Anja Plaschg alias Soap & Skin überwindet auf ihrem neuen Album die Todessehnsucht. Die steirische Musikerin besingt nun gar die wunderbare Welt.

Foto: Heribert Corn

Auf dem Cover ist eine fantastische Landschaft aus der Vogelperspektive zu sehen. Die Landschaft verdrängt das Antlitz der Musikerin Anja Plaschg; es ist das erste Album, auf dem sie nicht selbst abgebildet ist. Ende dieser Woche veröffentlich Plaschg unter ihrem Künstlernamen Soap & Skin nach sechs Jahren Pause ihr drittes Album. Es heißt From Gas to Solid / You are my Friend.

Soap & Skin ist die Schmerzensfrau und eine Identifikationsfigur der Untröstlichen. Als wortkarge Solipsistin ist sie weit über die Landesgrenzen bekannt, ihre Erfolgsgeschichte ist eine der ungewöhnlichsten im jüngeren heimischen Pop.

"Heal" vom neuen Album.
Soap&Skin

Ihr letztes Album Narrow, das den Tod ihres Vaters verhandelte, führte die österreichischen Charts an. Plaschgs schwermütige experimentelle Popmusik und ihre Künstlerpersona Soap & Skin werden andächtig verehrt. Bei Musik, die sich so offensichtlich um Persönlichstes dreht, ist das Interesse am Menschen dahinter groß. Da wird es verständlich, wenn die Musikerin diese Konzentration auf ihre Person immer als zehrend empfand.

Ihr Label hätte Soap & Skin nun gern wieder vom Cover stieren gesehen. Stattdessen ergießt sich dort ein Stillleben aus Wasser, Schimmelbergen und bunter Wüste. In minutiöser Arbeit hat die 1990 im steirischen Gnas geborene Musikerin mit einem Grafiker diese surreale Welt zusammengetragen. Doch legt nicht nur die Verpackung des Albums, sondern auch die Musik darauf nahe, dass sich bei Soap & Skin etwas verändert hat. "Es hat mir nicht mehr gereicht, mich nur in meinen Emotionen, in meinem Schmerz zu bewegen", erzählt sie. "Ich wollte eine Verbindung zur Welt herstellen." Sowohl nach ihrem ersten Album, dem 2009 erschienenen Lovetune for Vacuum, als auch beim Nachfolger Narrow war Plaschg sich nicht sicher, ob sie sich überhaupt noch ein weiteres Album abringen würde können.

Gegen die Wut, für die Hoffnung

Im Laufe der letzten Jahre widmete sie sich denn auch vorwiegend anderen Projekten. Sie komponierte für Theater und Film und war schauspielerisch tätig. Unter anderem war sie in Ruth Beckermanns Experimentalfilm Die Geträumten zu sehen. Für die deutsche Netflix-Serie Dark produzierte sie zusammen mit dem Technomusiker Apparat den Titelsong Goodbye. Zwar sammelte sie parallel dazu neues Material, begann aber erst vor einem Jahr mit der Arbeit an ihrem dritten, kathartischen Album.

"Italy" und "This Is Water" vom neuen Album.
Soap&Skin

Was genau den Ausschlag gegeben hat, sich darauf gegen die Wut und für die Hoffnung zu entscheiden, wie Plaschg im Gespräch sagt, will sie nicht auf einzelne Faktoren herunterbrechen. Das Resultat des Prozesses ist jedenfalls hörbar: Einzelne Titel tragen zuversichtliche Namen wie Heal statt wie früher Thanatos oder Deathmental – und am Ende des Albums interpretiert Plaschg gar Louis Armstrongs Klassiker What a Wonderful World.

Insgesamt führt die Instrumentierung mit gesampelten, aber akustischen Instrumenten zu einem wärmeren Sound als die früher dominierende kalte Elektronik. Die gibt es natürlich immer noch – inklusive apokalyptischer Orgeln, stoischer Chöre und lateinischer Teufels-Palindrome. Der Erscheinungstermin des neuen Werks kurz vor Allerheiligen wirkt also stimmig. Doch hat jetzt der früher endlos scheinende schwarze Tunnel ein kleines Licht an seinem Ende.

Qualität statt Quantität

"Vielleicht gehen einige, die früher an meiner Todessehnsucht gezehrt haben, da jetzt nicht mehr mit", sagt sie trocken. Doch allzu viele Gedanken um den Verlust von Fans oder die Höhe ihrer Verkaufszahlen scheint sie sich nicht zu machen. Auch wenn es um Konzerte geht, steht die Qualität und nicht die Quantität im Vordergrund. Das neue Album könne sie ohne Ensemble nicht spielen – dann spiele und verdiene sie eben weniger.

"Surrounded" vom neuen Album.
Soap&Skin

Plaschg hat trotz einer gewissen Entrücktheit – von manchen als affektierte Exzentrik, von anderen als sicheres Zeichen des sensiblen Genies gedeutet – konkrete Vorstellungen davon, wie die Dinge zu laufen haben. Nicht nur, wenn es um die Kunst auf dem Cover geht. Dass sie produziert, seit sie 15 Jahre alt ist und sich die nötigen technische Fähigkeiten hart erarbeitet hat, wird gern zugunsten des Mythos vom Wunderkind vergessen. Bei der aktuellen, großartigen Single Surrounded stieß sie dennoch an ihre Grenzen. Aber sie wollte keinen Produzenten hinzuziehen. "Ich möchte nicht, dass es heißt, ich hätte mein Album nicht selbst produziert. Das ist gerade als Frau schwierig."

Topmotivierte Mutter

Das Frausein, die Weiblichkeit im Allgemeinen – Plaschg ist mittlerweile Mutter geworden – haben sie als Themen auf dem neuen Werk beschäftigt. "Hear me / Feed me / Nurse me / Motherly" lautet die erste Strophe im Lied Italy. Der Song, den Plaschg ursprünglich für den Soundtrack des Films Sicilian Ghost Story komponiert hatte, gab die Richtung für das Album vor, eine Orientierung hin zum Hoffnungsvollen. Eine Richtung, in die es wohl in Zukunft weitergehen wird. Fragt man Plaschg scherzhaft, wann denn nun das nächste Album komme, lacht sie auf: "Ja ja, ich bin topmotiviert, es kann gleich weitergehen."

Fans werden wohl trotzdem ein paar Jahre warten müssen, bis sich wieder genug Leben angesammelt hat, das verarbeitet werden kann. Zum ersten Mal hat Plaschg aber wirklich Lust, mit ihrer Musik weiterzumachen. Gut so. (Amira Ben Saoud, 25.10.2018)