Wie ein Wesen aus einer anderen Welt: Der Clown-Fangschreckenkrebs mag wegen seines bunten Aussehens harmlos erscheinen, tatsächlich aber hat er einen der härtesten bekannten Schläge im gesamten Tierreich.
Foto: imago/OceanPhoto

Ihre hoch am Kopf sitzenden Stielaugen zählen zu den besten Sehwerkzeugen im Tierreich, vielgestaltige Beine verleihen ihnen die Fähigkeit zu schwimmen, zu laufen und zu graben, und ihren Waffen können selbst die am besten gepanzerten Beutetiere nicht widerstehen: Ihre gesamte Ausstattung weist Fangschreckenkrebse als hocheffiziente Jäger aus.

Diese in tropischen und subtropischen Meeren heimischen, oft quietschbunten Krebse kommen in zwei Varianten vor: Während die "Speerer" ihre Opfer mit den spitzen Enden eines ihrer Vorderbeine erlegen, gehen die "Schmetterer" mit massiven Keulen auf die Jagd.

Auf dem Speisezettel der marinen Schläger stehen dabei meist Muscheln, Schnecken und andere Krebse. Um sie außer Gefecht zu setzen und ihre Rüstung zu knacken, prügeln die "Schmetterer" mit den verdickten Enden ihres zweiten Beinpaares auf sie ein, und zwar mit einer Wucht, die jener eines Pistolenschusses gleichkommt. Diese Schläge zählen mit zu den schnellsten Bewegungen in der Natur: Ein menschlicher Lidschlag dauert etwa 40 Mal länger als ein solcher brachialer Tritt.

Video: Gegen einen Fangschreckenkrebs haben auch Krabben mit großen Zangen keine Chance.
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Robuste Superfäuste

Wie die Keulen dem heftigen Einschlag überhaupt standhalten können, haben Biologen erst vor kurzem entdeckt. Ein spezieller Verbundaufbau mehrerer mineralischer und biopolymerer Schichten, bei dem auch regelrechte Bandagen zum Einsatz kommen, macht das Material steif und zäh und verhindert, dass die "Superfäuste" während des Aufpralls Schaden nehmen.

Den Schlag selbst dürften einige kleinere Beute dabei vermutlich gar nicht mehr mitbekommen: Die Keulen schnellen derart rasant hervor, dass sich dabei Gasbläschen im Meerwasser bilden, die augenblicklich wieder kollabieren und das Opfer bereits ausschalten, ehe der eigentliche Hammer niederfährt.

Video: Überraschende Materialeigenschaften verleihen Fangschreckenkrebsen enorme Durchschlagskraft.
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Sattelstruktur als Federmechanismus

Woher die Kraft für die Schläge kommt, die sogar Aquarienscheiben zertrümmern können, haben nun erstmals Forscher von der Nanyang Technological University in Singapur im Detail entschlüsselt. Die Muskeln des Fangschreckenkrebses allein würden das nämlich rein rechnerisch nicht schaffen.

Das Team um den Materialforscher Ali Miserez untersuchten eine sattelförmige Struktur aus zwei Komponenten in einem Beinglied oberhalb der Keule, die als widerstandsfähige Feder fungiert. Sobald sich ein spezieller Schnappmechanismus am Außenskelett des Krebses entriegelt, wird die Energie dieser Feder binnen weniger Millisekunden freigesetzt.

Selbst die sehr harten Gehäuse von Porzellanschnecken sind kein Hindernis für die Fangschreckenkrebse.
Foto: Maryam Tadayon / Biological & Biomimetic Materials Laboratory

Effizienter Verbundstoff

Während dabei eine feste Materiallage durch Kompression Biegeenergie speichert, sorgt eine zweite, darunterliegende Schicht aus dehnbaren Fasern für die nötige Stabilität des ganzen Mechanismus. "Die Natur hat damit ein äußerst gefinkeltes Design hervorgebracht", erklärt Miserez, Seniorautor der im Fachjournal "iScience" veröffentlichten Studie.

"Würde es aus nur einem einzigen Material bestehen, wäre es wesentlich spröder und würde mit Sicherheit brechen." Erst die Kombination aus einer Art Biokeramik und einem Biopolymer schafft das Kunststück, wie Mikromessungen der mechanischen Eigenschaften der Materialien ergaben.

"Würde man einen Ingenieur fragen, wäre Keramik vermutlich nicht die erste Wahl für eine Feder, die größere Mengen an elastischer Energie speichern soll", meint Miserez. In Verbindung mit einem weiteren Werkstoff aber macht die Natur daraus eine unvergleichlich starke Waffe. (Thomas Bergmayr, 19.10.2018)