Ein abgebrochener Spiegel, ein Kratzer im Lack. Das sind Schäden, die nach einem Unfall im Normalfall rasch behoben werden. Ist der Unfallgegner aber bei Euroherc versichert, kann die Abwicklung dauern. In Österreich warten mittlerweile hunderte Autos in Werkstätten auf ihre Reparatur.

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Am 1. August wurde das Auto von Herrn Z. in einen Unfall verwickelt und beschädigt. Wie in so einem Fall üblich füllte Herr Z. ein Unfallprotokoll aus und brachte sein Auto in die Werkstatt, genauer gesagt zu Mercedes Benz Wiesenthal Bergstaller in der Wiedner Hauptstraße. Dort wurden Reparaturauftrag und die Zessionserklärung ausgefüllt. Mit Letzterer tritt Z. seine Ansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners ab. Ein üblicher Prozess. Den Rest machen sich die Versicherungen mit der Werkstatt untereinander aus. Eigentlich sollte Herr Z. sein Auto bald wieder fahren können.

Bei Frau K. war der 2. August jener Unglückstag, an dem ihr Auto bei einem Unfall zu Schaden kam. Ihr geparktes Auto wurde gerammt und zum wirtschaftlichen Totalschaden, da die Reparaturkosten den Zeitwert des Autos überstiegen. Auch in diesem Fall sollte die Abwicklung des Schadens in ein paar Tagen erledigt sein.

Doch es kam anders. Herr Z. bekam einen Anruf aus der Werkstatt mit der Information, dass es jetzt "leider kompliziert wird". Frau K. erlebte Ähnliches. Was beide eint, ist, dass ihre Unfallgegner bei Euroherc versichert sind. Das ist ein kroatischer Versicherer, der seit Frühjahr 2017 am österreichischen Markt aktiv ist.

Spätes Gutachten, offene Rechnungen

Euroherc schicke, so die Auskunft aus der Werkstatt Wiesenthal an Herrn Z., erst nach vier bis sechs Wochen einen Gutachter und versuche regelmäßig, Rechnungen schuldig zu bleiben. Aus diesem Grund könne die Werkstatt keine Zession an die Euroherc mehr akzeptieren. Herr Z. müsse seinen Schaden erst mal selbst bezahlen.

Herr Z. nahm daraufhin selbst Kontakt mit Euroherc auf, wollte den gegnerischen Gutachter sprechen, in der Hoffnung, die Sache beschleunigen zu können. Nach vielen fehlgeschlagenen Kontaktversuchen gelang es ihm, an die Telefonnummer des Gutachters zu kommen. Dieser versprach sein Bestes. Z. musste für die unterschiedlichen Abteilungen bei Euroherc den Unfallbericht jedoch noch mehrmals ausfüllen. Es gelang Z. zwar, dass der Gutachter sein Auto rasch prüfte. Dennoch blieb die Werkstatt dabei: Die Kosten müsse Herr Z. selbst bezahlen. Er solle sich diese dann von Euroherc selbst holen.

Verzögerungstaktik

Es folgte ein langer E-Mail-Verkehr die Schadensnummer betreffend. Auskünfte bekam Z. wenige. Dafür musste er die Kopie seines Führerscheins schicken und die Kopie seines Fahrzeugscheins. Gemeint ist damit wohl die Zulassung. Die Fragen, warum die Versicherung diese Dokumente zur Frage, ob der Schaden übernommen wird, braucht, bleiben offen. Bis heute. Rund zweieinhalb Monate nach dem Unfall ist die Causa noch immer offen, das Auto immer noch nicht repariert. Z. pocht darauf, seinen Schaden in voller Höhe ersetzt zu bekommen. "Mittlerweile nehme ich das schon sportlich", sagt Z. zum STANDARD.

Die Beschwerden über Euroherc und deren Verzögerungstaktik bei der Schadensabwicklung häufen sich. Bei heimischen Versicherungen. Beim Versicherungsverband. Bei der Finanzmarktaufsicht FMA. Sie steht bereits in Kontakt mit der kroatischen Finanzaufsicht, zitiert das Magazin Profil FMA-Sprecher Klaus Grubelnik. Mittlerweile nehmen mehrere Werkstätten Reparaturen nicht mehr an, wenn der Unfallgegner bei Euroherc versichert ist.

Dumpingpreise als Lockmittel

"Der einzige Weg, an sein Geld zu kommen, ist, das Unternehmen zu klagen", sagt Rudolf Mittendorfer, Prokurist bei Verag Versicherungsmakler, Konsumentensprecher und Fachverbandsobmann-Stellvertreter der Versicherungsmakler in der WKÖ. Euroherc habe sich in Österreich vor allem auf die Versicherungen von Fuhrparks (Taxis, Carsharing etc.) spezialisiert und Kunden mit Dumpingpreisen angelockt. Gerade in diesen Segmenten sei die Schadenshäufigkeit groß. Es scheint aber so, berichtet Mittendorfer aus der Praxis, "dass es deren Geschäftsmodell ist, nicht zu zahlen". Auch wenn der Anbieter neu am Markt ist, "entbindet ihn das nicht, die Regeln zu kennen und sich daran zu halten", sagt Mittendorfer.

Dass die Schadenserledigung bei Euroherc bis zu 90 Tage dauert, ist "unzumutbar für die Kunden", sagte Burkhard Ernst, Landesgremialobmann Fahrzeughandel der WKÖ bereits im Juli zur APA. Ernst ist Eigentümer der Rainer-Gruppe, Österreichs größtem Mazda-Händler, und sprach damals bereits von "einigen Hundert Fällen" in Österreich. Euroherc hat auf die Anfragen vom STANDARD bezüglich der Probleme bei der Schadensabwicklung bisher nicht reagiert.

Böse Erinnerungen

Mittendorfer erinnert das an Vorfälle in Bulgarien. Dort hatte der zypriotische Versicherer Olympic 2009 eine Zweigstelle aufgemacht und Kunden mit einer aggressiven Kfz-Prämienpolitik geworben. Im Mai musste Olympic in Bulgarien Konkurs anmelden, 270.000 Versicherungsnehmer sitzen jetzt auf nicht mehr gültigen Polizzen.

Und Frau K.? Sie hatte für all das weder Zeit noch Nerven, weil sie auf ihr Auto angewiesen ist. Sie hatte eine Vollkaskoversicherung und den Schaden mit ihrer Versicherung abgewickelt und damit in Kauf genommen, dass sie in der Einstufung nach unten gesunken ist. Das verteuert ihre Folgeprämien. Den Selbstbehalt, den sie aus dem Unfall bezahlen musste, klagte sie bei Euroherc ein. Ein Mahnschreiben des Gerichts wurde am 19. September erstellt. Das Geld hat Frau K. noch nicht auf dem Konto. (Bettina Pfluger, 18.10.2018)