Wien – Ob Mama einen Hauptschulabschluss oder ein Studium absolviert hat, wo Papa arbeitet, das Haushaltseinkommen, wie viele Bücher im Wohnzimmerregal stehen – das alles und noch viele andere zufällige Faktoren entscheiden darüber, welche Chancen ein Kind am Bildungsmarkt hat. Das belegt der am Dienstag präsentierte Bericht "Chancengleichheit in der Bildung" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Auf fällt dabei: In Österreich sind Bildungsmöglichkeiten besonders ungleich verteilt.

Denn im Vergleich mit anderen Industrienationen schneidet Österreich unterdurchschnittlich ab: Hierzulande sind die Leistungen stärker vom sozioökonomischen Hintergrund abhängig als im OECD-Schnitt, Kinder aus bildungsfernen Schichten erreichen noch seltener einen Hochschulabschluss.

Echte Chancen? Nirgendwo

Man muss dazusagen: Wirklich gleiche Chancen haben Kinder aus benachteiligten Familien nirgendwo. Es gibt kein Land, in dem der soziale Hintergrund nicht über den Bildungserfolg mitentscheidet. Allerdings gibt es sehr wohl Staaten, in denen der soziale Status der Eltern nur eine vergleichsweise geringe Rolle spielt – wie etwa in einigen Ländern Nordeuropas. In Österreich sind die Hürden für Kinder aus bildungsfernen Schichten dagegen vergleichsweise hoch und die soziale Mobilität gering.

Das beginnt schon bei den Leistungen in der Pisa-Studie: Im Haupttestgebiet der letzten Pisa-Studie 2015, den Naturwissenschaften, erreichten die österreichischen Schüler einen Punkteschnitt von 495. Das laut Sozialstatus unterste Viertel kam lediglich auf 448 Punkte, das oberste Viertel dagegen auf 545. Das entspricht einem Unterschied von 97 Punkten und liegt damit über dem OECD-Schnitt (88 Punkte). Sprich: Die Bildungskluft ist groß.

PC, Bücher, Zeitungsabo

Zur Erklärung des Studiensettings: Der soziale Status einer Schülers für diese Auswertung wurde anhand verschiedener Faktoren errechnet. Dafür herangezogen wurden etwa Bildungsabschlüsse und beruflicher Status der Eltern sowie Faktoren wie die Verfügbarkeit eines Computers und von Breitbandinternet, die Zahl der Bücher oder etwa das Vorhandensein eines Zeitungsabos im elterlichen Haushalt.

Weiteres Ergebnis: Rund 16 Prozent der Leistungsunterschiede bei Pisa waren in Österreich durch den unterschiedlichen sozialen Status der Schüler bedingt. Das ist in etwa der gleiche Wert wie in Deutschland, liegt aber über dem OECD-Schnitt (13 Prozent) und weit hinter Ländern wie Norwegen oder Estland (acht Prozent).

Wenige Ausreißer in Österreich

Etwas schlechter als im OECD-Schnitt liegt Österreich bei der sogenannten "Resilienz" – das sind solche Kinder, die trotz ihrer Herkunft aus benachteiligten Familien bei Pisa gute Leistungen erbrachten: So platzierten sich etwa in Österreich neun Prozent der benachteiligten Schüler im besten Viertel der Pisa-Naturwissenschaftserhebung 2015 (OECD-Schnitt: elf Prozent). Die besten Länder (Island, Finnland, Estland) kommen auf Werte um die 15 Prozent.

Rund 16 Prozent der Leistungsunterschiede bei Pisa waren in Österreich durch den unterschiedlichen sozialen Status der Schüler bedingt.
Foto: Christian Fischer

Gleiches gilt für jenen Prozentsatz benachteiligter Schüler, die mindestens die Pisa-Leistungsstufe drei (von insgesamt fünf) erreichen: In Österreich beträgt ihr Anteil 23 Prozent (OECD-Schnitt: 25 Prozent). Die Topländer (Estland, Japan, Finnland, Kanada) haben Werte von 40 Prozent und darüber, auch Deutschland kommt auf immerhin 32 Prozent.

Hochschulbildung besonders ungleich

Sogar weit hinter dem OECD-Schnitt liegt Österreich in Sachen Hochschulabschlüsse von jungen Menschen aus bildungsfernen Schichten. Hierzulande schaffen nur zehn Prozent jener (PIAAC-Erhebung), deren Eltern keinen Pflichtschulabschluss aufweisen, ein Studium. Im Länderschnitt waren es mehr als doppelt so viele (21 Prozent). Ganz an der Spitze liegen dabei Neuseeland (39 Prozent) und Kanada (37 Prozent).

Das gleiche Bild zeigt sich bei der Bildungsmobilität – zumindest in der Vergangenheit: Ebenfalls im Rahmen von PIAAC wurden die 26- bis 65-Jährigen über ihre Bildungsabschlüsse befragt: In Österreich gaben nur 29 Prozent an, eine höhere Stufe als ihre Eltern erreicht zu haben. Der Schnitt der Teilnehmerländer lag dagegen bei 41 Prozent. Die Spitzenländer Südkorea und Finnland kommen auf Werte von weit über 50 Prozent.

Faßmann fühlt sich bestätigt

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) sieht sich durch die Studie in seiner Schwerpunktsetzung bestätigt. So solle der Benachteiligung von Kindern bereits möglichst früh entgegengewirkt werden – also bereits beim Übergang vom Kindergarten in die Volksschule, erklärt er in einer Aussendung. Auch Deutschförderklassen, für die förderbedürftige Volksschüler einen Großteil des Unterrichts in separaten Sprachklassen untergebracht werden, hält der Minister für "gezielte Förderung", um Ungleichheiten auszugleichen. (Katharina Mittelstaedt, APA, 23.10.2018)