Foto: Picus Verlag

Wie konnten sie nur?" Diese Frage zieht sich durch das sympathische Porträt, das die Londoner "Profil"-Korrespondentin Tessa Szyszkowitz über die Briten und ihren Brexit geschrieben hat. Wie der Titel "Echte Engländer" signalisiert, spielt dieses Volk die Hauptrolle im Buch. Doch Schotten, Waliser und Nordiren kommen auch vor sowie zahlreiche Zuwanderer, von denen einige ebenfalls die EU verlassen wollen. Dass es dafür praktisch keine vernünftigen Gründe gibt, macht die Historikerin auf fast jeder Seite klar.

Wie Szyszkowitz selbst zum Brexit steht, erfährt der Leser gegen Ende. Dort erzählt sie über ihre Hug-A-Brit-Aktion vor dem Referendum im Juni 2016, bei der Kontinentaleuropäer ihren Lieblingsbriten umarmen und das Bild mit dem Hashtag #hugabrit in den sozialen Medien posteten. Es hat bekanntlich nichts genutzt. Aber Szyszkowitz verzichtet in ihrem Buch auf jede Form der Herablassung. Sie lässt ihre zahlreichen Protagonisten aus verschiedenen Regionen und Schichten einfach erzählen und zeigt so, dass der Brexit wenig mit rationalen Interessen und viel mit nationaler Identität zu tun hat. Die Briten waren nie echte Europäer und haben sich ab dem Maastricht-Vertrag 1992, als eine politische Union beschlossen wurde, innerlich vom Projekt Europa verabschiedet.

"Echte Engländer" ist ein liebevoller Streifzug durch Geschichte und Gegenwart der Insel am Rande des Kontinents, die einst die Weltmeere beherrschte, heute noch die wohl aufregendste Großstadt der Welt vorweist, aber immer etwas provinziell blieb. Schrullig und dennoch pragmatisch, so sie sind, die Briten, in ihren Augen. Und das erklärt, warum sich Szyszkowitz um ihre Wahlheimat nicht sorgt: "Brexitannia wird aufs freie Meer hinaussegeln. Untergehen wird die alte Fregatte nicht." Man wird sich das Leben bloß schwerer machen als nötig. Typisch britisch. (Eric Frey, 1.10.2018)