Ein Symbolbild: Das Übungsfeuer im Mattersburger Kindergarten ist der Feuerwehr ein wenig außer Kontrolle geraten.

Foto: Wolfgang Millendorfer/bvz

Beim Wirten ist es hoch hergegangen. Eigentlich wollten ja alle über das schöne 2:1 des SV Mattersburg bei Sturm in Graz reden. Aber dann hat halt der eine oder andere Feuerwehrmann auch vorbeigeschaut auf ein, zwei, drei frühe Schoppen. Da ging's dann klarerweise um die. Und um den Einsatz am Vortag, dem 22. September. Da hatte nämlich der alte Mattersburger Kindergarten gebrannt. Und zwar wie!

Eigentlich war es als Übung gedacht gewesen. Der Kindergarten hätte sowieso abgerissen werden sollen. Das nutzte die Feuerwehr, um dort ihre Fertigkeiten zu erproben und zu ertüchtigen. Das Übungsfeuer aber geriet außer Kontrolle. Bald war Feuer am Dach. Überall Rauch. Die Nachbarhäuser gefährdet. Und schließlich waren acht benachbarte Wehren im Einsatz.

Viribus unitis also. Gemeinsam verjagte man schließlich den roten Hahn, den man sich selber aufs Dach gesetzt hatte.

Und während es, wie gesagt, hoch herging beim Wirten rund um die Frage, wie der Feuerwehr etwas, das doch gewissermaßen ihr täglich Brot wäre, so habe verbocken können – und ob man da nicht einen Neuen? oder etwas Neues? vielleicht Richtlinien? Ausbildung? die Struktur? vielleicht noch eine Übung? –, meinte einer bloß: "Red ma jetzt bitte net über die SPÖ!"

Nix Weltbewegendes

Das aber ist leichter gesagt als getan. Welche Unglücke, Missgeschicke, Hoppalas ließen sich zurzeit nicht verwenden als treffliche Sinnbilder für den Zustand der großen, alten Partei, aus der binnen kurzem eine kleine, zänkische Partie geworden ist, die bloß noch dazu dient, die Tratschsucht frühschoppender Männer zu nähren?

Von Woche zu Woche aufgeregter eilen die roten Löschkommandos zu den selbstgelegten Bränden. Unter "selbst gelegt" ist jetzt aber gar nichts Absichtsvolles gemeint, sondern etwas bloß Passiertes. Jemand hat einen noch nicht ganz ausgedämpften Tschick weggeworfen und ist also zurückgetreten; ein anderer hat vergessen, die Herdplatte abzudrehen, während er twitterte; eine Kerze ist um- und auf den eh nur kurz weggelegten Plan A gefallen, weshalb der Parteitag jetzt einmal verschoben werden muss.

Solche Sachen halt. Nix Weltbewegendes. Trotzdem etwas, bei dem man sich dann am liebsten in ... sich halt ärgert über sich selber.

Unruhestifter

Ein Umstand, der in all dem aufgeregten Hin und Her – von Christian Kerns Rücktritt bis zu Luca Kaisers Rückreihung – oft übersehen wird: Das Burgenland, seit Jahren eigentlich ein verlässlicher Unruhestifter, hat sich nun zurückgelehnt und schweigt. Der bislang letzte rote Aufreger aus Eisenstadt war des Hans Peter Doskozils Aperçu, die beabsichtigte Neuausrichtung der SPÖ sei "grün-linke Fundipolitik". Also grauslich.

Da war aber Christian Kern noch Bundesparteichef. Doskozil noch nicht Landesparteichef. Und der Bundesparteitag, auf dem das alles dringlichst be- und verhandelt hätte werden sollen, noch nicht verschoben.

Bracholder

Seither aber fand sich außer dem Roland Fürst kein höherrangiger burgenländischer Genosse, keine höherrangige burgenländische Genossin, der oder die Öl nach Wien lieferte, um es dort ins Feuer der Löwelstraße zu gießen.

Das besorgten andere. Während die Pannonier sogar vorgeprescht sind und sich als Erste hinter Pamela Rendi-Wagner gestellt haben, zweifelte zum Beispiel der Wiener Chef Michael Ludwig deren parteiinterne Durchsetzungskraft an. Also ihre Fähigkeit, einem wie ihm etwas anzumessen, was der Wiener gerne auch Bracholder nennt. (Im streng übertragenen, parteiinternen Sinn).

Bald darauf meckerte die Steiermark. Jetzt Kärnten. Auch von Oberösterreich war was zu hören. Nur das Burgenland schweigt einmal. In Kenntnis der generellen pannonischen Gemütslage darf wohl hinzugefügt werden: und genießt.

Geschwärzte SPÖ

Es ist eine der erstaunlichsten Entwicklungen der letzten Zeit, dass die SPÖ – stets ein eindrucksvoller Monolith – nun rasant in ihre Länder zerfallen ist und weiterhin zerfällt, sich sozusagen einschwärzt mit den einstigen Untugenden der ÖVP. Während früher die SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße streng die Richtung vorgab und beim Vorwärtsmarschieren den Marsch blies, ist es nun umgekehrt.

Nun darf sogar eine junge steirische Landtagsabgeordnete, Michaela Grubesa mit Namen, dem Thomas Drozda, Rendi-Wagners neubestelltem Bundesparteigeschäftsführer, den Marsch blasen: "Mit Verlaub, Thomas: Du bist ein Bobo."

An dieser Entwicklung ist das Burgenland nicht unschuldig. Beziehungsweise und richtiger: überhaupt schuld. Landeshauptmann Hans Niessl hat spätestens mit seiner die Löwelstraße schwerst insultierender Entscheidung für Rot-Blau die Diskussion darüber eröffnet, ob es eine rurale und eine urbane Sozialdemokratie gebe oder zu geben habe. Niessls Diskussionsbeitrag lautete: natürlich!

Neues Selbstbewusstsein

Ein Selbstbewusstsein kam da zum Ausdruck, das gerade die burgenländische SPÖ mühsam erst hat erlernen müssen. Niessl – der ja richtiggehend strotzt davor – brauchte auch fast zehn Jahre dafür. Erbe Hans Peter Doskozil hat das nun aber von Anfang an.

Er hat es also gewissermaßen nicht einmal mehr notwendig, ständig nach Wien zu keifen, der Neuen gleich einmal die Leviten zu lesen oder irgendwie anderweitig beleidigt zu sein. (Bei zwei Burgenländern auf der Kandidatenliste für die EU-Wahl im nächsten Frühjahr wär' das auch schwer übertrieben. SJ-Chefin Julia Herr besetzt den freigeräumten Kärntner Platz sechs, gleich dahinter der burgenländische Geschäftsführer Christian Dax.)

Leuchtfeuer

Am 28. Februar wird – mit einer geordneten Staffelübergabe – Hans Peter Doskozil Landeshauptmann. Jetzt schon pflockt er die Trasse aus, auf der er das Burgenland in die Zukunft bewegen will. Zwei Leitprojekte – Leuchtfeuer gewissermaßen – sind jedenfalls schon auf dem Tisch.

Erstens soll das Burgenland die Landwirtschaft auf 100 Prozent bio umstellen. Zu diesem Behufe ist in einem ersten Schritt gleich einmal der Landwirtschaftskammer die Landeszuwendung um die Hälfte gekürzt worden. Mit dem Kollateralnutzen, dass die ÖVP schäumt über den Vierparteienbeschluss.

Man sollte nicht vergessen, dass mit Doskozils Amtsübernahme allmählich die Vorwahlzeit für die Landtagswahl 2020 starten wird.

Brand aus

Fürs Fortkommen der Sozialdemokratie noch entscheidender scheint aber die Ankündigung, alle Landesbediensteten und alle landesnah Vollzeitbeschäftigten mit mindestens 1.700 Euro monatlich zu entlohnen. Netto!

Falls dem Burgenland es gelingt, das umzusetzen – Gründe, warum das nicht gehen könne, werden landauf, landab eifrig kolportiert –, wäre dies für die Sozialdemokratie wohl sogar ein kleiner Schritt Richtung "Brand aus".

Aber Vorsicht vor der Voreile.

Druckausgleich

Beim Wirten kam dann einer hereingeeilt, recht aufgeregt. Downtown Mattersburg gebe es umfangreiche Straßensperren. Kaum irgendwo ein Durchkommen.

Es sei nämlich so gewesen: Die vielen Nachbarwehren, die halfen, den Kindergartenbrand zu löschen, haben dafür die vielen städtischen Hydranten in Betrieb genommen. Als dann das Feuer gelöscht war, drehte man das Wasser klarerweise wieder ab. Jeder für sich, aber alle recht gleichzeitig. Dadurch aber stieg abrupt der Druck in den Leitungen. An zwei morschen Stellen wurde der Druck zu hoch.

"Es ist also auch dann, wenn alles wirklich gelöscht ist, nicht immer alles wirklich schon vorbei", sagte der, der immer solche Sachen sagt.

Er bat den Wirten um noch eine Schoppenrunde. Und dann redeten wir, ohne das Thema zu wechseln, über den SK Rapid Wien. (Wolfgang Weisgram, 24.10.2018)