Eine alte Tauschbörse.

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Der Europäische Gerichtshof hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses sich bei einer Urheberrechtsverletzung nicht der Haftung entziehen kann, wenn er angibt, dass auch Familienmitglieder Zugriff hatten. In dem konkreten Fall hatte der Verlag Bastei-Lübbe in Deutschland gegen einen Mann geklagt, über dessen Anschluss ein Hörbuch über eine Tauschbörse zum Download angeboten worden sei. Der Inhaber des Internetanschlusses bestreitet, dass er es gewesen sei, und argumentiert, dass etwa auch seine Eltern Zugriff darauf gehabt hätten.

Er gab jedoch keine weiteren Details darüber an, wann und wie diese den Anschluss genutzt hätten. Laut deutscher Rechtsprechung muss wegen des Schutzes von Ehe und Familie keine Auskunft über die Nutzung durch Angehörige gegeben werden. Insofern wäre nicht eindeutig zu klären, wer die Urheberrechte verletzt hat und nun die Haftung übernehmen muss. Das Landgericht München teilte daher mit, dass nach bisheriger Auslegung die Verteidigung ausreiche, um die Haftung auszuschließen, verwies den Fall aber nach Luxemburg.

Gleichgewicht der Grundrechte

Der EuGH hat entschieden, dass das Unionsrecht der nationalen Entscheidung entgegensteht. Er betonte in seinem Urteil, dass es ein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Grundrechten geben müsse. "An einem solchen Gleichgewicht fehlt es, wenn den Familienmitgliedern des Inhabers eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurden, ein quasi absoluter Schutz gewährt wird", entschieden die Richter.

Wenn ein nationales Gericht keine Beweismittel zu Familienmitgliedern verlangen könne und das die Identifizierung eines Täters unmöglich mache, würden dadurch dem Inhaber des Urheberrechts zustehende Grundrechte des geistigen Eigentums beeinträchtigt. Sie hätten keine Möglichkeit, rechtlich wirksam dagegen vorzugehen. Anders zu entscheiden wäre jedoch, wenn Rechtsinhaber über eine andere Möglichkeit verfügen würden, um die Haftung festzustellen, so der EuGH.

Anwalt: "Bemerkenswertes" Urteil

Der Rechtsanwalt Lukas Feiler von der Kanzlei Baker McKenzie bezeichnet das Urteil gegenüber dem STANDARD als "bemerkenswert", kann sich ein Inhaber doch nicht mehr auf den Datenschutz beziehen. Daher sei der Besitzer eines Internetanschlusses nach der Rechtsprechung des EuGH fortan dazu verpflichtet, seine Familienmitglieder anzuschwärzen. "Im Ergebnis könnte ein Urheber künftig Auskunft darüber verlangen, wer den Anschluss widerrechtlich genutzt hat, und dann strafrechtlich gegen die Person vorgehen." Im österreichischen Recht habe es zwar bereits eine Auskunftspflicht gegeben, diese sei aufgrund der aktuellen Entscheidung nun aber stets strikt auszulegen. (muz, APA, 18.10.2018)