Laut einem angeklagten Ex-Meinl-Manager habe nur Julius Meinl V. das "gesamte Wissen" in der Gruppe gehabt. Hier ein Bild aus dem Jahr 2007, als die Zeiten bessere waren.

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Ermittelt wird in der Causa Meinl / Meinl European Land (MEL) seit rund zehn Jahren, nun hat die Sonderkommission Soko MEL ihren Abschlussbericht vorgelegt. Das Werk hat 956 Seiten, die Ermittler gehen von einem Anlegerschaden von 1,7 Milliarden Euro aus. Die Staatsanwaltschaft (StA) Wien ermittelt gegen 13 Personen (eine ist 2017 verstorben), Meinl Bank und weitere vier Gesellschaften. Der Verdacht: gewerbsmäßiger Betrug, Untreue, Verletzung von Aktien-, Kapitalmarkt- und Börsengesetz. Die Beschuldigten weisen die Vorwürfe von jeher zurück, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Die auf Immobilien in Osteuropa spezialisierte MEL hat über das Investmentvehikel Somal fast 90 Millionen MEL-Papiere aus Emissionen von 2005 bis 2007, die noch nicht platziert waren, diskret aufgekauft, um den Kurs zu stützen. In den Augen der Ermittler wurde so "der gesamte Markt" getäuscht. Die Anleger wären zu Investments verführt worden, die sie sonst nicht getätigt hätten, heißt es sinngemäß in dem Bericht, der dem STANDARD vorliegt. Als der Kurs ins Bodenlose fiel, waren vor allem Kleinanleger betroffen. Ihnen waren die Papiere als de facto mündelsicher verkauft worden.

Vorstand erschuf Kaufvehikel

Laut den Ermittlern sei es "externen Personen" geradezu unmöglich gewesen, die durch Werbebroschüren oder Ad-hoc-Meldungen gesetzten (notabene: mutmaßlichen) Täuschungshandlungen zu erkennen. Sie berufen sich auf die Aussage eines beschuldigten Ex-Meinl-Managers, der da meinte: Es sei die Politik der Bank gewesen, dass "niemand das ganze Wissen" habe – außer Julius Meinl V. Der das freilich bestreitet.

Zudem habe der gesamte Meinl-Bank-Vorstand von der "Finanzierung der Somal durch die MEL zwecks Übernahme von ... nichtplatzierbaren MEL-Zertifikaten nicht nur gewusst, sondern das dafür notwendige Finanzkonstrukt selbst erschaffen bzw. genehmigt".

Direkter Einfluss auf MEL

Die Soko spricht von einem "System Meinl". Aus Mails und Vorstandsprotokollen erschließe sich, dass Organe der Meinl Bank bzw. Julius Meinl V. selbst auf die MEL Einfluss genommen hätten – wobei die Beschuldigten das bestreiten. Als ein Beispiel wird die Diskussion um eine (unerwünschte) Steuerpflicht der MEL in Österreich angeführt. In diese Mail-Debatte war auch Julius Meinl eingebunden. Meinl wurde damals vom Steuerberater empfohlen, Board-Meetings der MEL in Jersey abzuhalten "oder zumindest außerhalb Österreichs". Das "zumindest" solle gestrichen werden, schrieb eine Managerin an Meinl. Denn: "Sonst kommen die noch auf die Idee, dass wir wirklich immer nach Jersey müssen."

Apropos Mails und Aussagen: Rund 100.000 Anleger haben laut dem Bericht in MEL-Zertifikate investiert, aber: Ihre Befragung durch die "Soko Meinl war aus faktischen Gründen nicht möglich". Die Ermittler hatten rund 7,3 Millionen Mails vorliegen und 6,3 Terabyte Daten. Ein Terabyte entspreche rund 550.000 Büchern, halten sie fest. Genauso interessant ist aber, was der Soko MEL für ihre Nachforschungen nicht vorlag: ein "Befund oder Gutachten der bestellten Sachverständigen".

Aus Immogesellschaft wurde Anlagefonds

Was das eingesammelte Kapital und die Immobilieninvestments der MEL betrifft, beziffern die Ermittler die Schere, die es da gegeben habe so: Rund acht Mrd. Euro habe die Immogesellschaft 2002 bis 2007 eingesammelt, aber nur rund 2,2 Mrd. Euro in Immobilien investiert. Es bestehe der Verdacht, dass aus einer Immobiliengesellschaft ein Kapitalanlagefonds geworden sei. Die MEL saß also auf zu viel Geld, das sie laut Notenbank ab 2007 in den Euro Prime Liquidity Fund steckte. Und wer hat diesen Fonds gemanagt? Die Meinl Bank.

Darüber hinaus hat die MEL laut Soko jede Menge Gebühren an die Meinl Bank gezahlt; ab 2004 mehr, als sie aus ihrem Kerngeschäft (Vermietung, Verpachtung) einnahm. MEL habe für sie nachteilige und für die Bank vorteilhafte Gebührenbestimmungen akzeptiert und von 2002 bis 2008 fast 701 Mio. Euro an die Bank bzw. deren Tochter Mere überwiesen.

Viele Vergleiche geschlossen

Die Meinl Bank hat inzwischen mit vielen der Geschädigten Vergleiche geschlossen. Schadenswiedergutmachung (Milderungsgrund) sehen die Ermittler darin aber nicht, sondern einen – rechtswidrigen – "Rückkauf" der Papiere "zu unüblich hohen Preisen".

Die StA wird, wenn alle Gutachten da sind, über Anklageerhebung oder Einstellung entscheiden. Bei Meinl gibt man sich laut Aussendung zuversichtlich. Der "im Stil eines Schulaufsatzes geschriebene Bericht" strotze vor Rechenfehlern und falschen Fakten, bringe keine neuen Erkenntnisse. Die Causa MEL müsse endgültig zu Grabe getragen werden. (Renate Graber, 28.10.2018)