstützen kann", erklärt Rainer seinen politischen Background. Er habe weder Schwarz noch Blau gewählt, sondern aus der Not heraus die Liste Pilz. Mit der neuen Regierung sei der Stillstand endlich vorbei, etwa bei den Krankenkassen. Andere Bereiche sehe er eher kritisch, wie etwa den Zwölfstundentag. Doch von vielen, auch vom STANDARD, würden alle Maßnahmen der Regierung "einfach niedergebuttert".

Auch Hansen ist von den Grünen abgesprungen und hat die Neos gewählt. Ihn stört die reflexartige Ablehnung ebenso. Von der Regierung werde viel kommuniziert, es gebe aber noch nicht viel Inhalt. "Was ich bewundere, ist, dass sich der junge Herr so tapfer hält", sagt Hansen über Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die mediale Präsenz sei beachtlich, sagt der selbstständige Kommunikationsplaner.

Hansen: "Die gläserne Decke gibt es"

"Hast du eigentlich das Frauenvolksbegehren unterschrieben?", fragt Hansen. "Nein, wegen der unrealistischen Forderungen", antwortet Rainer. Er poste auch viel zu "diesem sogenannten Gender Pay Gap". Es werde behauptet, dass Frauen weniger verdienen. Bei Studien würden immer alle Beschäftigungsverhältnisse zusammengewürfelt werden. "Das ist unseriös", sagt Rainer. "Ich habe schon den Eindruck, dass man als Frau trotz gleicher Qualifikation weniger verdient", kontert Christian Hansen, der das Frauenvolksbegehren unterschrieben hat. "Die gläserne Decke gibt es. Ich finde das einfach massiv unfair." Hansen gibt zu bedenken: "Was kann der Staat tun? Wenn ich zu viel eingreife in das System, erinnert mich das an Kommunismus."

Auch die Gleichberechtigung bei der Kindererziehung, die #MeToo-Bewegung oder unterschiedliche Spielzeuge für Mädchen und Buben thematisierten die beiden Salzburger. Kritik gibt es an den Medien, die laut Rainer ihrem journalistischen Auftrag nicht genügend nachkommen. Einziges Thema mit einem Salzburg-Bezug: Fußball und Red Bull Salzburg.

"Ich hätte mehr Widerstand erwartet", sagt Rainer.
Foto: Mike Vogl für DER STANDARD

"Ich dachte, das muss ein Altnazi sein"

Nach etwa eineinhalb Stunden haben Rainer und Hansen genug diskutiert. Der IT-Techniker und der Kommunikationsplaner sind nach dem Gespräch überrascht, dass sie beide durch den Algorithmus zusammengewürfelt wurden. "Die Differenzen waren eher gering. Ich hätte mehr Widerstand erwartet", sagt Rainer. Und auch Hansen hatte eine andere Erwartungshaltung: "Ich dachte, das muss ein Altnazi sein." Auch wenn bei ihrem Gespräch nur einige Gegensätze herauskamen, ihre Antworten auf die im Vorfeld gestellten Fragen waren bis auf zwei komplett konträr.

"Es war ein angenehmes Gespräch zwischen durchaus Andersdenkenden, aber denkenden Menschen. Wie ein Staffellauf. Der eine hakt bei dem anderen ein", fasst der IT-Techniker die Erfahrung zusammen. Auch Christian Hansen fand das Zusammentreffen eine spannende Erfahrung: "Ich mag solche Diskussionen. Ich setzte mich gerne dem Ergebnisoffenen aus." (Teilnehmende Beobachterin: Stefanie Ruep, 20.10.2018)