Salzburg – "Bei uns werden die Kinder fit für die Schule gemacht", sagt Helga Walkner, Leiterin des Kindergartens Gebirgsjägerplatz im Salzburger Stadtteil Elisabeth-Vorstadt. Rund 80 Prozent der Kinder haben an diesem Standort Migrationshintergrund. Seit elf Jahren unterstützt das Rucksack-Projekt die Kinder beim Deutsch lernen.

Fünf Stadtteilmütter, die selbst Migrationshintergrund haben und beim Magistrat für 20 Stunden angestellt sind, betreuen die 18 Rucksackgruppen in der Stadt Salzburg. Sie unterstützen migrantische Eltern, ihren Kindern Deutsch und die eigene Muttersprache beizubringen. Bei den Rucksack-Treffen werden Sprachübungen mit den Eltern durchgenommen. Diese Aufgaben üben die Eltern zu Hause mit den Kindern in ihrer Muttersprache. Im Kindergarten stehen die spielerisch gestalteten Übungen dann auf Deutsch auf dem Programm.

Deutsch lernt man nicht vor dem Fernseher

"Wenn die Muttersprache gefestigt wird, geht es auch mit den Deutschkenntnissen viel schneller", erklärt Helga Walkner. Die Kinder müssten zuerst einen gewissen Wortschatz gewinnen. Durch das Projekt würden sie lernen, diese Wörter gleich ins Deutsche zu übersetzten. "Einige Kinder sind halbsprachig. Sie können weder richtig Deutsch noch die Muttersprache", sagt Walkner. Eine Mitschuld gibt sie den Medien. "Es gibt Eltern, die glauben, wenn ich die Kinder vor den Fernseher setzte, lernen sie Deutsch", erläutert die Kindergartenleiterin.

Die Übungsblätter fordern Kinder etwa dazu auf, Bilder zu beschreiben. Die Eltern sollen nachfragen: "Was siehst du?", "Was machen die Kinder?", "Wer kann fliegen?" Auch Geschichten erfinden, Übungen mit Zahlen, Farben, sowie die Grob- und Feinmotorik sind in dem Programm enthalten. Die Themen reichen vom Essen, Einkaufen, dem Kinderzimmer über Jahreszeiten, Tiere und Elemente bis hin zu Berufen, Kleidung und Weltraum.

Mehr als 3000 Eltern und Kinder haben in den letzten elf Jahren an dem Sprachförderungsprogramm teilgenommen. Vorbild war ein Projekt in Essen in Deutschland. "Von den Volksschulen gibt es die Rückmeldung, man merke, dass die Kinder in einer Rucksackgruppe dabei waren", sagt die Kindergartenpädagogin. Auch in Hallein, Braunau und Linz gibt es mittlerweile Rucksack-Gruppen.

Außerordentlicher Status trotz guter Deutschkenntnisse

Vor zwei Jahren wurden Fälle in Salzburg bekannt, bei denen Kinder, die das Rucksachprojekt absolvierten, am Schulbeginn bereits sehr gut Deutsch konnten und trotzdem als außerordentliche Schüler eingestuft wurden. "Eine Mutter kam ganz aufgelöst zu uns", schildert Walkner. Nur weil die Tochter einen anderen Namen hatte, sei sie anders eingestuft worden. Die zuständige Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer (SPÖ) ortete Diskriminierung. Direktoren würden die Kinder als außerordentlich einstufen, um überhaupt zusätzliche Deutschförderkurse zu bekommen.

Aus dem Büro der zuständigen Landesrätin Maria Hutter (ÖVP) heißt es, auch jetzt würden die Direktoren noch bestimmen, wer als außerordentlicher Schüler eingestuft und somit eine der neuen Deutschklassen besuchen müsse. Mit der Anzahl an Schülern mit außerordentlichen Status kommen auch zusätzliche Stunden also Ressourcen an die Schule. Das soll sich aber ändern: "Das Ministerium bereitet eine Änderung vor, weil die Einstufungen höchst unterschiedlich waren", sagt Hutters Sprecher. Die Einstufung solle standardisiert und vereinheitlicht werden. Seit dieser Ankündigung seien in Salzburg bereits um 30 Prozent weniger außerordentliche Schüler in Salzburg gemeldet worden. Einen Rückgang gab es heuer auch in Wien.

Eltern lernen besser Deutsch mit

Das Rucksackprojekt sei zwar primär eine Sprachförderung für die Kinder, aber so ganz nebenbei würden auch die Eltern besser Deutsch lernen, erläutert die Projektleiterin. Seit zwei Jahren gibt es in Kooperation mit dem Kontakt- und Kommunikationszentrum für Kinder (Koko) eine begleitende Elternschule. Themen, die den Eltern am Herzen liegen, werden dabei von Psychologen und anderen Fachkräften behandelt. Die Eltern lernen etwa wie man mit Ängsten und Streit unter Geschwistern umgeht oder Grenzen setzt. Burnout-Prävention, gesunde Ernährung und Medien stehen ebenfalls auf dem Programm. Die Stadtteilmütter sind auch eine wichtige Unterstützung und Vertrauenspersonen für die Eltern. Sie begleiten diese zu Veranstaltungen und Fortbildungsangeboten oder geben Tipps im Alltag. (Stefanie Ruep, 17.10.2018)