Am Haupteingang des Verlags schaltet und waltet: "der Empfang". Martin, Ronny und Gitti (v. li.) sind aber weit mehr als das Willkommenskomitee.

Foto: Heribert Corn

Auch die gut gepflegte Pflanze gehört zum Willkommenskomitee.

Foto: Heribert Corn

"Was bin ich?" – Machen Sie eine typische Handbewegung.

Auf der einen Seite ist die Eiger-Nordwand, auf der anderen sind die Menschen.

Wer als Hausfremder Zutritt zum STANDARD sucht, ist auf letzterer Seite richtig, in der Vorderen Zollamtsstraße 13. Hier ist der Empfang des Verlags daheim, hier, hinter dem gläsernen Eingang, neben dem Aquarium (unserem gläsernen Konferenzraum) und vor dem riesigen Newsroom walten unsere Empfangsdamen und -herren ihres Amtes. Sie lassen Besucher ein, holen Redakteure rein, die wieder einmal ihre Zutrittschips vergessen haben, telefonieren, stellen durch (ja, manchmal auch nicht). Sie erledigen noch viel, viel mehr – aber dazu später. Zunächst ist da noch unsere Eiger-Nordwand.

Auf sie treffen Mitarbeiter, die den Newsroom von der U-Bahn-Seite her betreten. Und natürlich gibt's da keinen 1800 Meter hohen Schweizer Berg. (Wir übertreiben manchmal – aber, notabene, nie in unserer Berichterstattung.) Vielmehr steht beim Hintereingang eine 1,90 Meter hohe Kastenkette, die den hier Werkenden den Rücken freihält, sie ein wenig von der Außenwelt abschirmt.

Sichtbare Offenheit herrscht dagegen beim Empfang. Besetzt ist der von 8 bis 18 Uhr, an ihm kommen die rund 550 Mitarbeiter des Verlags meistens einmal, oft zwei- bis dreimal pro Arbeitstag vorbei. Hier vorn holt man Post und Zeitungen ab, bestellt Taxis und Boten, legt ein amikales Pläuschchen ein. Hier vorn begrüßen die Empfangsleute unsere Besucher, leiten sie an die richtige Stelle weiter.

Early Birds

Hier vorn wohnt aber auch das Gedächtnis des Verlags: Unsere Empfangsleute haben viel erlebt, viel zu erzählen. Früher etwa, als der STANDARD noch am Michaelerplatz im Herzen der Innenstadt daheim war, da war der Empfang rund um die Uhr besetzt – und das wurde auch genutzt. Gegen vier, fünf Uhr in der Früh pflegte einer der höheren Mitarbeiter ins Haus zu kommen, alle aufliegenden Zeitungen durchzublättern – um den Kollegen später in der Redaktionssitzung rügend seine Schlüsse aus der Konkurrenzbeobachtung mitzuteilen.

Unsere Zeitungen zogen freilich auch Hausfremde an, die sich ihre Lektüre abends druckfrisch am Ort ihres Entstehens holten – gratis. Als das überhandnahm, sodass nicht einmal mehr Exemplare für die Chefs übrigblieben, ging man zur Bezahlvariante über.

Am Michaelerplatz hatte die Redaktion übrigens noch freien Blick auf Gugelhupf und Apfelstrudel: Es gab, was gar nicht alle wussten, einen Durchgang direttissimo in die Küche des Café Griensteidl. Was das fürs Kampfgewicht der Mitarbeiter hieß, ist nicht überliefert. Wobei man damals im Büroalltag viel Bewegung machte: Internationale Meldungen kamen via Fernschreiber ins Haus, und der stand beim Empfang. Die Nachrichten, die so herbeiratterten, musste der diensthabende Portier an den Diensthabenden oben in der Redaktion bringen.

Was für ein Unterschied, als der Verlag Mitte 1997 ein paar Häuser weiterzog, in die Herrengasse 19. Dort, im Palais Trauttmansdorff, stand am Empfang schon ein Terminal, in dem man die Schlagzeilen aus dem blutjungen Standard.at lesen konnte.

Diskrete Post

Dort bekam "der Empfang" auch ab und zu Besuch eines betagten, Anschluss suchenden Herrn. Er gab diskrete Kontaktanzeigen auf, die Antwortbriefe an seine Chiffre-Nummer holte er ausnahmslos persönlich beim Portier ab. "Hoffentlich ist heute was dabei", pflegte der rüstige Rentner zu seufzen. Ob dem so war? Das wissen nicht einmal unsere Empfangsleute – aber wahrscheinlich sind sie nur zu diskret, uns diese Geschichte zu Ende zu erzählen.

Nicht müde werden sie dagegen, von unseren Spompanadeln zu berichten, die sie oft mitbewältigen müssen. Übernachtung in der "Kuschelmuschel" (so nennen wir die Besprechungsinseln im Newsroom) nach der Weihnachtsfeier? Soll vorkommen. Aber was ist das schon gegen die Weihnachtsfeier im Weißen Salon in der Herrengasse, bei der sich ein Kollege zu früher Morgenstund vom Fensterstock aus auf den Luster schwang, welchselbiger darunter ziemlich litt. Natürlich musste "der Empfang" helfen – der war ja wie immer im Haus.

Das ist er heute noch. Nur wir sind braver geworden. (Renate Graber, 19.10.2018)