Wenn man jemandem, der schon einmal in Vietnam war oder sich auch nur ansatzweise jemals mit jenem asiatischen Land auseinandergesetzt hat, erzählt, dass man ebendort, an den Gestaden des Südchinesischen Meeres, mit einer Vespa gefahren ist, bekommt man von seinem Visavis zumindest gedanklich ein Entmündigungsformular überreicht. Kein Wunder, dachte sich Manuel Liebkind im Innersten, ist der Verkehr dort – auch und vor allem nach Einschätzung der Einheimischen – als Vorhof der Hölle bekannt. Und wahrhaftig, allein das Überqueren einer mit modernsten Ampeln ausgestatteten Straßenkreuzung wird zum Husarenritt, den man erst nach viertelstündiger Beobachtung, wie Aborigines diese Herausforderung meistern, in Angriff nimmt. Und angstschweißgebadet übersteht. Hoffentlich. Denn in der Hauptstadt Hanoi sowie in allen anderen Metropolen des Richtung Turbokapitalismus steuernden Landes herrscht – mobilitätstechnisch gesehen – pure Anarchie. Gefühlte fünf Millionen Mopeds fahren, nicht nur zur Stoßzeit, sondern rund um die Uhr, gleichzeitig kreuz und quer gegen den Strom vom einen Ende der Stadt zum anderen, um den Arbeitsplatz oder den besten Sitzplatz am Straßenrand zu ergattern, um Streetfood und Pho zu genießen. Da vergisst man sogar prinzipiell gegen die Einbahn fahrende Radler hierzulande.

A. D. Fritz, "VW Bus 1950". € 24,90 / 108 Seiten. Verlag Gebrüder Hollinek, Purkersdorf 2018
J. Lehmann / K. Volkmer, "Der Käfer". € 24,90 / 208 Seiten. Verlag teNeues, Kempen 2018
J. Tinney, "Bulli forever". € 30,- / 128 S., DKV 2018
D. Mangartz, "Moto Guzzi California. € 49,90 / 244 Seiten. Delius-Klasing-Verlag, Bielefeld 2018
S. Bogner, "Cars & Curves". € 40,- / 432 S. DKV '18
Gabriele Gerner, "Asia Overland". € 30,- / 184 S. National-Geographic-Buchverlag, München 2018
Foto: Heidi Seywald

Überraschenderweise stellte sich aber die im südlichen Nha Trang unter Ägide und auf Empfehlung des österreichischen Hoteldirektors Herbert L. unternommene Vespa-Tour als absolutes Highlight heraus. Trotz Konkurrenz mit Flussfahrten auf dem Mekong, Klong-Touren in Bangkok, Radtouren durch Reisfelder, Trips mit Kajak und Nussschalen durch die Halong-Bucht sowie mit Rikschas und Tuk-Tuks zum Café Kong. Nicht zu vergessen die Doppelmaier-Hochbahn in Taipei mit virtuellen Manga-Fahrgästen und die nächtliche Disco-Taxi-Expedition inklusive Hammer-und-Sichel-Wackeldackel, Minions und ohrenbetäubendem Korea-Pop.

Apokalypse Now

Da blieb das grandiose, wie aus der Zeit gefallene von L. dirigierte Resort The Anam ein willkommenes Refugium – ein letztes Paradies auf Erden. Wie in Trance wandelte Liebkind durch den tropischen Palmenhain entlang des surrealen, von Libellen, die an den Hubschrauber-Walkürenritt in Apocalypse Now erinnerten, bevölkerten azurblauen Himmels und türkisfarbenen Ozeans. Es hätte nur noch Marguerite Duras' Liebhaber gefehlt, um endgültig dem Stil des französischen Kolonialismus à la Indochine zu verfallen.

Zurück in der Realität des seiner Bezeichnung spottenden Wiener Green Building beschloss Manuel Liebkind, den Buchhändler seines Vertrauens zu besuchen, um die Bücher der Saison über Mobilität zu inhalieren. Zu liebevollen Erinnerungsalben zählen u. a. Alexander Diego Fritzens rostiger VW Bus 1950, Joerg Lehmanns und Katja Volkmers Auto-Biografie über den Käfer oder Jamie Tinneys Bulli forever – geliefert mit 1968er-Hippie-Blechspielzeugauto. Viel Neckisches aus der Prä-Political-Correctness-Ära bietet der nostalgische Retrostil in Dirk Mangartz' Moto Guzzi California-Trip. Kurvenkunde ganz anderer Art illustriert Stefan Bogners Cars & Curves: ein Tribut an 70 Jahre Porsche. Lange blieb Manuel aber über Gabriele Gerners Asia Overland hängen. Der bibliophile Road-Trail quer durch die Kontinente entlang der Seidenstraße ließ Liebkind neue Pläne schmieden. Drive soulfully! (Gregor Auenhammer, 24.10.2018)