Am Montag und Dienstag suchten türkische Kriminologen nach Spuren für die Ermordung des prominenten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi. Sie nahmen Bodenproben im Garten des saudischen Konsulats in Istanbul, ließen Hunde schnüffeln. Am Ende sollen sie Blutspuren des 59-Jährigen gefunden haben.

Vor zwei Wochen war er zu einem Termin in das Konsulat im Istanbuler Stadtteil Levent gegangen und nie wieder herausgekommen. Die Erklärungsnot, in der die saudi-arabische Führung steckt, ist seither immer größer geworden. Mohammad al-Otaibi, der Generalkonsul, flüchtete via Linienflug am Dienstagnachmittag in die Heimat, meldeten türkische Medien.

Eine Knochensäge, Blut im Abwassersystem des saudischen Konsulats, angebliche Tonaufnahmen eines politischen Mordes: So viel Aufmerksamkeit hat sich Saudi-Arabiens ehrgeiziger junger Machthaber dann doch nie gewünscht. Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) steht wegen der mutmaßlichen Ermordung Khashoggis immer mehr im internationalen Rampenlicht.

DER STANDARD

Der Sturz des skrupellosen 33-jährigen Thronfolgers beginnt nun ein denkbares, wenn auch ultimatives Szenario zu werden. Die grausige Khashoggi-Affäre setzt das saudische Königshaus unter enormen Druck der Weltöffentlichkeit.

Medien: Verdächtiger aus Kronprinzumfeld

Laut einem US-Bericht sollen Verdächtige dem Umfeld von MbS angehören. So habe ein Verdächtiger namens Maher Abdulaziz Mutreb den saudischen Kronprinzen in diesem Jahr bei Reisen in die USA, nach Spanien und Frankreich begleitet, berichtete die "New York Times" am Dienstagabend. Möglicherweise handle es sich um einen Leibwächter. Drei andere Verdächtige würden ebenfalls dem Sicherheitsdienst des Kronprinzen zugerechnet, schreibt die "New York Times".

Bei einem weiteren Verdächtigen handle es sich um einen Gerichtsmediziner, der in Saudi-Arabien hohe Ämter bekleidet habe. Von den 15 Verdächtigen, die die türkischen Behörden ausgemacht haben, hätten mindestens neun für saudi-arabische Sicherheitsdienste, die Armee oder Ministerien gearbeitet. Die "New York Times" beruft sich dabei auf Software zur Gesichtserkennung, eine Datenbank mit saudi-arabischen Handynummern, öffentlich gewordene saudische Regierungsdokumente, Zeugenaussagen und Medienberichte.

Pompeo in Riad

US-Außenminister Mike Pompeo landete am Dienstag zu einem schnellen Besuch in Riad bei König Salman. Der kränkliche 82-jährige Vater, nicht sein Sohn Mohammed, ist jetzt der Ansprechpartner von US-Präsident Donald Trump und dem türkischen Staatschef Tayyip Erdoğan. Beide drängen auf Aufklärung über das Schicksal Khashoggis, wobei Erdoğan vor Journalisten weitere mögliche Indizien für einen Mord im saudischen Konsulat auftürmte. Nach Spuren von Gift werde im Gebäude gesucht, sagte er; "Materialien" seien entfernt und Stellen übermalt worden.

Trump berichtete später von einem Gespräch mit MbS. Dieser habe glaubhaft gemacht, er wisse von nichts, aber dennoch baldige Antworten versprochen. Er kündigte eine "vollständige" Untersuchung an. Laut Trump muss im Fall Khashoggi auch für Riad die Unschuldsvermutung gelten. "Jetzt wird wieder gesagt: 'Du bist schuldig, bis deine Unschuld bewiesen ist'", kritisierte Trump gegenüber der US-Nachrichtenagentur AP am Dienstag. "Ich mag das nicht."

Trump zog dabei Parallelen zu den Missbrauchsvorwürfen gegen den neuen Supreme-Court-Richter Brett Kavanaugh. Auch Kavanaugh habe sich in seinen Augen als "unschuldig" erwiesen, sagte der Präsident. Im Fall Khashoggi müsse jetzt erst einmal herausgefunden werden, was passiert sei.

Pompeo sprach von einer "ernsthaften Zusage" Saudi-Arabiens, die Verantwortlichen in dem Fall auszumachen.

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Proteste vor der saudischen Botschaft in Washington: Die mutmaßliche Ermordung Jamal Khashoggis, eines Kolumnisten der "Washington Post", bringt das saudische Königreich in große Erklärungsnot.
Foto: AP / Jacquelyin Martin

Nach inoffiziellen türkischen Angaben geriet Khashoggi bei einem Termin im saudischen Konsulat in eine Falle. Ein Mordkommando aus Saudi-Arabien folterte demnach den Kolumnisten der "Washington Post" und brachte ihn um, während Khashoggis Verlobte vor dem Konsulat auf ihn wartete. Khashoggis Leiche soll dann rasch zerstückelt, in Schachteln mit einem Dienstwagen aus dem Konsulat gebracht und schließlich mit einem Privatjet ausgeflogen worden sein.

König Salmans Versicherung, seine Regierung habe nichts mit dem Verschwinden Khashoggis zu tun, isoliert nur seinen bevorzugten Sohn, den Kronprinzen, der doch die politischen Geschäfte im Königreich führt und den Sicherheitsapparat völlig unter Kontrolle haben soll. Pompeos Gespräch mit dem König dauerte nur eine Viertelstunde.

Vom angeblich halben Geständnis der Saudis, über das CNN berichtet hatte, und der Version eines Verhörs, das "falsch" lief und mit der Ermordung Khashoggis endete, war bis dahin nichts offiziell verlautet. (Markus Bernath, 16.10.2018)