Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sieht eine "als Reform getarnte Umverteilung von Arbeitnehmern hin zu Arbeitgebern".

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Wien/Klagenfurt – Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hegt schwere Bedenken gegen die von der türkis-blauen Bundesregierung geplante Kassenreform. In einer am Dienstag veröffentlichten 62-seitigen Begutachtungsstellungnahme wird die Umwandlung zum Dachverband, das Rotationsprinzip beim Vorsitz oder der Entzug von Geldmitteln kritisiert und auf "verfassungsrechtlich bedenkliche Bestimmungen" verwiesen.

In der Vorbemerkung zur Stellungnahme, der auch sämtliche Anmerkungen der einzelnen Versicherungsträger beigefügt sind, wird die soziale Sicherheit als verlässlichste Grundlage der Demokratie bezeichnet. "Alle Veränderungen müssen am Nutzen für die Versicherten gemessen werden", mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf werde dies aber nicht erreicht. Wörtlich heißt es: "Die Reduktion der dem öffentlichen Gesundheitswesen zur Verfügung stehenden Geldmittel, die Reduktion der Aufgaben des Dachverbandes, die Dezimierung der Anzahl der hochqualifizierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die ständig wechselnde Leitung des Dachverbands durch das Rotationsprinzip führen zu einer maßgeblichen Schwächung des Gesamtsystems der sozialen Sicherheit. Die vorgesehene übermäßige Staatsaufsicht ist ein verfassungswidriger Eingriff in die Selbstverwaltung."

"Überbürokratische" Lösung

Befürchtet wird auch, dass durch den reduzierten Dachverband der Ansprechpartner für Politik und Behörden verloren geht. Nur wenn dieser stark sei, könne ein Auseinanderdriften der Leistungen und Vorgangsweisen verhindert werden. Das Rotationsprinzip beim Vorsitz wird als "organisatorisch, manageriell und wirtschaftlich dysfunktional" bezeichnet. Die Übertragung der Beitragsprüfung zur Finanz sieht der Hauptverband nicht nur im Widerspruch zum verfassungsmäßig verankerten Selbstverwaltungsprinzip, sondern auch als ineffizient und "überbürokratisch".

Nicht nachvollziehbar sei die politisch mehrfach versprochene Handlungsfähigkeit und Budgethoheit auf Landesebene. "Auf Länderebene gibt es keine Budget- oder Vertragskompetenz. Damit wird verhindert, auf regionale Bedürfnisse angemessen eingehen zu können", wird die Struktur der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), in der die neun Gebietskrankenkassen aufgehen sollen, kritisiert.

Auch eine Reihe verfassungsrechtlich bedenklicher Bestimmungen ortet der Hauptverband. "Zentraler Kritikpunkt ist die paritätische Beschickung der Selbstverwaltungskörper bei der ÖGK und der PVA (Pensionsversicherung, Anm.). Damit wird der Interessengemeinschaft der Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen ihre eigenen Angelegenheiten selbstbestimmt zu gestalten", heißt es. Genannt werden weiters die Mehrheitsverhältnisse im Dachverband, die Beitragsprüfung, die Ausweitung der ministeriellen Aufsichtsbefugnisse und Eingriffsmöglichkeiten, der "Fit & Proper"-Test für Versicherungsvertreter, die Überleitungsbestimmungen samt kommissarischer Leitung oder die Auflösung der Betriebskrankenkassen. Insgesamt sind es 15 Punkte, die hier angeführt werden.

Kärnten will mit der Regierung verhandeln

Der Tiroler ÖGB hat die Kassenreform als "Mogelpackung" und "Risikofaktor für die Gesundheit" bezeichnet. Die Verlierer der "Zwangsfusion" würden bereits feststehen: Es seien die Versicherten der Gebietskrankenkassen, teilten Tirols ÖGB-Vorsitzender Philip Wohlgemuth und Christof Federspiel, zuständiger Sekretär der Gewerkschaft GPA-djp, am Dienstag in einer Aussendung mit.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) befürchtet wiederum massive Nachteile durch die geplante Kassenreform für Kärnten. Laut einer Aussendung des Landespressediensts vom Dienstag verlangt er Verhandlungen im Rahmen des Konsultationsmechanismus des Finanzausgleichs. Nun müsse der Bund mit Kärnten in jedem Fall weitere Verhandlungen vor einer geplanten Neustrukturierung führen.

"Durch die beabsichtigte Neuorganisation der Sozialversicherung in Österreich würden nicht nur dem Land Kärnten millionenschwere Verluste entstehen", meinte Kaiser. "Es steht vor allem zu befürchten, dass diese als Reform getarnte Umverteilung von Arbeitnehmern hin zu Arbeitgebern letzten Endes mit schmerzhaften Verschlechterungen in der Gesundheitsversorgung für kleinere und mittlere Einkommen einhergeht." Einer Privatisierung der Gesundheitsversorgung werde Tür und Tor geöffnet.

Kaiser sorgt sich unter anderem um jene 218 Millionen Euro jährlich, die durch den Ausgleich unter den Kassen nach Kärnten fließen. Das hohe Niveau der Krankenversorgung sei möglicherweise nicht mehr aufrecht zu erhalten. Durch das Wegfallen des Ausgleichsfonds seien etwa Drogen- und Suchtambulanzen gefährdet. Für Kritik durch Kaiser sorgen auch geplante Änderungen in den Verwaltungsgremien und eine Verschiebung von Mitteln zu Privatkliniken. (APA, 16.10.2018)