Der BVT-Untersuchungsausschuss erlebte am Mittwoch Zeugen mit Erinnerungslücken – und ein kleines Scharmützel der Koalitionsparteien

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Es könne möglich sein, aber erinnern kann er sich nicht, und so wie es Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) beschreibt, war es definitiv nicht: Der einstige BVT-Mitarbeiter Anton H. sorgte mit seiner Aussage vor dem U-Ausschuss für Verwunderung. Er gab an, sich im Vorfeld seiner Aussage bei der Staatsanwaltschaft nie mit Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber oder dessen Kabinettsmitarbeiter Udo Lett über die Causa unterhalten zu haben. Das steht im glatten Widerspruch zu einer parlamentarischen Anfragebeantwortung Kickls.

Auch Angaben der Staatsanwältin wollte H. nicht bestätigen, es sei ihm etwa "nicht erinnerlich", ob er mit ihr über eine Hausdurchsuchung gesprochen habe. "Das kann möglich sein, ich kann Ihnen das nicht genau sagen", sagt H. etwa auf die Frage von Alma Zadic (Liste Pilz) nach Aktenvermerken zu einem Gespräch mit dem IT-Experten der Staatsanwaltschaft. Dass Systemadministratoren im BVTaus der Ferne Beweise löschen und Zugriffsprotokolle manipulieren können, habe er anhand seiner allgemeinen Erfahrung geglaubt, sagt H. – doch seine am Rande der Befragung getätigte Aussage zu Fernlöschungen wurde als einer der Hauptgründe für die Razzia genannt.

Zeuge gerät ins Strudeln

Im Zuge seiner Befragung geriet H. immer mehr ins Strudeln, teils beriet er sich nach jeder Nachfrage mit seiner Vertrauensperson, dem Anwalt Franz Scharf, der auch die gestrige U-Ausschuss- und weitere Belastungszeugin P. beraten hat. H. hat selbst Erfahrung als Vertrauensperson: Er begleitete einen Kollegen, als dessen Wohnung durchsucht wurde – obwohl er denselben Kollegen nur Tage zuvor belastet hatte. Auch die Staatsanwältin hätte H.s Tätigkeit als Vertrauensperson unterbinden müssen.

Zeugen, die am Mittwoch ausgesagt haben, bringen keine Gründe dafür, die eine Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) tatsächlich nötig erscheinen ließen. Und das sieht – anders als die FPÖ – auch die ÖVP so.
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Der mittlerweile vierte Belastungszeuge M., der am späten Nachmittag erschien, entlastete seine Kollegen großteils, wie auch zuvor schon vor der Staatsanwaltschaft. Die Razzia sei teils "nicht sauber" durchgeführt worden, sagte M. Er habe sich gewundert, dass die Razzia stattfinde, da er noch "offene Fragen" bei der Staatsanwältin vermutet hatte.

"Tanz auf Asche des BVT"

Einen vernichtenden Befund über den Zustand des BVT hatte am Vormittag der ehemalige BVT-Direktor Gert-René Polli: "Wir tanzen auf der Asche des BVT." Besonders gefährlich sei, dass das Innenleben des Dienstes nach außen gekehrt werde, warnte Polli.

Allerdings litt seine Glaubwürdigkeit im Lauf der Befragung ebenfalls stark. Polli verstrickte sich in Widersprüche, besonders bezüglich eines Interviews mit der ZiB 24, in der er nach der Razzia beim BVT von einem dortigen "Günstlingsnetzwerk" erzählt hatte.

Konkrete Namen wollte er im U-Ausschuss nicht nennen, dabei probierte er verschiedene Entschlagungsgründe aus: Anstand (ließ der Verfahrensrichter nicht gelten), Kreditschädigung (ließ der Verfahrensrichter durchaus gelten) und dann eigene Vergesslichkeit. "Das ist traurig, dass jemand, der früher BVT-Chef war, so ein schlechtes Gedächtnis hat", kommentierte der ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon.

"Keine Wahrheitspflicht" im Fernsehinterview

Bei der Befragung durch Stephanie Krisper (Neos) hatte Polli noch Teile seines ORF-Interviews zurückgenommen, denn "dort steht man nicht unter Wahrheitspflicht". Zuvor hatte er behauptet, seine Expertise gegen Geld zur Verfügung zu stellen, was die ZiB-Redaktion dementierte. In der Sache kamen die Abgeordneten durch Pollis Befragung nur wenig voran. Der ehemalige Chef des BVT gab an, mit seiner privaten Beratungsfirma bis März einen Vertrag mit der Akademie der FPÖ abgeschlossen zu haben, in diesen Zeitraum fiel also auch das heute umstrittene ZiB 24-Interview.

Ö1-Redakteur über Pollis Behauptung, er wäre für das Interview bezahlt worden.

Mit Innenminister Herbert Kickl habe es vor der Regierungsbildung ein Gespräch gegeben, in dem es auch um das BVT-Konvolut gegangen sei. Außerdem sei Polli Mitglied in drei Arbeitsgruppen gewesen, etwa zum Thema Überwachungssoftware. Mit der Erstellung des Dossiers habe Polli jedoch nichts zu tun gehabt, beteuert er. Den Belastungszeugen W. habe er zweimal getroffen, um mehr über die Hintergründe bei "seinem Baby BVT" zu erfahren.

Am Rande der Sitzung kam es zu einem Scharmützel zwischen den Koalitionspartnern. FPÖ-Fraktionsführer Hansjörg Jenewein stellte eine Befangenheit von Werner Amon, seinem Pendant in der ÖVP, in den Raum, da dieser im Ermittlungsakt auftauche. Amon verneinte das. (fsc, sterk, lhag, 17.10.2018)