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Die Deponie Kutschino sorgt für Geruchsbelästigung. Präsident Wladimir Putin hat die Müllhalde bereits schließen lassen.

Foto: AP Photo/Dmitry Serebryakov

Es stinkt zum Himmel in Balaschicha. Der Geruch ist nicht nur in der Großstadt am Rande Moskaus, sondern selbst in der Nachbarstadt Reutow wahrzunehmen. Verursacher ist nach Angaben des Umweltministeriums der Moskauer Region die Müllhalde Kutschino. Dabei ist die seit mehr als einem Jahr geschlossen.

Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich hat die Liquidierung der Deponie angeordnet. Die unglückselige Müllkippe hatte es zuvor ins staatliche russische Fernsehen geschafft. Der Kreml-Chef musste sich während seiner TV-Fragestunde von Anwohnern anhören, wie sie von den täglichen Bränden und von den durch Zersetzungsprozesse entstehenden Gasen der Deponie vergiftet werden und niemand etwas dagegen unternimmt. "Sie sind unsere letzte Hoffnung", klagte Jelena Michailenko, eine Anwohnerin, dem Präsidenten.

Warten auf die Rekultivierung

Und Putin versprach Abhilfe: Tatsächlich war die Müllhalde bereits eine Woche später dicht. Nur das Problem war damit nicht gelöst, sondern allenfalls verlagert. Seither steuern die Mülllaster die benachbarten Abladeplätze an. Und auch in Kutschino gärt es weiter. Nach der versprochenen Rekultivierung riecht es nicht.

Russlands Müllproblem ist gigantisch: 2017 wurden nach Angaben der Statistikbehörde landesweit 274,5 Millionen Kubikmeter an festen Haushaltsabfällen produziert. Knapp ein Zehntel davon (24 Millionen Kubikmeter) in Moskau, fast genauso viel im Moskauer Umland (22 Millionen Kubikmeter). Leider werden nur fünf Prozent der Gesamtmenge überhaupt sortiert und auch davon nur zehn Prozent wiederverwertet. Der Rest wird verbrannt oder gelagert, häufig sogar auf Halden, die keine offizielle Genehmigung für die Lagerung besitzen. Von diesen halblegalen Deponien gibt es in Russland mehr als 22.000.

Nun hat das Umweltministerium ein Konzept erarbeitet, um die Müllberge zu beseitigen. Erster Punkt ist demnach die Gründung einer staatlichen Holding, die zentral den gesamten Sektor lenken soll. Die Holding ist dafür verantwortlich, ein Schema für die Lagerung aller Festabfälle in Russland zu erarbeiten, Daten über die Kapazitäten der einzelnen Deponien zu erheben und selbst die Routen der Mülltransporter zu verfolgen, um notfalls gegensteuern zu können. Auch die Planung neuer Anlagen für die Lagerung, aber vor allem für die Wiederverarbeitung gehört zu den Aufgaben des neuen staatlichen Müllgiganten.

Umweltabgaben werden steigen

Finanziert wird die Holding über die neue Umweltabgabe, die alle Warenproduzenten und -importeure seit 2017 auf Verpackungen zahlen. Ab 2019 steigen die Umweltabgaben laut Planungen deutlich. Für Plastikverpackungen beispielsweise auf das Dreifache, für Aluminiumbüchsen sogar auf das Achtfache.

Die Staatsholding wird das Geld verwalten und verteilen. Denn bis 2024 sollen in Russland 210 Recyclinganlagen aufgebaut werden. Die staatlichen Mittel allein reichen nicht, auch wenn die Regierung für dieses Projekt rund eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen will. Daher ist bei den einzelnen Anlagen eine Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatunternehmen vorgesehen. Bis zu 30 Prozent der Kosten kann der Staat übernehmen, den Rest sollen Investoren tragen. Die Regierung ist zuversichtlich, dass sich dank des Public-Private-Partnership-Modells nicht nur genügend Interessenten finden, sondern auch Banken bereit sind, die nötigen Kredite bereitzustellen. Die Investitionen sollen sich zudem durch eine weitere Steigerung der Abfalltarife bezahlt machen. Für den Bürger erhöhten sich die Abgaben aber nicht um mehr als vier Prozent pro Jahr, verspricht das Umweltministerium.

Hoch gestecktes Ziel

Der Aufbau der Infrastruktur für die Müllverarbeitung dient einem ambitionierten Ziel: Die neuen Recyclinganlagen sollen dafür sorgen, dass in einigen Jahren 60 Prozent der gesamten Feststoffabfälle aufgearbeitet und wiederverwertet werden. Pro Jahr sind das Berechnungen von Regierungsexperten zufolge rund 23 Millionen Tonnen.

Ob die geplante Finanzierung tatsächlich für eine tiefgehende Reform der Müllverarbeitung ausreicht, bleibt abzuwarten. Einige Branchenexperten schätzen den Geldbedarf in diesem Fall nämlich auf mehr als das Zehnfache. (André Ballin aus Moskau, 25.10.2018)