Vom ersten Abend an gesteckt voll: Das Stellas in Wien-Neubau macht ganz offensichtlich vieles richtig.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Bei mehr als einem Dutzend Vorspeisen fällt es nicht schwer eine stimmige Auswahl zusammenzustellen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Beinahe hätten Martina und Rodschel Rachnaev ihre Segel in der Zieglergasse ganz gestrichen, nachdem ihr Restaurant St. Ellas vergangenes Jahr hatte schließen müssen, weil das Haus verkauft und mittlerweile abgerissen wurde. Irgendwie war es ihnen aber doch zu schade um die vielen Stammgäste, die sie auch im nebenan gelegenen Gaumenspiel über die Jahrzehnte herangezogen hatten.

Das bisherige Konzept, mit mehr oder weniger prominenten Köchen eine vergleichsweise hochpreisige Gourmetlinie zu verfolgen, ist im neuen Stellas aber passé, stattdessen gibt es einen ziemlich schillernden Mix aus mediterranen, asiatischen und österreichisch inspirierten Speisen. Klingt gefährlich, wird aber überzeugend über die Rampe gebracht. Demnächst gibt es auch wieder ein zweites Lokal, diesmal aber auf der Landstraßer Hauptstraße, unweit des Kiang, das kurz vor seiner Neueröffnung ("Abby's Restaurant") steht.

Mächtige Bar

Auch das einstige Gaumenspiel bekam eine grundlegende Neugestaltung. Das leuchtende Rubinrot der Wände blieb, neu ist die offene Küche samt japanischem Robata-Grill und Rotisserie, auf der sich Enten ums Gasfeuer drehen. Eine ziemlich mächtige Bar kam ebenfalls dazu; an der kann man jetzt auch essen. Hübsch ist das geworden, könnte glatt als smarter Neighbourhood-Wirt in Shoreditch, Brooklyn Heights oder Belleville durchgehen.

Und das Essen? Wie so oft zeigen die Starter weit größeren Zug zum Tor als die manchmal müde wirkenden Hauptgerichte. Bei mehr als einem Dutzend Vorspeisen fällt es aber nicht schwer, sich auch abseits der vergleichsweise konventionell abgefertigten Steaks oder Fischfilets vom Grill eine stimmige Auswahl zusammenzustellen. Calamari, mit knackigem Spitzkraut gefüllt, gehören da auf jeden Fall dazu: Das zarte Fleisch ist vom Aroma des Feuergrills erfüllt, die Füllung ist mit Kreuzkümmel dezent abgeschmeckt, dazu schmiegen sich etwas Teriyakisauce und marinierte rote Zwiebeln: frisch, leicht, keineswegs um starken Geschmack verlegen – sehr gut. Oder luftgetrocknete Schulter von der alten Txogitxu-Milchkuh: konzentriert schmelzende, langsam gereifte Umami-Wucht, mit nur einem Strich fruchtigen Olivenöls und baskischem Chili akzentuiert, Luxus pur.

Gespenstisch zart

Mit geschmorter Kalbsstelze gefüllte Gyoza überzeugen durch herausragend bissfeste, knusprig angebratene Hülle und saftige, geradezu cremige Füllung – ob süßliches Kürbispüree als Dip dazu passt, ist aber mehr als fraglich. Eine saure, pikante Sauce nach ostasiatischem Vorbild wäre logischer. Beef Tataki aus fast schon gespenstisch zartem, forsch gegrilltem Rindsfilet wird mit Sesam, Algen und Ponzu abgeschmeckt, ein paar Rettichsticks dazu, auch sehr animierend. Oktopus, ebenfalls gegrillt, auch extrem zart, kommt mit Chorizo und gegrillter Paprika zu Tisch, ein wunderbar würziger und doch schmeichelweicher Gang.

Im Vergleich dazu wirkt das Flat Iron Steak vom US-Beef um schlanke 19 Euro ein bissl matt – und zwar obwohl es, ganz wie es sich gehört, mit entschlossener Hitze behandelt wurde. Das Fleisch ist von allzu elastischer, gummiger Konsistenz, die Frites selbstgemacht, aber ziemlich lasch, der Coleslaw ohne Pep. Auch die Ente vom Rotisseur kann trotz hübsch angegrillter Haut nicht ganz überzeugen, auch hier ist gummiger Biss ein Grund, das wenig anregende, gar weich gekochte Champagnerkraut ein anderer. Viel besser: Reisnudelsalat mit Ente, da ziehen sich die tollen Grillaromen des Fleisches ganz köstlich durch das auch sonst sehr animierend angemachte Gericht mit allerhand Kräutern, Erdnüssen und knackigem Gemüse. (Severin Corti, RONDO, 25.10.2018)

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