Wer mit Händen und Geist, aber ohne wissenschaftliche Grundlage heilt, soll künftig bestraft werden.

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Wien – Wer eine Chemotherapie braucht, soll nicht vom Schamanen behandelt werden. So lässt sich das Motiv des Gesundheitsministeriums hinter der umstrittenen Novelle des Ärztegesetzes stark vereinfacht zusammenfassen. Der gesetzliche Rahmen des ärztlichen Berufsbilds soll um "komplementär- und alternativmedizinische Heilverfahren" erweitert werden – DER STANDARD berichtete. Und: Besonders obskure Behandlungen sollen verboten werden.

Die Regierung möchte, dass alternative- und komplementärmedizinische Heilmethoden künftig auch zum Berufsbild von Ärzten gehören. Innerhalb der Ärzteschaft sorgt der Vorschlag für Unmut und Zwist.
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Hintergrund sind ein Fall aus dem Jahr 2016 und der gesetzliche "Arztvorbehalt": Der Vorbehalt besagt, dass Nichtmediziner nichts tun dürfen, was ins Berufsbild des Arztes fällt. Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) sah der Gesetzgeber "dringlichen gesundheitspolitischen Handlungsbedarf", wie es in den Erläuterungen zum Entwurf des Gesundheitsministeriums heißt.

Je absurder, desto legaler

Der VwGH entschied in einem Fall aus Tirol: Eine krebskranke Frau wandte sich an einen selbsternannten Wunderheiler, der ihr die Hände auflegte und Gebete sprach, um "Energie" zu spenden. Das Höchstgericht hob die ursprünglich auferlegte Verwaltungsstrafe für den Mann wieder auf. Begründung: Für den "Arztvorbehalt" ist maßgeblich, "ob die angewendete Methode ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweist". Je absurder eine "Heilmethode" also ist, desto weniger kann man ihr gesetzlich nachkommen.

Das soll nun geändert werden. Durch die Rationalitätsklausel im Gesetz "entziehen sich unprofessionelle heilkundliche Angebote, die regelmäßig auch gesundheitsgefährdend sein können, einer behördlichen Steuerung durch Verhängung von Verwaltungsstrafen", heißt es in den Gesetzeserläuterungen aus dem Ministerium. Geistheilern, Handauflegern und Irisdiagnostikern könnte eine Verwaltungsstrafe von bis zu 3.630 Euro drohen, sofern das Parlament die Gesetzesvorlage in der aktuellen Form beschließt.

Für Christian Kopetzki, Leiter der Abteilung Medizinrecht an der Uni Wien, wäre die Reform ein überfälliger Lückenschluss: "Es war nie ganz plausibel, warum der Staat weniger eingreift, je absurder eine Methode ist." Es komme allerdings auch auf Details an, die noch zu definieren sind, denn "die Grenze zwischen Alternativmedizin und Scharlatanerei ist fließend", sagt Kopetzki.

"Standards für Ärzte müssen höher sein"

Die Ergänzung von "komplementär- und alternativmedizinischen Heilverfahren" in der gesetzlichen Definition des Arztberufs dagegen sieht der Jurist als "eine Klarstellung, die in der Praxis überhaupt nichts ändert". Es sei "immer unbestritten" gewesen, dass nicht jede ärztliche Methode rein wissenschaftlich, sondern auch auf Erfahrungen begründet sei.

Gerald Gartlehner warnt dagegen vor der Ausweitung des Arztbegriffs: "Wenn ein Arzt alternativmedizinische Methoden anwendet, gehe ich vielleicht eher davon aus, dass das wissenschaftlich belegt ist", sagt der Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie an der Donau-Uni Krems. Er ortet zwar ein "gewisses Bedürfnis" an unwissenschaftlichen Methoden, "aber die Standards für Ärzte müssen einfach höher sein".

Was überhaupt als "Komplementär- oder Alternativmedizin" gilt, ist übrigens nicht festgelegt – auch im Gesundheitsministerium nicht. Dort ist man gerade noch dabei, eine Definition auszuarbeiten, sagt ein Sprecher von Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Der Gesetzesentwurf befindet sich derzeit in Begutachtung. (Sebastian Fellner, 23.10.2018)