Knapp 800 Millionen Menschen weltweit leiden unter Armut.

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Annelies Vilim: Die österreichische Regierung sollte den Worten Taten folgen lassen.

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"Wir tun in Summe genau das, was wir im Wahlkampf versprochen haben", beteuerte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Wochenende bei seiner Zwischenbilanz zur bisherigen Arbeit der türkis-blauen Bundesregierung. Nicht zuletzt dank der vielzitierten Message-Control gelingt es der Regierung vielfach, diesen Eindruck erfolgreich zu vermitteln. Am internationalen Tag der Beseitigung der Armut ist es angebracht, die Bundesregierung an ernüchternde Fakten in Bezug auf die versprochene Erhöhung der Hilfe vor Ort zu erinnern. Den Worten sind gerade im Bereich der Armutsbekämpfung bislang keine Taten gefolgt. Im Gegenteil.

Österreich nie Vorreiter

Knapp 800 Millionen Menschen weltweit leiden unter Armut. Zwar konnte unter anderem dank erfolgreicher Entwicklungszusammenarbeit seit den 1990er-Jahren eine Milliarde Menschen aus der absoluten Armut befreit werden. Österreich hat sich dabei jedoch nie als Vorreiter hervorgetan. Als eines der reichsten Länder der Welt sind wir bei den Entwicklungsgeldern im EU-Vergleich meist nur im unteren Mittelfeld zu finden.

Dabei haben sich 193 Länder dieser Erde im Jahr 2015 mit der Agenda 2030 sogar auf einen verbindlichen Aktionsplan geeinigt, mit dem unter anderem Armut bis 2030 endgültig beseitigt und ein gutes Leben für alle ermöglicht werden soll. Auf viele Länder ist die Idee der Agenda mit ihren 17 Zielen – nachhaltiges Wirtschaften in einer Welt ohne Armut auf einem gesunden Planeten – bereits wie ein Funke übergesprungen. Sie arbeiten konkret daran, die Agenda 2030 umzusetzen.

In Schweden Chefsache

In Schweden ist die Agenda längst zur Chefsache erklärt worden, eine klare Strategie mit konkreten Zielen ist definiert. In Hawaii, wo die Umsetzung der Agenda höchste politische Priorität hat, arbeitet ein breites Bündnis aus Politik, Zivilgesellschaft und Unternehmen unter dem Titel Hawaii Green Growth Initiative an der Erreichung der Ziele. Städte wie Utrecht haben sich zur Global Goals City erklärt und richten die Stadtplanung an der Agenda 2030 aus. In Deutschland wird einer gesamtstaatlichen Strategie folgend bis auf die Ebene der Kommunen an Umsetzungsplänen gearbeitet. Wer aber eine gesamtstaatliche Strategie zur Umsetzung der Agenda 2030 in Österreich sucht, sucht vergeblich.

Kurz' vages Bekenntnis

Immerhin betonte der nunmehrige Bundeskanzler Kurz im Wahlkampf, er werde die Mittel für die Hilfe vor Ort ausbauen. Im Regierungsübereinkommen findet sich dieses Versprechen als vages Bekenntnis, ebenso wie eine Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds. Eine gewisse Skepsis, ob dies auch umgesetzt werden würde, blieb bei Hilfsorganisationen bestehen. Dennoch, wir wollten den Ankündigungen Glauben schenken. Was dann geschah? Das Doppelbudget 2018/2019 brachte eine Kürzung des Auslandskatastrophenfonds, die österreichischen Entwicklungsgelder sollen gemäß der eigenen Prognose der Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode von derzeit schon beschämenden 0,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens auf unterirdische 0,24 Prozent im Jahr 2022 schrumpfen.

Die Welt im Blick haben

Apropos Schweden: Seit Jahren leisten Schweden und einige andere Länder sogar mehr als die international vereinbarten 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens an Entwicklungsgeldern. Österreich ist bislang nur bei Absichtserklärungen für mehr Hilfe vor Ort Vorreiter. Zur Umsetzung der Agenda 2030 herrscht überhaupt betretenes Schweigen.

Kein Wunder, dass namhafte Organisationen wie Caritas, Rotes Kreuz, Diakonie und Licht für die Welt – allesamt Mitgliedsorganisationen der AG Globale Verantwortung – am Montag Alarm schlugen. Sie wissen aus ihrer täglichen Arbeit, wie dringend notwendig die versprochene Hilfe vor Ort ist und dass in der Agenda 2030 das Potenzial für ein gutes Leben für alle steckt. Daher gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass auch die österreichische Bundesregierung dieses Potenzial erkennt und im eigenen Interesse eine Trendwende vollzieht. Die Wählerinnen und Wähler hätte sie auf ihrer Seite. Laut aktueller Befragung im Rahmen des Eurobarometers der EU sehen 86 Prozent die Entwicklungszusammenarbeit als wichtig an. Sie wissen: Wer ein gutes Leben für Österreich will, muss die Welt im Blick haben. (Annelies Vilim, 17.10.2018)