Lars Thomsen zählt zu den weltweit führenden Zukunftsforschern. Der 1968 in Hamburg geborene Trend- und Zukunftsforscher gilt als einer der einflussreichsten Experten für die Zukunft der Energie, Mobilität und Smart Networks.

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Wien – Elektroautos sind trotz diverser Förderprogramme finanzieller und verkehrspolitischer Natur noch immer verschwindend selten auf den Straßen unterwegs, zumindest in Europa. Das wird sich aber nach Einschätzung von Lars Thomsen, der berufsmäßig in die Zukunft schaut, Trends aufspürt und Kipppunkte zu destillieren versucht, schon bald ändern. "Der Übergang von der Pferdekutsche zum Automobil hat im vergangenen Jahrhundert auch nur 15 Jahre gedauert", sagte Thomsen Dienstagabend in Wien. Ähnlich rasch, wenn nicht noch rascher werde der Übergang vom Auto mit Verbrennungsmotor zum Elektromobil erfolgen.

Treiber der Entwicklung sei nicht zuletzt die Preiserosion bei Batterien, dem Herzstück des Elektromobils. Die Batteriepreise sind in den vergangenen Jahren im Schnitt um etwa 18 Prozent pro Jahr gesunken, und diese Entwicklung gehe weiter. Das sei auch der Grund, warum Elektroautos aller Wahrscheinlichkeit nach die mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeuge abhängen werden. Der Preisverfall bei den Batterien sei markanter als bei der Brennstoffzelle, die es im Auto zur Umwandlung des Wasserstoffs in Strom braucht, sagt Thomsen.

Von Diesel werden nur 25 Prozent genutzt

Die Abkehr vom Verbrennungsmotor sei nicht nur aus Umweltgesichtspunkten richtig und wichtig, sondern auch aus Effizienzüberlegungen. "Von einem Liter Diesel werden effektiv nur 25 Prozent genutzt, 75 Prozent gehen verloren – die reinste Verschwendung", sagt Thomsen. Der Zukunftsforscher, der am Mittwoch am Innovation Summit der Salzburg AG in Salzburg teilnimmt, rechnet zudem fest damit, dass auch "in unseren Städten schon sehr bald autonomes Fahren Realität" werden wird. Der Druck insbesondere der jungen Generation werde steigen, dass das kommt. Die nachkommenden Generationen seien mehr nutzen- und weniger besitzorientiert, autonomes Fahren passe nahezu ideal in dieses Bild. Und natürlich würden diese Autos mit Strom geladen – Strom, der aus erneuerbaren Quellen komme.

Möglich werden all diese Entwicklungen durch die Digitalisierung. Diese habe bereits vor 30 Jahren eingesetzt, beschleunige sich nun aber deutlich. Grund sei nicht zuletzt das Internet der Dinge, an das zurzeit 80-mal mehr Sachen angeschlossen werden als Menschen an das Internet. Dies, gepaart mit künstlicher Intelligenz, werde unsere Gesellschaft rascher und nachhaltiger verändern als alles bisher.

Staat fällt um Einnahmen um

Wegen zunehmenden Einzugs von humanoiden Robotern in den Alltag der Menschen, sei es als Pflegehilfen in Haushalten oder als Zimmerputzer im Hotel, sei auch die Finanzierung des Sozialstaats neu zu überdenken. Wenn Routinearbeiten, mit denen bisher Menschen Geld verdient und davon Steuern und Sozialabgaben bezahlt haben, immer mehr von Maschinen erledigt werden, falle der Staat um Einnahmen um.

Thomsen hält es über kurz oder lang für unvermeidlich, auch maschinelle Arbeit zu besteuern und über ein bedingungsloses Grundeinkommen nachzudenken. "In der Übergangsphase werden mehr Arbeitsplätze wegfallen als neue geschaffen werden", sagt er. Das sei bei Einführung der Dampfmaschine nicht anders gewesen. Erst nach und nach hätten sich neue Berufsbilder abgezeichnet, vom Ingenieur über den Elektriker bis hin zum Kartenkontrolleur im Zug. (Günther Strobl, 17.10.2018)