Die Frage kommt nach jeder Langstrecke: "Wann fängst du wieder mit dem Laufen an?" Diesmal klang es ein bisserl anders: "ihr" – schließlich war der Marathon in Chicago ein Paarlauf.

Die richtige Antwort sollte ja "Am nächsten Tag" lauten. Denn auch wenn der Körper müde und die Glieder nach einem Marathon schwer sind, tut Bewegung trotzdem gut. Locker, leicht, dezent. Aber eben doch. Blöderweise ließ das der Zeitplan am berühmten "day after the marathon" nicht zu. Gerade ein kurzer Spaziergang war in Chicago noch drin.

Kurz, aber lang genug, um dieses kindisch-pathetische, aber trotzdem leiwande Gefühl zu genießen, wenn einem Wildfremde auf der Straße mit vor Begeisterung strahlenden Augen gratulieren, dass man tags zuvor 42 Kilometer gelaufen ist: In den USA trägt man Finishermedaillen am Tag danach öffentlich spazieren. Ja, doof, aber: Na und?

Doch dann hieß es: Ab in den Flieger. Zehn Stunden stillsitzen. Das ist anstrengender, als viereinhalb Stunden zu laufen.

Foto: thomas rottenberg

Umso wichtiger war es, am Dienstag – am Tag des Heimkommens – die Beine zumindest auszuschütteln. Auch, um dem Jetlag und der generellen Müdigkeit zu entkommen. "Blödmannlaufen" nennt Harald Fritz das. Also 30 oder 40 Minuten einfach ehrgeiz- und planlos homöopathisch dahintraben. Das Schwierige daran ist, am Sofa vorbeizukommen.

Deshalb war ich verdammt froh, dass meine Vereinskumpane und -kumpaninnen jeden Dienstag "auf Cricket" (also gegenüber dem Happelstadion) ein bisserl Tempotraining auf der Bahn machen: ein Grund, das Haus zu verlassen – auch wenn ich nicht Gas geben, sondern maximal ein Paar Laufschuhe kurz antesten würde: Sauconys Trimph ISO 5 (160 Euro) war soeben bei mir aufgeschlagen.

Foto: thomas rottenberg

Die brandneue, fünfte Version von Sauconys Superseller kommt vermutlich im November in die Shops und ist für ein regeneratives Lauferl ideal: Schon die früheren Versionen werden in Tests unisono als "superkomfortabler Allrounder" beschrieben. Die Everrun-Sohle fängt auf der ganzen Fußlänge viel Impact ab, ohne zu viel Abdruckenergie zu verschlucken. Für Jedermann- und -frau-Läufer also perfekt – wenn er zum Fuß passt.

Auf der ohnehin gefederten Bahn ist so ein Schuh aber natürlich Blödsinn. Also ging ich raus auf die Hauptallee und stolperte dort in das Betreuerteam der Sportordination (Robert Fritz und seine Frau Romana sowie Michael Koller), das sich gerade auf den New York Marathon vorbereitet: Dort werden die drei übernächste Woche nämlich die 120- köpfige Reisegruppe (90 davon Läuferinnen) von Andreas Perers Runners Unlimited betreuen und pacen.

Auf der Hauptallee waren die drei gerade superchillig unterwegs, also konnte ich ein bisserl mittraben. Als sie dann wieder Gas gaben, konnte ich mich wieder auf den Schuh konzentrieren: Der Triumph 5 ist tatsächlich superkomfortabel. Perfekt für gemütliches Alltags- und Erholungslaufen – auch wenn ich ausgeruht lieber mit weniger Schuh und weniger Sprengung (der Höhenunterschied zwischen Ferse und Zehe; hier 8 Millimeter) unterwegs bin: Mir wäre er auf Dauer doch zu brav.

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Freilich ist der individuell "richtige" Laufschuh sehr subjektiv: Was für mich großartig ist, kann für Sie unlaufbar sein. Und umgekehrt. Deshalb führt an probieren und sich fachkundig beraten lassen kein Weg vorbei. Deshalb laden Hersteller und Händler ihre Kunden auch regelmäßig zum Testen ein. Bei meinem "Blödmannlauf" traf ich beim Stadionparkplatz dann prompt Michael Buchleitner. Der Chef des Run-Inc-Ladens und Organisator des Wachau-Marathons war mit Team, Kunden und dem Asics-Eliteläufer Stefan Listabarth hier, um durchzuprobieren, was die Japaner in der Herbst-Winter-Kollektion anbieten.

Ich winkte ab: Ich war müde – und happy, einfach spazieren zu laufen.

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Außerdem hätte ich in dieser Geschichte keinen Platz für noch einen Schuh: In den letzten Wochen und Monaten sind etliche neue interessante und ein neu layoutierter alter Lieblingsschuh bei mir eingetrudelt. Ein paar Paare (unter anderem von Asics und New Balance) dürften noch auf dem Weg sein.

Und auch wenn einige Schuhe mir persönlich mehr und andere nicht ganz so viel Spaß machen, ist eines wichtig: Wirklich "schlechte" Laufschuhe gibt es nicht. Nicht bei den großen Marken. Trotzdem kann man voll danebengreifen: Ein 120 Kilo schwerer Laufanfänger mit Pronationsthema (also ein Ein- oder Ausknicken im Sprunggelenk) und fersenlastigem Lauf wird an einem Schuh, den meine 44 Kilo leichte, neutral und meist über Vor- oder Mittelfuß laufende Freundin über 42 Kilometer superhappy und problemlos trägt, vor k 10 verzweifeln. Der für ihn ideale Schlapfen mit viel Dämpfung, Stütze und Führung würde dagegen sie (und mich) in Depressionen stürzen.

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Sogar wenn der Schuh bei bestimmten Aufgabenstellungen für mich super performt: Im Sommer liefen Eva und ich am Achensee eine kleine, alpine Trailrunde. Wir trugen beide den Salming Trail 5 – Evas Schuh war gekauft (175 Euro), meiner ein Testschuh. Für diese Bedingungen war dieser preisgekrönte Schuh absolut ideal: viel Schutz nach vorne und unten, guter Grip. Knalliges Design als Zuwaag.

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Anfang September wäre ich mit genau diesem Schuh dann in Schweden aber nicht so glücklich gewesen: Da war ich von Icebug nach Ramsvik zum traumhaften Dreitagestrail, der Icebug Westcoast Trail Xperience, an die schwedische Westküste eingeladen worden. Es ging heftig über Stock und Stein – aber kaum über spitze Zacken von unten.

Dafür über spiegelglatt-nasse Steinplatten. Aber vor allem immer wieder durch knöchel- bis knietiefen Sumpf. Icebugs minimalistischer Mist 2 war da ideal: ein irrer Grip bei verdammt "wenig" Schuh, Wasser lief durch. Dämpf- und anderes Material hätten sich vollgesogen. Und die matten Farben versteckten (beinahe), was ich dem Schuh antat. Okay, nicht ganz: "Oh Gott, hast du mit einem Schlammmonster um den Schuh gerungen?", schrieb mir Eva, als ich ihr dieses Bild nach Wien schickte.

Foto: thomas rottenberg

Das mit den Farben ist so ein Ding: Natürlich läuft das Auge mit. Und hin und wieder kommt ein Schuh dann unverändert aber in einem neuen Layout. Saucony etwa launchte diesen Sommer plötzlich fast seine komplette Linie in Weiß unter White Noise. Das Gute für mich: Mein bisheriger persönlicher Lieblingsschuh für schnellere, längere Läufe – der Freedom ISO (im Überblicksbild auf dem Dach der mittlere Schuh, 160 Euro) – landete so "jungfräulich" und rechtzeitig bei mir, um auch in diesem Testdurchgang als Referenzschuh herhalten zu können: superweich, aber kein Energiefresser – wenn man richtig neutral und technisch sauber läuft.

Nicht nur Eva, auch einige meiner (flotteren) VereinskollegInnen haben ihn mittlerweile für ihre Langdistanzen schätzen gelernt und werden ihn in New York tragen. Wobei wir uns einig sind, dass Adidas' Adizero Boston (nicht im Bild, ich habe ihn im Frühjahr beschrieben, 140 Euro) dem Freedom ähnelt. Hier im Bild trage ich einen ganz anderen Schuh: den Salomon Predict.

Foto: thomas rottenberg

(Subjektive) Referenzmodelle sind wichtig: Worüber definiert man sonst, was an anderen Modellen positiv oder weniger super ist? Dass etwa der Predict von Salomon fast ebenso weich und rückfedernd ist wie der Freedom, ließe sich sonst schwer festmachen. Vor allem, weil es zum Predict noch keine Testberichte gibt: Der Schuh kommt aller Voraussicht nach erst im Frühjahr in die Läden – obwohl manche Händler ihn ebenfalls schon zum Probelaufen bekommen haben.

Und auch wenn mich der Schuh optisch nicht wirklich überzeugt, performt er doch genauso, wie ich mir das von einem neutralen, bequemen Schuh, mit dem ich beschwerdefrei in einer nicht auf maximales Renntempo, sondern Genuss ausgelegten Pace lange unterwegs sein kann, erwarte.

Insbesondere die sockenartig abschließende superkomfortable, aber passgenaue Fersenkonstruktion überraschte mich positiv: Der Predict läutet definitiv ein neues Salomon-Kapitel ein.

Foto: thomas rottenberg

Denn Salomon hat ein Roadrunning-Dilemma. Vielleicht ja sogar ein Trauma. Die Franzosen sind eine – wenn nicht die – Weltmacht am Trail, mühen sich aber seit Jahren, dieses Standing auf die Straße zu bringen.

Erste sichtbare und auch von Testern anerkannte Erfolge gab es erst in den letzten ein oder zwei Jahren. Wohl auch, weil man erfahrene Designköpfe von der Konkurrenz abwarb: Mit dem Sonic RA (Road Avenue) war der Turnover erstmals zu spüren. Und auch der angeblich ab Februar offiziell in den Verkauf kommende RA2 erhält in ersten Testberichten der Fachpresse gute bis sehr gute Noten.

Foto: thomas rottenberg

Ich bin den RA 2 jetzt mehrmals gelaufen – und bin nicht wirklich überzeugt. Aber das liegt an mir und meinem Schuhgeschmack: Der RA2 ist ein grundsolider, stabiler, gut gedämpfter Alltagslaufschuh mit guter Führung. Die "entkoppelte", längsgeteilte Sohle hält und funktioniert auf Asphalt, Schotter und trockenen Waldwegen gleichermaßen.

Alles schön und gut. Da der RA 2 – wie die erste Version auch – in drei unterschiedlich gedämpften Versionen kommen wird, dürfte er für sehr viele Läuferinnen und Läufer "passen": Hier ist der Markt zu finden, keine Frage – mir persönlich ist er dann aber doch zu "brav". Zu viel Schuh. Im Gegensatz zum Predict: Genau deshalb hat ja jeder Hersteller etliche Modelle im Programm.

Foto: thomas rottenberg

Wirklich Spaß machte mir dann ein ganz anderer Schuh: Das schwedische Label Salming kennen in Österreich nicht viele Leute. Wenn überhaupt, assoziieren Läuferinnen und Läufer Trailschuhe mit der Marke. Vermutlich ja auch wegen der phonetischen Nähe zu Salomon: Ob Salming ein Sublabel von Salomon sei, wurde ich in den letzten Wochen nicht nur einmal gefragt. Ist es nicht.

Und die Straßenlaufschuhe, mit denen die in Zell am See beheimateten Austrovertreter der Schweden Eva und mich für Chicago (und die Wachau) ausstatteten, fühlen sich auch keine Sekunde wie Ableger oder eine "Nebenlinie" an: "No nonsense" lautet das selbstbewusste und auf Performance statt Firlefanz fokussierte Motto. Und meint es so. Egal ob man mit dem eher reduzierten Speed (160 Euro) oder dem klassisch-komfortabler ausgerichteten Enroute 2 (175 Euro) unterwegs ist.

Foto: thomas rottenberg

Normalerweise würde man eine Läuferin mit Evas Langstreckenerfahrung auf ihrem ersten Marathon nicht in einen so (vergleichsweise) abgespeckten Schuh wie den Speed stecken: Der "klassische" Zugang wäre, auf die erwartbare Ermüdung von Sprunggelenk, Fußgewölbe oder Technik vorab mit einem stärker gedämpften, bequemeren und komfortabel-verzeihendem Schuh zu reagieren. Schuhen wie den hier heute vorgestellten "Allroundern". Sogar Evas Standardschuh, der Freedom, wird da von vielen Auskennern als "zu wenig supportiv" bewertet.

Andererseits kann man bei einer leichten Läuferin, die über weite Strecken ihrer Läufe supersauber und neutral unterwegs ist, auch einmal etwas anderes probieren – und sie in einen Schuh stellen, der weniger Dämpfung hat, dafür aber eben auch mehr Energie zurück in den Abdruck schickt – und der sich drauf verlässt, dass die Füße, die ihn laufen, auch nach 35 Kilometern noch wissen, was sie tun. Sogar wenn der Kopf da nimmer ganz bei der Sache ist.

Foto: thomas rottenberg

Ob das aufgehen würde, war alles andere als sicher. Besonders als Eva unmittelbar nach dem Start plötzlich über richtig böse Schmerzen im Fuß klagte, für die man keinen Schuh der Welt verantwortlich machen kann. Aber: Sie kam durch. Ohne Blasen, abgestorbene Zehennägel oder andere, auf Sitz und Performance des Schlapfens zurückführbare Schmerzen oder Probleme.

Ich war mit meinem Speed 6 ebenfalls happy, weiß aber natürlich nicht, wie er sich unter Volllast angefühlt hätte. Dass ich mit dem "gemütlichen" Enroute beim Vienna Nightrun im – für mich – Hochtempobereich und mit dem Speed beim Bahntraining bei harten Intervallen gut zurechtkam, sagt aber doch einiges.

Ganz abgesehen davon: Wenn man einen Schuh laufen will, mit dem man aus der Masse heraussticht und auf den man sogar in den USA angesprochen wird, sind Marken wie Salming eine Überlegung wert: Außer uns sahen wir in Chicago nur einen einzigen Läufer mit Salming-Schuhen. Er war – erraten – Schwede.

Foto: thomas rottenberg

Zu guter Letzt: Wenige Tage nach der Rückkehr aus Chicago kam dann noch ein anderer Schwedenschuh bei mir an: Die Icebug-Marketingleute wollten das "Schlammmonster" (obwohl das ja nicht am Schuh lag) nicht auf sich sitzen lassen – und zeigen, dass sie neben Performance (Grip! Grip! Grip!) auch farbenfrohe und bunte Schuhe können.

Mit dem Acceleritas 6 (130 Euro) wurde ich da fein bedient: Der Schuh ist mittlerweile fast ein Klassiker und einer der Megaseller im Portfolio der hippen Göteborger. Wobei "Megaseller" relativ ist: Icebug verkauft pro Jahr insgesamt und weltweit knapp 300.000 Schuhe – nicht einmal ein Zehntel des Absatzes, den einzelne Spitzenmodelle von Asics oder Nike schaffen. Dass ich das ebenso sympathisch finde wie die Nachdenklichkeit und die sehr offene, branchen- und selbstkritische Kommunikation rund um das Minenfeld "Nachhaltigkeit", gebe ich offen zu.

Foto: thomas rottenberg

Mit nur vier Millimetern Sprengung, schmaler Sohle, flachem Rist und eng anliegendem Sitz ist der sehr direkte Schuh maximal minimalistisch ausgelegt – und macht mir große Lust auf das, was dieses Jahr bei mir viel zu kurz kam, obwohl es mir extrem viel Spaß macht: Traillaufen – und Swimrun.

Mit trockenen, flachen, staubigen Prater-Waldwegen kommt der Schuh natürlich spielend zurecht, meldet deutliche Unterforderung an. Als ich am Sonntag dann aber, nach einer Stunde lockeren Unterholz-Joggings im Prater, am Cricketplatz vorbeikam, probierte ich etwas Anderes – und staunte nicht schlecht: Der Schlapfen hat zwar keine echten Spikes, verhält sich am Rundkurs aber beinahe so, wie ein Bahnschuh – und damit hätten dann nicht einmal die Schweden gerechnet. (Thomas Rottenberg, 17.10.2018)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Alle erwähnten Schuhe wurden von den Herstellern für Testzwecke zur Verfügung gestellt.

Tom Rottenbergs Reise nach Chicago war eine Einladung von Runners Unlimited, die Reise zur Icebug Xperience eine Einladung von Icebug.

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