Kurt Tutschek hat einen Blick für Altes und Kurioses. Das Pferd dürfte einmal einen Rummelplatz geziert haben, gewiehert hat es wohl nie. In seinem STANDARD-Blog gibt es Geschichten aus der Vergangenheit, die auch nicht verstauben.

Foto: Christian Fischer

Kurt Tutschek ist ein aufmerksamer Mann. Das ist gut für Kurt Tutschek und wohl auch für seine Lebensgefährtin, sehr gut ist es aber auch für den STANDARD. Denn seit 2017 bloggt der 53-Jährige regelmäßig für uns, im zweiwöchentlichen Abstand erscheint ein neuer Eintrag in Tutscheks Zeitreiseblog.

"Es war schwierig einen Titel für den Blog zu finden, aber wir haben uns schließlich auf Zeitreiseblog geeinigt", erinnert sich Tutschek und lächelt dabei. Überhaupt lächelt der Niederösterreicher viel und oft, kleine Fältchen um die Augen belegen das. Die Reise in der Zeit ist ein Traum, ein Urbedürfnis des Menschen. Dabei geht es zumeist um die Vergangenheit. Die Zukunft ist schwieriger zu greifen. Vergangenes ist nicht unbedingt Neugierde, sondern oft auch Wehmut. Tutschek nimmt in seinem Blog mit in die Vergangenheit, verzichtet dabei aber auf historischen Staub und den Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist eine Reise mit dem Mikroskop.

Tutschek schnappt sich einzelne Eindrücke und zeichnet dabei ein Panoptikum, wie es denn damals so war. Grenzen oder zeitliche Einschränkungen gibt es keine. Aus dem ganz Kleinen wird ein Großes, Breites. Das klingt komplizierter, als es ist. Tutschek erklärt: "Zu Beginn jedes Eintrags steht eigentlich immer ein visueller Impuls. Ich sehe etwas oder stolpere über ein Bild und will mehr darüber erfahren. Und schon bin ich in der Recherche."

Katzenmode und Barttassen

Das kann alles sein: Tutscheks Blog ist ein Sammelsurium an Schrägheiten, Kuriositäten oder einfach nur Beobachtungen aus dem Alltag. Katzenmode aus 1911, Auffanggitter für Autos aus 1896, die ersten Bilder einer Sonnenfinsternis oder die schaurig-schönen Fußballtrikots der Siebzigerjahre. "Auf die Barttasse bin ich beispielsweise in einem Artikel über den amerikanischen Bürgerkrieg gestoßen. Das wurde dann gleich ein Blogeintrag." Der rote Faden ist das Vergangene.

Das Bloggen, besonders die Recherche, nimmt Zeit in Anspruch. Am schwierigsten sei es, die Bilderrechte zu sichern. Eigentlich unterrichtet Tutschek am Gymnasium Wieselburg Biologie und Englisch, außerdem ist er an der Pädagogischen Akademie in der Lehrerfortbildung tätig.

"Mein Zeitmanagement hilft mir. Ich habe einen Kalender", sagt er gelassen. Tutscheks Zeitreiseblog sei keine Belastung, sondern eine "Verwirklichungsmöglichkeit, die Spaß macht". Das Ungezwungene liest man auch. Tutschek schafft es, die Geschichte zu erzählen, ohne sprachlich zu veröden. Ein Beitrag ist kürzer, der nächste umfassender: keine Vorgaben. Tutschek kann nicht nur schauen und recherchieren, er kann auch schreiben.

Im Internet ist der Niederösterreicher ein alter Hase. Ganz am Anfang, als Schulcomputerräume noch relevant waren, und die markanten Verbindungsgeräusche der Modems durch die Vorzimmer hallten, betrieb er schon einen Blog. Dort konnte man Rätsel lösen: "Ich hatte schon damals eine ganz gute Frequenz auf dem Blog. Aber durch Google und die Bildersuche war das Konzept irgendwann überholt. Es wurde zu leicht", erzählt er.

Tutschek fährt sich durch die Haarstoppeln. Die Frisur ist gerade kurz, er spielt einen Leukämie-Patienten in einem Laientheater. Früher schrieb er auch noch Kurzgeschichten. Nur von Musik und dem Malen lässt Tutschek die Finger. Da würde wohl auch die Zeit zu knapp werden. (Andreas Hagenauer, 19.10.2018)