Lesen Sie hier: Teil 1 / Teil 3 / Teil 4 / Teil 5

Inshallah, Herr Präsident: Vom Interview mit Mubarak und dem Warten auf Rohani

von Gudrun Harrer

Für einen Nahost-Journalisten ist die Gleichmut eine wertvolle Eigenschaft: "Inshallah", das heißt in der Praxis "vielleicht ja, vielleicht nein". Wobei es nicht notwendigerweise Allah ist, der es sich noch überlegen muss. Wenn der Präsident des Landes, den man zu interviewen von weit her angereist ist, dann doch nicht will, nutzt es gar nix. Manchmal ist auch sein Apparat das Problem.

Oktober 2007: Das Interview mit Präsident Hosni Mubarak war zugesagt und wurde auch noch bei meinem Eintreffen in Kairo bestätigt. Tolle Sache. Der damals 79-Jährige, der gut drei Jahre später gestürzt wurde – und heuer im Kreis der Familie in Freiheit seinen 90. Geburtstag feierte -, stellte sich ganz selten Journalisten im Einzelgespräch.

Die Fragen hatte ich, wie durchaus üblich, vorher eingereicht: An meinem zweiten Tag in Kairo wurden sie mir von einem netten Herrn vom Informationsministerium zurückgegeben. Beantwortet. Das war das Interview. Protest zwecklos, ganz überraschend kam es ja nicht, dem Chefredakteur der Presse war kurz zuvor Ähnliches widerfahren.

Bild nicht mehr verfügbar.

Hosni Mubarak und Muammar Gaddafi, damals beide noch Staatschefs in Ägypten und in Libyen. Gaddafi wurde 2011 von Aufständischen getötet, Mubarak feierte heuer seinen 90. Geburtstag.
Foto: Picturedesk / Khaled Al Fiqi

Es folgte jedoch eine Einladung zu einem gemeinsamen Handshake-Foto mit Mubarak. Eigentlich wollte ich nicht. Ich erklärte grantig, dass ich weder mit noch ohne Interview für so ein Bild Verwendung hätte. Ich hätte ja nicht einmal ein Nachtkastl! Das verstanden sie nicht: Da darf jemand Mubarak die Hand schütteln und will nicht? Letztlich machte ich gute Miene zum unnötigen Spiel und ließ mich in den Präsidentenpalast karren, zum Fototermin.

Kein Blatt vor dem Mund

Als ich in Mubaraks Büro gebeten wurde, war kein Fotograf da, dafür wurde mir gleich Platz angeboten – und der Präsident begann zu plaudern und beantwortete bereitwillig meine Fragen. Aufnehmen durfte ich nicht, aber mitschreiben. Nach einer guten Stunde war es der Sekretär, der Mubarak an einen anderen Termin erinnerte. Der Präsident hätte weitergeredet. Wir hatten die Tagespolitik – und seine erwartbaren Antworten dazu – längst verlassen, er sprach über seine eigene, mit der ägyptischen verbundene Geschichte. Er erzählte über seine Zeit als junger Luftwaffenoffizier im Irak, er nahm sich kein Blatt vor den Mund, Israelis, Palästinenser, alle bekamen ihr Fett ab, off record.

Als ich Mubarak wieder verließ, war mein Aufpasser aus dem Ministerium weg. Der Präsident hatte auf den Plan seiner Informationsprofis gepfiffen – und die waren stinksauer.

Gaddafi aufwecken

Etliche Politiker, die in der schwierigen Nahost-Geschichte ihren Platz haben, konnte ich in meiner Zeit beim STANDARD interviewen. Andere konnte ich bei anderen Gelegenheiten, unter anderem Treffen mit österreichischen Politikern, beobachten: unvergessen etwa der Besuch mit der damaligen Staatssekretärin Benita Ferrero-Waldner beim libyschen Oberst Muammar al-Gaddafi im Beduinenzelt. Er war offenbar für uns aus dem Schlaf – vielleicht auch aus einem Drogenräuschlein – geholt worden, fuchtelte mit seiner Fliegenklappe herum und knurrte einsilbige Antworten, die sein Dolmetsch wortreich elaboriert übersetzte. Die Regel "Erst wenn man mit dem Interview auf dem Tonband wieder die Türe hinter sich schließt, hat es stattgefunden" wurde mir zuletzt schmerzhaft im Spätsommer 2015 bestätigt: Politische Gespräche Alpbach, ich war dort, um mit einem von mir ausgesuchten prominenten Gast über Islam und Nahost zu sprechen. Aber dann kam der Anruf: Ich müsse sofort – sofort – nach Teheran fahren, zum Interview mit Präsident Hassan Rohani.

Ich ließ Alpbach und meinen Gast sitzen – und war kurze Zeit später die Sitzengelassene. Eine Woche Teheran, teure Flugumbuchungen, Bewegungsfreiheit eingeschränkt, denn man könnte ja unversehens gerufen werden (und die Wege in Teheran sind lang). Das Interview fand nicht statt. Der Bruder unseres damaligen Botschafters im Iran, Fritz Stift, ist ein renommierter Weinbauer. Das trug zu meiner Gelassenheit bei. (Gudrun Harrer, 19.10.2018)

Gudrun Harrer, Leitende Redakteurin, stieß Anfang der 1990er zum STANDARD: als Korrektorin. Dort lernte sie, wie man es nicht macht. Zwischendurch durfte sie auch übers Kochen schreiben.


Jugendherberge, Kurheim, Zelt

von Fritz Neumann

Dein Job ist ein Traum, mich frisst der Neid. Auch der Sportjournalist kennt Menschen mit 9-to-5- oder gar 8-to-4-Jobs, sie liegen ihm oft mit solchen Aussagen in den Ohren. Du kannst länger schlafen, bekommt der Sportjournalist zu hören, und du kommst in der Welt herum. Beides stimmt ja auch. Aber.

Aber das ist noch lange nicht alles. Der Sportjournalist, der tatsächlich erst um 9.30 Uhr beginnt, darf sich dann oft noch am Abend zum Beispiel ein Fußball- oder Handball- oder Eishockeyspiel reinziehen, und: "Fußballschauen ist doch keine Arbeit." Mit Glück und Verlängerung darf er sogar bis 23 Uhr in einem Stadion oder in einer Sporthalle oder auch vor dem Fernseher im Büro sitzen.

Zugegeben, das ist kein Schanzentisch, sondern die Aussicht aus dem STANDARD-Room bei den Olympischen Spielen 2016. Sportjournalisten hackeln nicht nur im Winter voll rein, sondern auch im Sommer.
Foto: Nun ja, privat

Besser sind nur die Dienstreisen. Sie haben ja auch mit Arbeitszeit an sich überhaupt nichts mehr zu tun. Kennen Sie beispielsweise den schönen Ort Oberstdorf im Allgäu? Sportjournalisten kennen ihn. In Oberstdorf findet alljährlich der Auftakt zur Vierschanzentournee der Skispringer statt. Ende Dezember fallen tausende Skisprungfans in Oberstdorf ein, und wer nicht rechtzeitig dran ist, hat fast keine Chance, eine Unterkunft zu finden.

Die vielen Reisen sind das Beste am Sportjournalistenjob. Heißt es

Unter uns: Der STANDARD-Sportjournalist war noch nie rechtzeitig dran. In der Theorie bleiben ihm zwei Möglichkeiten: ordentlich ablegen oder nehmen, was übriggeblieben ist. In der Praxis, wir müssen nämlich aufs Geld schauen, bleibt ganz genau eine Möglichkeit. So ist der STANDARD auf Vermittlung des stets rührigen Oberstdorfer Tourismusbüros vor vielen Jahren gelandet, wo er dann viele Jahre blieb. "Evangelisches Mütterkurheim Hohes Licht" hat das gute Haus geheißen. Spitalszimmer, Spitalsbett. Ein Klassiker.

Immerhin ein Bett. Ein Bett hat es ja auch nicht immer gespielt. Ich sag nur: Tour de France 1998. Der werte Kollege Armin Karner, Layoutgott und Radsportfan, war mit von der Partie, wir haben uns ein Zelt, einen Twingo und einen Fußball geteilt, mit dem wir in freien Minuten hin und her köpfelten. Es war das Jahr des Pantani-Triumphs und des Festina-Dopingskandals. STANDARD-intern wird die Geschichte eines bis heute gültigen Köpfelrekords immer wieder aufgewärmt, sechzigmal flog die Frucht hin und her. Die wahrscheinlich heißen oder kalten oder beengten oder lauten und ganz gewiss zu kurzen Nächte im Zelt haben wir verdrängt.

Kurze Nächte sollen im Sportjournalistendasein ganz generell schon einmal vorkommen. Schließlich muss das Geschehene und Gesehene manchmal auch nachbesprochen werden. Ein armer Mensch namens Peter, der während der Eishockey-WM 1995 in Stockholm in einer Jugendherberge hackelte und dem von der Nachbesprechung heimkehrenden und läutenden STANDARD nächtens stets die Haustür öffnen musste, weiß ein Lied davon zu singen.

Ab und zu tut sich der STANDARD bei der Quartiersuche mit, nun ja, befreundeten Medien zusammen. Auf einen gewissen Presse-Halbfinnen ist dabei Verlass. Der hat etwa bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro einen tollen Presse-&-STANDARD-Room gefunden. Die Aussicht gibt jedenfalls mehr her als ein Bild vom Bett im Kurheim Hohes Licht. Die Aussicht ist ein Traum. Der Job meistens eh auch. (Fritz Neumann, 19.10.2018)

Fritz Neumann schreibt seit 1989 über Sport, seit 1994 für den STANDARD. Schläft dennoch meistens daheim, wenn auch aufgrund gewisser nächtlicher Völkerwanderungen nicht immer im selben Bett. Kurze Nächte sind quasi ein roter Faden.


Österreich als Deal-Maker im (fast) postrevolutionären Libyen

von Gianluca Wallisch

Tripolis im Oktober 2011: Die Jagd der Rebellen auf den untergetauchten libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi ist noch in vollem Gange, doch Österreich wittert schon demokratische Morgenluft – und Geschäfte. Also setzt sich Außenminister Michael Spindelegger in eine AUA-Maschine, um gemeinsam mit Botschafterin Dorothea Auer die österreichische Vertretung in der libyschen Hauptstadt wiederzueröffnen. Begleitet werden sie von einer großen Wirtschaftsdelegation: Österreich will rasch Nägel einschlagen.

9. Oktober 2011: Außenminister Spindelegger (im dunklen Anzug) und Botschafterin Auer (im Dirndl) besuchen verwundete Rebellen in Tripolis.
Foto: Gianluca Wallisch

Nur sechs Stunden dauert die Visite, um 17 Uhr muss die Maschine wieder in der Luft sein – außer Reichweite allfälliger Boden-Luft-Raketen. Noch kämpfen die Rebellen gegen versprengte Gruppen Gaddafi-Treuer. Dennoch muss Zeit sein für einen Besuch im Krankenhaus. Dort liegen auf der Chirurgie verwundete Rebellen. Alles sauber, alles ordentlich, als der Außenminister auftaucht, um den Helden seine Aufwartung zu machen.

Im Stock darunter, keine vier Meter Luftlinie entfernt, sind die verwundeten Gaddafi-Kämpfer untergebracht – streng bewacht von schwer bewaffneten, grimmig dreinschauenden Rebellen in Fantasieuniformen. Wie eigenartig an diesem Ort doch das grün-weiße Dirndl der Botschafterin wirkt ... Gianluca Wallisch, 19.10.2018)

Gianluca Wallisch schreibt seit 2011 für den STANDARD, seit 2013 ist er stellvertretender Außenpolitik-Ressortleiter. Spannendste Reisen bisher: Irak und Libyen.