Durch schwere Regenfälle kam es zu zahlreichen Überschwemmungen – im Bild ein Hochwassereinsatz in Oberdrauburg Montagnacht.

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Nach starken Regenfällen in der Nacht auf Dienstag hat eine Mure die Gleisanlage am Bahnhof Arnbach im Gemeindegebiet von Sillian in Osttirol verlegt.

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Das Dach der Festung in der Stadt Salzburg wurde durch den Föhnsturm teilweise abgedeckt. Die Salzburger Stadtberge sind gesperrt.

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Klagenfurt – Die Hochwasserkatastrophe ist in der Nacht auf Dienstag in Kärnten vorerst ausgeblieben. Zwar war die Situation in Möllbrücke in den frühen Morgenstunden nach wie vor angespannt, unzählige Straßen im ganzen Land wegen des Wassers oder umgestürzter Bäume gesperrt und 10.000 Haushalte ohne Strom. Lavamünd blieb von der großen Flut aber verschont.

Die Bundesregierung kündigte am Dienstag schnelle und unbürokratische Hilfe an. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will sich selbst ein Bild von der Lage in den betroffenen Gebieten machen. "Viele Menschen sind ohne Strom, Schulen sind geschlossen und Straßen gesperrt – deshalb wird der Bund schnell und unbürokratisch helfen, damit die betroffenen Gemeinden und ihre Einwohner rasch wieder zur Normalität übergehen können", sagte Kurz. Am Mittwoch um 10.15 Uhr wollen Kurz und Kaiser gemeinsam ein Pressestatement im Kärntner Landesfeuerwehrverband in Klagenfurt abgeben.

Treffen mit Betroffenen

Für Dienstagabend plant der Bundeskanzler gemeinsam mit der aus Kärnten stammenden Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und dem Kärntner ÖVP-Landesrat Martin Gruber einen Besuch in der Gemeinde Rosegg, wo es ein Treffen mit Helfern und Betroffenen geben soll. Am Mittwoch folgt ein Termin mit Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) und dem Krisenstab des Landes. Wegen der schweren Schäden in Osttirol will Kurz auch mit Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) telefonieren.

ORF-Reporter Horst Sattlegger aus Kärnten
ORF

Eine höchst gefährliche Situation gibt es beim Draukraftwerk Rosegg bei Velden, wie der ORF Kärnten berichtet. In der Nacht auf Dienstag sind circa 35 Meter einer Stützmauer unter der Staustufe weggebrochen. Mit Baggern und Felsblöcken wird nun versucht, die Mauer abzusichern.

Der Loiblpass war für die Nachtstunden wegen des Föhnsturms vorsorglich gesperrt worden, im Lauf der Nacht musste der Wurzenpass wegen Vermurungen gesperrt werden. Gesperrt war auch der Plöckenpass, der Seeberg- und der Paulitschsattel waren ebenfalls blockiert. Die Mölltal-Bundesstraße war in mehreren Abschnitten gesperrt, dazu kamen dutzende Landes- und Gemeindestraßen in fast allen Kärntner Bezirken. Zur Gänze verschont blieben nur die Bezirke St. Veit/Glan und Feldkirchen.

Polizeiauto von umfallendem Baum getroffen

In Velden rückte eine Polizeistreife wegen eines umgestürzten Baums auf der Köttmannsdorfer Landesstraße aus, dabei wurde das Polizeiauto von einem weiteren umstürzenden Baum getroffen und schwer beschädigt. Die beiden Beamten konnten das Fahrzeug nur noch auf der Fahrerseite verlassen, eine 25 Jahre alte Polizistin musste im LKH Villach behandelt werden, ihr 58-jähriger Kollege erlitt leichte Verletzungen.

In Rattendorf im Gailtal gab es in der Nacht Großalarm, weil ein Damm gebrochen war, 15 Häuser mussten evakuiert werden. Das Lesachtal war auch in der Früh wegen Vermurungen noch von der Außenwelt abgeschnitten. Die Bevölkerung des eigentlich als am gefährdetsten eingestuften Lavamünd blieb vorerst verschont. Laut Verbund-Sprecher Robert Zechner gelang es vorerst, die Hochwasserwelle über den Völkermarkter Stausee abzupuffern. Derzeit lasse man rund 1.550 Kubikmeter Wasser pro Sekunde nach Lavamünd durch, ob die Kapazitäten des Stausees für die Wassermassen reichen werden, sei aber noch nicht ganz sicher.

Lienz auf Straßenweg wieder erreichbar

Die Osttiroler Bezirkshauptstadt Lienz war Dienstagfrüh nach Sturm und Starkregen vorerst auf dem Straßenweg nicht erreichbar. In zahlreichen kleineren Orten stellte sich die Situation ähnlich dar. In Arnbach im Gemeindegebiet von Sillian habe der Pegel der Drau in der Nacht die hundertjährliche Hochwassermarke überschritten, teilte das Land mit. Die Drau trat dennoch nicht über die Ufer. Voraussichtlich den ganzen Dienstag bleiben die Bahnstrecken zwischen Spittal-Millstätter See und Lienz, Lienz und San Candido sowie Faak am See und Ledenitzen gesperrt.

Nach Lienz konnte die Verbindung über den Iselsberg am Dienstagvormittag wiederhergestellt werden, teilte Bezirkshauptfrau Olga Reisner mit. Derzeit sei ein Hubschrauber für Erkundungsflüge im Einsatz, auch die Schäden am Straßennetz wurden überprüft. Am Dienstagvormittag waren noch mehrere Gemeinden im Bezirk ohne Stromversorgung. Der Grund für den Stromausfall dürften Bäume sein, die durch den Sturm umknickten und auf Stromleitungen fielen, sagte Reisner. Die Lage entspanne sich jedenfalls zunehmend. Am Vormittag kam zwar wieder leichter Regen auf, es gebe jedoch keine kritischen Bereiche mehr.

180 sitzen am Stilfser Joch fest

Rund 180 Personen, darunter Touristen und Personal von Hotels, sitzen seit Samstag am Stilfser Joch, dem Gebirgspass in den Ortler-Alpen zwischen der Lombardei und Südtirol, fest. Wegen heftigen Schneefalls sind alle drei Zugangsstraßen zum Pass mit einer Höhe von 2.757 Metern unterbrochen, berichteten italienische Medien.

Das Stilfser Joch ist der höchste Gebirgspass in Italien und der zweithöchste asphaltierte Gebirgspass der Alpen. Es verbindet Bormio im Veltlin mit Prad im Vinschgau. Im Veltlin kam es zu mehreren Erdrutschen. Die Veltliner Skiortschaft Santa Caterina Valfurva ist vom Rest der Welt abgeschnitten, berichteten italienische Medien. Im Trentino wird nach einer Person gesucht, die im Levico-See vermisst wird. In der Trentiner Thermalortschaft Levico mussten 70 Personen ihre Wohnungen verlassen.

Die Dolomiten-Bergortschaft Plodn/Sappada, deutsche Sprachinsel in der Provinz Belluno, ist seit Montagnachmittag vom Rest der Welt abgeschnitten. Eine zur Gemeinde führende Straße war wegen eines Erdrutsches unterbrochen, eine zweite wurde wegen der Gefahr einstürzender Bäume geschlossen. Die Stromversorgung wurde unterbrochen. Gebäude entlang des Flusses Piave wurden beschädigt, rund 20.000 Haushalte sind in der Provinz Udine ohne Strom.

Stromausfälle auch in Steiermark und Niederösterreich

Auf der Südbahnstrecke zwischen Niederösterreich und der Steiermark war die Semmeringbahn wegen Sturmschäden gesperrt. Ein Schienenersatzverkehr wurde zwischen Bruck an der Mur und Wiener Neustadt beziehungsweise Mürzzuschlag und Gloggnitz eingerichtet. "Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es im gesamten ÖBB-Streckennetz zu Behinderungen im planmäßigen Bahnverkehr kommen kann. Wir ersuchen um Verständnis für die unwetterbedingten Fahrplanabweichungen", erklärte die ÖBB.

Nach den nächtlichen Sturmböen waren in der Früh rund 6.000 steirische Haushalte ohne Strom. Zahlreiche Bäume waren auf Stromleitungen gefallen. Besonders betroffen waren das obere Mürztal, der Norden des Bezirks Weiz, der Raum Bruck/Mur und Pernegg sowie der Raum Knittelfeld und Soboth, erklärte Energie-Steiermark-Sprecher Urs Harnik-Lauris.

Murpegel in Graz stark gestiegen

In Graz wurde aufgrund des gestiegenen Pegels der Mur die Murpromenade an der Ostseite zwischen den Abgängen Roseggerkai (Augartenbrücke) und Kaiser-Franz-Josef-Kai (Gründerzeitabgang) aus Sicherheitsgründen gesperrt. "Mit einem weiteren Ansteigen des Wasserstandes ist zu rechnen, bei Erreichen der entsprechenden Pegel werden weitere Sperren angeordnet werden", hieß es am Dienstagnachmittag in einer Aussendung der Stadt.

Aufgrund des Sturms stand die Feuerwehr auch in Teilen Niederösterreichs im Einsatz. Der Schwerpunkt lag im Bezirk Neunkirchen, wo es auch zu Stromausfällen kam. Bisher waren im Bundesland 80 Einsätze zu bewältigen, berichtete Feuerwehrsprecher Franz Resperger in der Früh. Die Aufräumarbeiten sollten bis Mittag dauern.

Baum blockierte Südbahnstrecke am Semmering

Allein im Bezirk Neunkirchen mussten die Helfer zu 40 Einsätzen ausrücken. In der Gemeinde Semmering wurden Teile eines Hausdachs weggerissen und auf den benachbarten Bauhof geschleudert. In Breitenstein und Kirchberg am Wechsel stürzten Bäume auf Leitungen, wodurch die Stromversorgung unterbrochen wurde.

Zudem war die Südbahn unterbrochen, nachdem ein Railjet am Abend zwischen Eichberg und Semmering mit einem umgestürzten Baum, der auf den Gleisen lag, kollidiert war. Der Railjet war von Villach nach Wien unterwegs, als er gegen 20.30 Uhr mit dem umgestürzten Baum zusammenstieß. Die Lok wurde nicht beschädigt, hieß es von der ÖBB. Auch Personen kamen nicht zu Schaden, die Aufräumarbeiten mussten jedoch in der Nacht wegen des Sturms unterbrochen werden. Sie wurden in der Früh wiederaufgenommen.

Am Dienstagnachmittag wurde die Strecke wieder freigegeben. Nachdem ab Mittag ein Gleis wieder befahrbar war, folgte kurz vor 14.30 Uhr das zweite. Unterbrochen war am Nachmittag die Verbindung zwischen dem St. Pöltner Stadtteil Viehofen und Herzogenburg. Dort war laut ÖBB ein Baum ins Gleis gefallen.

Die Sperre bei St. Pölten werde voraussichtlich bis 17 Uhr dauern, sagte ÖBB-Sprecher Karl Leitner. Ein Schienenersatzverkehr wurde eingerichtet.

Feuerwehrmann in Südtirol ums Leben gekommen

In Südtirol forderte die Unwetternacht ein Todesopfer und zwei Verletzte. In St. Martin in Thurn wurde ein Feuerwehrmann durch einen herabstürzenden Baum getroffen. Er erlitt tödliche Verletzungen, teilte das Land mit. Zudem verletzte ein umstürzender Baum in Mühlwald einen Mann. In Schlanders wurde eine junge Frau in einem Auto verletzt, das von einem Felsbrocken getroffen wurde. Beide trugen mittelschwere bis schwere Verletzungen davon.

Festung Hohensalzburg teilweise abgedeckt

Dienstagmorgen erreichte der Föhnsturm dann die Stadt Salzburg und richtete große Schäden an. "Wir haben ab 6 Uhr kurzfristig eine große Zahl an Einsätzen hereinbekommen", sagte Werner Kloiber von der Berufsfeuerwehr Salzburg. Teilweise liefen bis zu 70 Einsätze parallel. Auf der Festung Hohensalzburg wurden ein nicht unerheblicher Teil des Daches abgedeckt.

"Wir haben das Areal großräumig abgesperrt. Solange der Wind anhält, können wir nur abwarten", sagte Kloiber. Im ganzen Stadtgebiet stürzten Bäume und Kamine um oder drohten umzustürzen, Blechdächer wurden abgetragen. Auch der Chiemseehof, der Sitz der Landesregierung, war betroffen. Das Amt für öffentliche Ordnung veranlasste kurz vor 8 Uhr eine Sperre des Kapuzinerbergs und des Mönchsbergs sowie der Friedhöfe, Parks und städtischen Wälder. Es herrsche erhebliche Gefahr durch umstürzende Bäume und losgerissene Äste.

Das Schlimmste ist überstanden

Laut Josef Haslhofer von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ist das Schlimmste aber mittlerweile vorbei: "Der Höhepunkt wurde bereits erreicht, der Wind wird im Lauf des Vormittags zunehmend weniger." Die stärksten Böen im Salzburger Stadtgebiet wurden mit 89 km/h an der Messstelle am Flughafen erreicht.

Versicherung erwartet fünf Millionen Schaden

Die Wiener Städtische rechnet mit Schäden in Millionenhöhe, wie man am Dienstag in einer Presseaussendung mitteilte.

Wir rechnen aus heutiger Sicht mit einem Aufwand von rund fünf Millionen Euro. Sachverständige und Sachbearbeiterinnen und -bearbeiter sind im Dauereinsatz", erklärt Wiener-Städtische-Generaldirektor Robert Lasshofer. (APA, red, 30.10.2018)