Blockchain-Technologien bieten viele potentielle Anwendungsfelder, um unsere Welt nachhaltiger zu gestalten. Beispiele hierfür sind Transparenz über individuelle und kollektive Aktivitäten im öffentlichen Raum sowie Nachweis des Ursprungs entlang der Lieferketten von Produkten und Dienstleistungen; Reduktion von Bürokratie, Informations- und Machtsymmetrien; das Schaffen von Anreizsystemen für nachhaltiges Verhalten, wie zum Beispiel das Belohnen von umweltfreundliches Verhalten durch sogenannte "Purpose Driven Tokens". Diese drei Punkte sollen in diesem Blogbeitrag diskutiert werden.

Sind Blockchains nicht generell alles andere als nachhaltig?

Das ist nicht unwahr, wird aber vielfach verzerrt dargestellt. Die gängige mediale Berichterstattung zu Bitcoins und anderen Blockchains hebt oftmals die Energieineffizienz dieser Technologien hervor und kritisiert, dass der Mechanismus hinter Blockchains sehr energieintensiv ist, dadurch viel Strom verbraucht und somit die Umwelt belastet. Der hohe Stromverbrauch von Bitcoins und Blockchains ist eine Tatsache die aufgrund der Transparenz, die der Blockchain-Technologie zugrunde liegt, auch sehr genau gemessen werden kann. Leider wird verabsäumt, den CO2-Fußabdruck von Bitcoin-Transaktionen mit jenem herkömmlicher Banktransaktionen zu vergleichen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es keine aussagekräftige Studien gibt, die den CO2-Fußabdruck von herkömmlichen Finanztransaktionen darstellen. Diese Zahlen stehen der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung, und werden auch von den Firmen kaum erhoben.

Außerdem wird selten erwähnt, dass viele Blockchain-Entwickler bereits eifrig an verschiedenen Lösungen arbeiten, um weniger Rechner-intensive kryptoökonomischen Anreizmechanismen zu "Proof of Work" – dem Mechanismus der Blockchains erst ermöglicht – zu entwickeln. Das Institut für Kryptoökonomie ist daher gerade dabei genau diese Frage mit einer Studie zu erforschen. Die Ergebnisse werden, sobald verfügbar, mit der Öffentlichkeit geteilt.

Vorerst aber möchte ich mich auf die Frage konzentrieren, wie diese neuen Technologien uns dabei helfen können, eine nachhaltigere Welt zu schaffen.

Earth Token
Foto: APA/AFP/LARS HAGBERG

Programming a Sustainable World

"Programming a Sustainable World" ist der Slogan unseres neuen Forschungsprojekts, mit dem Ziel, Fragen rund um das Thema Blockchain und Nachhaltigkeit zu untersuchen. Unsere Forschung wird sich mit allen von der UNO definierten Nachhaltigkeitszielen – auch SDGs, oder Sustainable Development Goals genannt - befassen. Für dieses Unterfangen hat das Institut für Kryptoökonomie eine Partnerschaft mit dem RCE Wien geschlossen – einem an der WU Wien angesiedelten Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit – das uns mit seiner Expertise im Bereich Nachhaltigkeit und Auswirkungsanalyse zur Seite stehen wird.

Unser erstes gemeinsames Projekt wurde im Sommer von der ADA (Austrian Development Agency) auf ein Jahr finanziert, in Zusammenarbeit mit anderen Start-ups und Organisationen wie The Sun Protocol, Goood, Changers, Markta, Unido. Die Verbindung von Blockchain- und Nachhaltigkeitsexpertise bietet uns eine einzigartige Chance, die interdisziplinären Bandbreite von Fragen rund um das Thema mit entsprechendem Know-how und den richtigen Werkzeugen in Angriff nehmen zu können. Unser Forschungs- und Aktivitätsfokus liegt hierbei auf der Frage, ob und wie Blockchain-basierte Anwendungen einen Beitrag zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele leisten können.

Wie definieren wir Nachhaltigkeit überhaupt?

Bei Nachhaltigkeit denken viele meist nur an umweltbezogene Nachhaltigkeit. Tatsächlich verwenden Nachhaltigkeitsforscher und Aktivisten aber eine wesentlich breitere Definition: Nachhaltigkeit ist generell als die Fähigkeit definiert, die Bedürfnisse der heutigen Generation zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre Bedürfnisse ebenfalls zu befriedigen. 

Future Thinkers

Obwohl das eine einfache und daher sehr attraktive Definition zu sein scheint, so steckt der Teufel im Detail.

Es ist recht schwierig die Bedürfnisse zukünftiger Generationen verlässlich vorherzusehen. Man braucht nur daran zu denken, wie oft wir Schwierigkeiten haben, unsere eigenen Bedürfnisse richtig zu erkennen. Was aber klar scheint: Ein Nachhaltigkeitsansatz, der die Bedürfnisbefriedigung aller zum Ziel hat, bedarf mehrerer Komponenten: die Beachtung von ökologischen Systeme, als auch sozialer und gesellschaftlicher Systemen, und letztendlich auch das Zusammenspiel dieser Komponenten.

Heutzutage stehen wir vielerorts vor der Herausforderung, selbst die grundlegendsten Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Im Gegensatz dazu stehen wohlhabendere Gesellschaften, die einen Lebensstil pflegen, der sowohl die Natur und das natürliche Ökosystem in beispielloser Geschwindigkeit schädigt. Das trägt möglicherweise dazu bei anderen Menschen ihre Chance auf Bedürfnisbefriedigung zu zerstören – sowohl in der Zukunft, als auch im hier und jetzt.

Nachhaltigkeitsprobleme wie die Klima- und die Biodiversitätskrise, wirtschaftliche Ungerechtigkeit und Armut stellen große Herausforderungen für die Menschheit dar. Um diese Probleme zu lösen, haben die Vereinten Nationen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung definiert, um die dringenden ökologischen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Welt zu adressieren.

Diese Ziele sind breit definiert, sehr oft voneinander abhängig und behandeln überdies 169 untergeordnete Zielsetzungen: Armut, Hunger, Gesundheit, Bildung, die Erderwärmung, Geschlechtergerechtigkeit, Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung, Energie, die Urbanisierung, Umweltschutz, und soziale Gerechtigkeit. Um diese Ziele zu erreichen wird es allerdings nicht nur notwendig sein, dass es branchen- und industrieübergreifende, internationale Zusammenarbeit gibt, sondern auch, dass neue Wege gefunden werden, wie wir unsere Gesellschaften und ihre Wirtschaftsräume organisieren. Blockchain-Technologien und deren Anwendungen könnten in diesem Zusammenhang ein gutes Werkzeug sein, um eben diese Ziele schneller zu erreichen. Mögliche Anwendungsfelder sind im folgenden aufgelistet.

Transparenz

Eines unserer größten Herausforderungen heutzutage ist mangelnde Transparenz entlang der Liefer- und Versorgungsketten. Umweltverschmutzung, Betrug und Menschenrechtsverletzungen die Entland der Produktionsketteten entstehen, sind dem Endverbraucher kaum bekannt, und werden oftmals erst im nachhinein aufgedeckt. Privatpersonen als auch Firmen haben daher Schwierigkeiten nachhaltige Konsumentscheidungen zu treffen. Die Mittel zur verlässlichen Überprüfung von Verhalten entlang der Lieferkette fehlen in herkömmlichen Systemen. Blockchain-basierte Anwendungen haben das Potential ein bisher unerreichtes Niveau an Transparenz zu schaffen. Sie erlauben die Schaffung von allgemein zugänglichen, dezentralen Datenbanken, in denen unveränderliche und verschlüsselte Aufzeichnungen aller Computer ("Nodes"), die Teil eines Netzwerkes sind, gespeichert sind. Blockchains ermöglichen eine transparente Infrastruktur, auf der Daten dezentral gespeichert werden, die von jedem jederzeit eingesehen werden kann (im Falle von öffentliche Blockchains). Alternativ besteht die Möglichkeit, diese Informationen einer bestimmten Gruppe vorzuenthalten (Konsortium Blockchains). 

Anwendungsfeld 1: Lieferketten

Lieferketten sind komplexe Netzwerke, die aus separaten und räumlich voneinander getrennten Institutionen bestehen. Diese wiederum befinden sich im ständigen Austausch von Produkten, Zahlungen und Daten in einer dynamischen und sich rasant und permanent verändernden Welt. Im Prinzip haben Lieferketten also bereits viel mit der verteilten Struktur von Blockchains gemein. Blockchains und ähnliche Technologien können uns daher helfen, die Herkunft von Gütern und Dienstleistungen entlang der Lieferkette nachzuvollziehen. Sie unterstützen uns dabei, die Inhaltsstoffen und Bestandteile eines Produkts festzustellen – sowohl die Menge, als auch Qualität und Herkunft. Das Blockchain-Protokoll, als dezentralisiertes Netzwerk mit verteilten und transparenten Datenstrukturen, erlaubt Netzwerk-Mitgliedern auf verschiedenste Art, Daten aus aller Welt und nahezu nahtlos auszutauschen.

Blockchains können dadurch herkömmliche zentralisierte Datenstrukturen (sogenannte Client-Server-Architekturen) ersetzen und somit Datenredundanzen und Dateninkonsistenzen, die durch multiple Dokumentenkopien entstehen, vermeiden. Echtzeit-Transparenz entlang der Lieferkette wird allerdings erst dann möglich sein, wenn alle Teilnehmer auf der Blockchain sind, und in den meisten Anwendungsfällen auch nur dann, wenn wir diese Lösungen mit Big Data und dem Internet der Dinge verknüpfen. Denn die Daten, die aus der realen Welt in Blockchain-Anwendungen fließen, kommen meist aus einer Hardware (Internet der Dinge) oder aus einer Software (Big-Data-Anwendungen).

Herkunft von Gütern und Dienstleistungen:
Wenn Güter ihre Enddestination erreichen, wissen die meisten Käufer und Verkäufer nicht über den wahren Ursprung der hergestellten Ware sowie über deren Inhaltsstoffe Bescheid. Heute brauchen wir zentrale Zertifizierungsstellen, die meist nur stichprobenhaft die Authentizität prüfen, und das oft erst im Nachhinein. Wenn Lieferketten in Zukunft transparenter gestaltet werden, so haben Konsumenten und andere Endnutzer mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Verantwortung über die Produktionsweise und Herkunft diverser Güter mitzubestimmen: Werden sie umweltbelastend produziert, unter welchen Bedingungen werden sie erzeugt?

Nachvollziehbarkeit des Preises:
Mangelnde Nachvollziehbarkeit von Preisen sowie Kosten, die durch Zwischenhändler aufgeschlagen werden, hindern Endkonsumenten daran zu verstehen, wer welche Einnahmen in einer Lieferkette verzeichnen kann oder auch wie die Arbeitsbedingungen für die Produzenten sind. Blockchain-Lösungen dafür erlauben uns mehr Verantwortung bezüglich Menschenrechtsverletzungen – wir können die Arbeitsbedingungen in Fabriken kontrollieren, feststellen, ob es Kinderarbeit gibt oder Arbeiter in der Produktion gefährlichen Giften ausgesetzt sind oder überprüfen, ob Bauern fair entlohnt werden.

OriginTrail

Ineffizientes Dokumentenmanagement:
Der bürokratische und administrative Aufwand, der nötig ist, um Produkte und Dienstleistungen entlang der Lieferkette zu verwalten, ist kostspielig und ineffizient. Die derzeitige ineffiziente Dokumentabwicklung entlang der Lieferkette stellt eine großen Kostenfaktor für die involvierten Unternehmen dar und mindert deren Gewinne. Daher haben bereits zahlreiche Start-ups sowie etablierte Unternehmen angefangen, hier Blockchain-basierte Lösungen anzubieten. 

Anwendungsfeld 2: Institutionelle Schwächen

Blockchain und ähnliche Technologien haben das Potential diverse Abläufe innerhalb einer Organisation transparenter gestalten und zum Beispiel Korruption oder Fehlentscheidungen frühzeitiger transparent zu machen.

Nachvollziehbarkeit von Spendengeldern:
Blockchains erlauben eine beinahe Echtzeit-Nachvollziehbarkeit von Spendengeldern an Wohltätigkeitsorganisationen. Das stärkt die zivilgesellschaftliche Verantwortung diese Geldflüsse nachzuvollziehen, damit diese auch dem richtigen Zweck zugeführt werden und nicht der Bürokratie oder Korruption zufließen. Überdies benötigen Blockchains keine elaborierten Bankinfrastrukturen und in einem Notfall können rasch Gelder dorthin fließen, wo sie gerade benötigt werden. Beispiele für Blockchain basierte Lösungen: Giveth, Alice, Aidcoin.

Staatliche Korruption:
Der Fluss von Steuergelder könnte ebenfalls transparent nachvollzogen werden, dies trifft auch in den Bereichen der Vermögensaufzeichnung und der Auftragsvergabeverfahren zu. Somit könnte Korruption und staatliche Misswirtschaft reduziert werden. Fälschungen und Fehler, die aufgrund eines zentralen Verwaltungssystems auftreten, können reduziert werden. Blockchain basierte e-Government Lösungen könnten derzeitige Datensilos ersetzten, die oftmals dazu führen, dass diverse öffentliche Organe nicht gewillt sind, Information dem jeweils anderen Organ zugänglich zu machen. Blockchains haben das Potential vielerorts Clearingstellen obsolet zu machen, bürokratischen Aufwand zu reduzieren und die öffentliche Integrität zu gewährleisten.

Weniger Bürokratie und Verwaltungskosten:
Blockchain ist eine sehr effiziente Verwaltungsmaschine, die Kosten und Bürokratie in vielen Industrien reduzieren kann. Es ist auch eine ideale supranationale Verwaltungsmaschine, auf deren Basis internationale Abkommen standardisiert umgesetzt und deren Ausführung automatisiert werden kann, all dies bei hoher Transparenz aller Beteiligten. Folgend zwei Anwendungsfelder: 

A) Nationale und Internationale Verwaltung

Blockchain-Anwendungen können noch effizientere e-Government Lösungen bieten die zur Verschlankung des Verwaltungs- und Regierungsapparates beitragen und für bessere Messbarkeit und somit Nachvollziehbarkeit von politischen Maßnahmen eingesetzt werden.

Globales Regierungsinstrument und Impact Assessment:
Blockchains sind besonders hilfreich in Bereichen, in denen es wichtig ist, dass verschiedene Rechtsordnungen übergreifend zusammenarbeiten – dabei können durch Blockchains kostensparende und nachvollziehbare Schritte eingeleitet werden, die die Überwachung und den Vollzug aller Nachhaltigkeitsziele leichter machen. All unsere täglichen Handlungen hinterlassen einen ökologischen Fußabdruck – seien es offensichtliche, wie das Befüllen des Tanks unseres Autos oder das Buchen eines Langstreckenflugs, oder auch weniger offensichtliche, wie das Kaufen einer Tasse Kaffee oder eines neuen Paars Schuhe oder sogar das Erweitern unseres Cloud-Speichers. Unglücklicherweise war es bis jetzt kaum möglich, wirklich zu beobachten, wie unsere Handlungen sich auf die Erde auswirken. Nicht zuletzt, weil wir keinen Zugang zu entsprechenden Daten hatten. Wenn wir allerdings Blockchains mit Big-Data-Anwendungen und dem Internet der Dinge kombinieren, dann wird es uns möglich, Einblick in diese Daten zu bekommen und wir können unser kollektives Verhalten über jegliche geografische Grenzen hinweg sichtbar machen. Die Kombination von Big-Data-Anwendungen (sogenannte "Software Oracles") und dem Internet der Dinge (sogenannte "Hardware Oracles") ermöglichen es, auf dezentralisierte und objektive Weise zu überprüfen, ob wir unsere Nachhaltigkeitsziele erreichen. Blockchain-inspirierte Lösungen können beispielsweise mehr Transparenz bezüglich der Emissionsreduktionsmaßnahmen von Regierungen (Staaten, Städte oder Regionen) bieten.

Diese Maßnahmen und ihre Auswirkungen via Blockchain aufzuzeichnen, würde internationale Abkommen viel mehr Effektivität und somit Glaubwürdigkeit verleihen, und dass zu einem wesentlich niedrigeren Preis als es derzeit möglich ist. Die Einschätzung der Auswirkungen solcher Maßnahmen wäre mit Blockchains ebenso wesentlich einfacher nachzuvollziehen – mit rascheren Ergebnissen und hilfreichen Rückkopplungsschleifen. Mögliche Blockchain-Lösungen an denen gerade gearbeitet wird: Ocean Protocol, IXO.

In einer Welt in der CO2-Fußabdrücke günstig, transparent und verlässlich nachvollzogen werden können, sind Einzelhändler erstmals in der Lage, ein Produkt zu verkaufen und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck dessen zu bedenken. Konsumenten werden verstehen können, welchen Effekt das gekaufte Produkt auf die Umwelt hat – sowohl positiv als auch negativ – und werden sofort entsprechend reagieren können und mit Millionen kleiner Handlungen einen großen kollektiven Effekt erzielen. Dadurch werden auch Regierungen in der Lage sein, auf transparente Art und Weise den CO2-Ausstoß ihres Landes zu messen, nachzuvollziehen und damit zu handeln.

Verschlankung des Verwaltungsapparates & transparente Regierung:
Durch e-Government-Instrumente können die Kosten von Bürokratie und Verwaltung reduziert werden, was einerseits Steuergelder spart, und andererseits auch transparentere und vertrauenswürdige politische Prozesse ermöglicht.

B) Inklusion von Bevölkerungsgruppen, die keinen Identitätsnachweis und somit keinen Zugang zu Banken haben

Je nachdem welcher Schätzung man vertraut, gibt es ein bis zwei Milliarden Menschen weltweit, die ihre Identität gegenüber Institutionen und staatlichen Organen nicht hinlänglich belegen können, was natürlich den Zugang zu Bankkonten, Privatbesitz, Mobilität und Sozialversicherung massiv beeinträchtigt. Darüber hinaus haben die Betroffenen keinen Zugang zu Krediten und Darlehen, was in weiterer Folge auch unternehmerisches Tun behindert.

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Identitätsnachweis:
Millionen an Geflüchteten – ein ungleich höherer Anteil davon sind weiblich – versuchen sich ein neues Leben aufzubauen, können sich aber nicht ausweisen und kämpfen darum, einen Ausweis zu bekommen. Das schränkt ihre internationale Mobilität ein, Geflüchtete verbringen daher mehr Zeit als nötig in Auffanglagern, weil sie sich nicht ausweisen können. Blockchain-basierte Lösungen können mit alternativen Blockchain-basierten, souveränen Identitätsverfahren helfen, einen Nachweis der Identität zu erbringen.

Zugang zum Finanzmarkt und Bankwesen:
Diese Betroffenen müssen auf Alternativen wie Pfandleiher und Kredithaie zurückgreifen. Gerade diese Dienstleistungen sind aber kaum reguliert, arbeiten oft ausbeuterisch bis hin zu kriminell. Blockchains mit ihrem "Peer-to-peer"-Prinzip eliminieren die Notwendigkeit für kostspielige Mittelsmänner wie Banken und ähnliche Institutionen. Das World Food Program (WFP) experimentiert derzeit sogar mit Blockchains als Mittel um Bargeldtransaktionen für Menschen ohne Bankkonto effektiver, transparenter und sicherer zu machen. Bargeldtransaktionen sind auch ein integraler Bestandteil, die Not in Flüchtlingscamps zu bekämpfen – das WFP versucht daher die Kosten für solche Transaktionen zu reduzieren, die involvierten Daten besser zu schützen, das finanzielle Risiko zu minimieren und in Notfällen schneller Hilfestellung zu bieten.

Anreize für erwünschtes Verhalten durch „purpose-driven Tokens“

Das Blockchain-Protokoll hat eine neue Form der Wertschöpfung geschaffen. Ein Netzwerk an Personen hat sich auf ein bestimmtes Ziel geeinigt und Wertschöpfung wird immer dann kreiert, wenn ein Individuen belegen können, dass sie zur Erreichung des Ziels beigetragen hat. Im Falle von Bitcoins ist es die Schaffung einer öffentlichen Infrastruktur die Geld ohne Banken ermöglicht. Ökonomische Anreizmechanismen sorgen hierbei dafür dass jene Akteure, die Transaktionen wahrheitsgemäß verifizieren, mit neu "geschürften" Bitcoins einen ökonomischen Anreiz haben, sich um das Gemeinwohl des Netzwerks zu kümmern. Eine Manipulation des Netzwerks ist zwar möglich, aber durch diesen Mechanismus unverhältnismäßig teuer. Das Schürfen von Bitcoins ist daher das Ergebnis einer Sicherheitsfunktion, das die zuverlässige Funktionsfähigkeit so eines dezentralen Netzwerks überhaupt erst ermöglicht. Wertschöpfung entsteht daher dort, wo jemand für das System Leistung erbracht hat, von dem alle Netzwerkteilnehmer profitieren.

Bitcoin hat somit unbeabsichtigt eine neue Form der kollektiven Wertschöpfung eingeführt und das ohne die traditionellen Mittelsmänner. Es bietet eine gemeinschaftliche Alternative zum gängigen Wirtschaftssystem, das nur Anreiz für individuelle Wertschöpfung bietet, wo Gewinne privatisiert werden, und gemeinschaftliche Kosten auf die Gesellschaft ausgelagert werden. Man kann nun dieses Prinzip der Wertschöpfung von Bitcoins übernehmen, um Anreize für Menschen und Unternehmen zu schaffen, sich Nachhaltig zu verhalten, und jedesmal wenn sie dies tun und somit gemeinschaftliche Wertschöpfung eindeutig nachweisen können, werden sie mit bestimmten "Purpose Driven Tokens" belohnt. Solche Anreize über spezialisierte Tokens können den Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunftsgestaltung darstellen. Beispiele hierfür sind:

 

  • Nachweisbare Verminderung des CO2-Ausstoßes:
    Jedes mal, wenn ich nachweisen kann, dass ich mit dem Fahrrad gefahren, zu Fuß gegangen, öffentlichen Verkehr anstatt Autos verwendet habe, könnte ich mit CO2-Tokens belohnt werden, die einen im Vorfeld definierten Wert haben, oder mir gewisse Rechte innerhalb einer Gesellschaft geben. 
    Beispiele sind Solar Coin, Electric Chain, Sun Exchange
  • Nachweisbare Reduktion des Energiekonsums:
    Jedes mal, wenn Menschen nachweisen, dass sie Energie gespart haben, könnten sie mit Tokens belohnt werden. Menschen können mit der Reduktion ihres ökologischen Fußabdrucks also Geld verdienen.
    Beispiele: Energi Mine, Electron.
  • Nachweisbare Wiederaufforstung von Wäldern, Recycling, et cetera:
    Initiativen, die natürliche Ressourcen durch das Pflanzen von Bäumen, die Reinigung von Stränden, Reduktion der Lebensmittelverschwendung, Recycling von Produkten, durch eigene Tokens belohnen.
    Beispiele: Plastic Bank, Earth Dollar, Bit Seeds, Eco Coin, Earth Token, Recycle To Coin.

Ausblick

Blockchains und kryptografische Tokens bieten ein großes Potential, eine nachhaltigere Welt zu ermöglichen. Allerdings passiert Veränderung nicht von selbst. Technologie ist eben nur ein Werkzeug und kein Allheilmittel. Blockchains und Co werden nicht auf zauberhafte Art und Weise von heute auf morgen unsere Wälder retten, unseren CO2-Ausstoß vermindern, oder die Gesundheit der Ozeane wiederherstellen. Nur wir als Gesellschaft können es schaffen, diese Mittel richtig einzusetzen. So könnte dies zu informierten Entscheidungen bei Herstellern und Konsumenten, Regierungen und Unternehmen führen. Derzeit befindet sich die Technologie aber noch in den Kinderschuhen, mit vielen technischen und rechtlichen Herausforderungen sowie Ungewissheiten bezüglich diverser Netzwerkeffekte. Noch dazu ist die logische Gestaltung der Verwaltungsregeln von Tokens eine junge Wissenschaft. Die meisten heute existierenden Tokens dienen nicht als Anreiz für erwünschtes Verhalten, sondern gelten nur als Vermögen oder Vermögensanlage. Es gibt noch immer viel zu wenig Erfahrung, Expertise und Werkzeuge, um effektive Tokens zu konzipieren, und wir befinden uns in einem Trial-and-Error-Stadium, mit sehr wenig tatsächlich bewährten Beispielen von denen wir lernen können. Solche Anreizsysteme müssen eine Reihe verschiedener Aspekte berücksichtigen. Das dahinterliegende Design ist komplex. Außerdem ist Transparenz ein zweischneidiges Schwert. Wir müssen aufpassen, dass das die Systeme, die uns nützlich sein sollen, auch unsere Privatsphäre wahren, und nicht gegen uns verwendet werden können. (Shermin Voshmgir, 6.11.2018)

Veranstaltungshinweis: Mehr Infos gibt es am CryptoMonday zum Thema Nachhaltigkeit am 27. November auf der WU Wien.

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