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Das Familienleben mit Kindern birgt für nichtheterosexuelle Menschen teilweise rechtliche Probleme in sich.

Collage: STANDARD; Foto: Getty Images

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So sieht Tobias seine Familie mit Mama, Papa, Ko-Mama und Ko-Papa: Andere Kindergartenkinder beneiden ihn sogar um die Elternvielfalt.

Zeichnung: Tobias

Petra erzählt vom Leben auf dem Land: mit Kirche, Kindern, Nachbarn und Tradition. Alles ganz normal. Landleben eben. Ganz normal? Ja. "Weil wir unsere Lebensweise offen und sicher vertreten", sagt Petra. Sie ist Teil eines lesbischen Paares, das mit einem schwulen Paar im selben Haus lebt. Mit gemeinsamen Kindern. Das alles gehe ohne Probleme, ganz einfach und offen, sagt Petra. Landleben neu eben.

Für nichtheterosexuelle Menschen ist die Gründung einer Familie mit Kindern mittlerweile eine realistische Option. Die Gesetzeslage in Bezug auf Homo- und Heterosexualität ist in den vergangenen Jahren ständig angeglichen worden. Erst fiel die Strafbarkeit für homosexuelle Beziehungen, dann kam das Recht, Kinder zu adoptieren – und jetzt ist auch die Ehe für alle möglich. Doch die größten Brocken der Ungleichheit wurden immer nur unter dem Zwang der Rechtsprechung aus dem Weg geräumt. Eine Mehrheit der Bevölkerung, so lautete die Annahme, bekomme einen dicken Hals, sobald Ehe und Familie auch andersrum definiert werden.

"Diese Annahme war vielleicht einmal richtig, aber das ist vorbei. Und kaum wer hat's gemerkt", sagt Barbara Schlachter Delgado, Obfrau von Famos (Familien Andersrum Österreich). Seit Adoption, Insemination in der Kinderwunschklinik und die Ehe für alle greifbar wurden, "haben wir erst gesehen, wie viele Menschen schon außerhalb der traditionellen Hetero-Ehe ein ganz normales Familienleben führen beziehungsweise führen wollen."

Landleben, genauso und anders

Regenbogenfamilien sind Familien mit Kindern, in denen zumindest ein Elternteil schwul-lesbisch, bi, transgender mit Kindern oder Kinderwunsch lebt. Das ist nicht immer ganz einfach. Aber es gibt Hilfe, auch von der Stadt Wien und dem Bund: Der Verein Famos hat in Wien ein Regenbogen-Familienzentrum nach Berliner Muster aufgebaut: Beratung, Familienplanung, Geburtsvorbereitung werden angeboten sowie Diversity-Kurse für angehende Pädagogen. Die damalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) hat den Verein in den Familienpolitischen Beirat geholt.

Petras Regenbogenfamilie hat sich ohne diese Hilfen organisiert. "2011, da waren Kathi und ich schon ein Paar, haben wir begonnen, über ein Kind nachzudenken. Konkret wurde es 2012, ich war knapp vierzig. Ein vaterloses Kind wollten wir aber nicht." Doch da waren dann Matthias und Thomas, die schwulen Freunde, ebenfalls verpartnert. Die hätten erst den Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstanden. Petra: "Denkt drüber nach, haben wir gesagt. Und wenn ja, dann entscheidet ihr, wer der Vater sein soll."

Matthias und Thomas wollten beide. Nachdem sich Petras Frauenarzt von der Überraschung erholt hatte, wählte man die häusliche Insemination mit der Becher-Methode, und es klappte sofort. Heute wuseln zwei Kinder durchs Haus: Tobias, leiblicher Sohn von Petra und Matthias, sowie die kleine Mathilda, Tochter von Kathi und Thomas. Eltern der beiden Kids sind allerdings alle vier Erwachsenen.

Auf dem Land so etwas zu leben: Gibt es Vorbehalte, Ausgrenzung? Petras Regenbogenfamilie wohnt in einer größeren Siedlung in einem als eher konservativ bekannten Bundesland. Sie erlebt aber diesbezüglich nach eigenen Angaben nichts Negatives. Beim Arzt nicht und nicht im Kindergarten, weder beim Einkaufen noch bei Behördengängen. Sogar der Pfarrer, der die Kinder getauft hat, habe von Anfang an gesagt: "Jeder Mensch ist wertvoll." Seinetwegen ist Petra wieder in die Kirche eingetreten.

Was in den Köpfen anderer passiere, wenn sie auf ihre Familie treffen, wisse man nie, sagt Petra. "Aber man würde bei den Leuten ja auch spüren, wenn es nicht direkt ausgesprochen wird. Man merkt's schon an den Blicken. Aber da ist einfach nichts. Allenfalls Neugier." Und erst recht nicht in den Herkunftsfamilien: vier Opas, vier Omas und ein Haufen Cousins und Cousinen. Mit Ausnahme eines Bruders und dessen Frau, die ihrer Tochter über diese merkwürdige Familienart nichts sagen wollen, gehe da alles leicht und einfach, sagt Petra.

"Wahrscheinlich liegt das daran, dass wir uns immer sofort geoutet haben. Gar keine Zweifel haben aufkommen lassen." Diese innere Sicherheit übertrage sich eben auf die Leute. Denn diese seien ihrer Erfahrung nach gar nicht böse oder aggressiv – "sondern vor allem unsicher, wie man mit etwas derart Ungewohntem umgehen soll".

Was sich vom Alltag anderer Familien unterscheidet? "Dass wir Frauen mehr Zeit für uns haben als andere, weil die Väter so präsent sind. Und dass wir am Sonntag immer zusammensitzen und für die kommende Woche besprechen, wer was tun wird."

Petra und ihre Familie leben in einem Zweifamilienhaus, die Frauen wohnen im Erdgeschoß, die Männer im ersten Stock. Tobias, der Größere, schläft drei Nächte bei den Müttern, drei bei den Vätern, den siebenten Tag kann er es sich aussuchen. Die Finanzen sind getrennt, die Kosten für gemeinsame Urlaube werden geteilt. Konflikte? Ja, die gibt es. "Aber die werden ausgetragen – von jedem auf seine eigene Weise. Wie in allen anderen Beziehungen auch."

Was zu tun bleibt

Wie ihre Kinder einmal leben werden? Petra: "Sie lernen, dass es das eine, das einzig Normale nicht gibt. Vielleicht macht sie das offener anderen gegenüber, vielleicht werten sie weniger." Schon heute entfalte ihre Regenbogenfamilie ihre Wirkung auch nach außen: Neulich habe eine Mutter aus dem Kindergarten erzählt, ihr Bub hat sie gefragt, "wieso er nicht auch zwei Papas und zwei Mamas haben kann so wie unser Sohn".

Was wäre wichtig, um volle Gleichberechtigung herzustellen? "Regenbogenfamilien werden von der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen, es fehlt an gesellschaftlicher Präsenz und verbriefter Gleichwertigkeit mit anderen Familienkonstellationen", sagt Famos-Obfrau Schlachter Delgado.

Es sei so wie damals, als Ehescheidungen aus der gesellschaftlichen Schmuddelecke ins Licht traten, weil sich immer mehr Paare trennten: "Einst verlangten die neuen Patchworkfamilien ein ganz neues Rollenverständnis, jetzt geht es um Ko-Mütter und Ko-Väter", sagt Schlachter Delgado. Die müssen als vollwertige Elternteile eingebunden werden. Wichtig werde auch sein, das Wissen aus der Praxis und Praxisberatung auch Pädagoginnen und Pädagogen in Kindergärten und Schulen zu vermitteln. Denn diese haben mit diesen immer häufiger auftretenden Lebensformen in ihrer Praxis zu tun. "Je früher ein Kind lernen darf, dass es andere Formen des Familienlebens gibt als Mama-Papa-Kind, desto besser. Aber das Thema ist bei so vielen Menschen noch tabu, und die Pädagoginnen trauen sich nicht, es anzusprechen."

Und was ist mit der kommerziellen Leihmutterschaft? Die Homosexuellen-Initiative (Hosi) hat sich explizit dagegen ausgesprochen. Die Anwälte Michaela Tulipan und Helmut Graupner haben in den vergangenen Jahren viele Gleichstellungsschritte für Regenbogenpaare vor Gericht erkämpft. In Sachen Leihmutterschaft ist Tulipan skeptisch: "Das Verbot ist in Österreich so tief verwurzelt, dass ich mir für die nähere Zukunft nicht einmal den Versuch vorstellen kann, das aufzuheben." Graupner meint: "Das braucht es auch nicht unbedingt – die Leihmutterschaft ist in halb Europa ohnedies erlaubt. Und die daraus entstehenden Kinder genießen in Österreich den vollen Rechtsbestand."

Die brisanten Themen sind andere, altbekannte. Wer lesbisch, schwul, bi, trans*, inter* oder queer (LGBTIQ) ist, kann noch immer nicht überall ruhig leben. Die Hosi drängt darauf, dass noch mehr Aufklärungsarbeit geleistet wird. Noch immer sei "schwul" eines der beliebtesten Schimpfwörter in Schulen, Suizidversuche bei LGBTIQ-Jugendlichen sind um ein Vielfaches höher. Es fehle auch gleicher Schutz vor Diskriminierung als Konsument: Jeder Kaffeehausbesitzer darf einen Gast hinauswerfen, weil er oder sie schwul, lesbisch oder bisexuell ist. Würde er das wegen der Hautfarbe oder des Geschlechts tun, wäre das verboten, man könnte klagen. (Paul Yvon, 20.10.2018)