Sage ich, sagt sie, sage ich, sagt sie wieder: So funktioniert Kommunikation. Mitunter kann Sprechen Probleme bereiten. Ursachen gibt es viele. Ist das der Fall, sollte man unbedingt an Hilfe von Logopädinnen denken.

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Karin Pfaller ist Logopädin in Graz und Präsidentin des Berufsverbands Logopädie Austria.

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STANDARD: Für Patienten mit Sprach- oder Sprechstörungen gibt es gute Nachrichten: Sie werden zukünftig das Angebot von Therapien besser als bisher nutzen können. Wann braucht man Logopäden?

Karin Pfaller: Probleme mit dem Sprechen, der Stimme, dem Schlucken oder auch dem Hören können eigentlich ein ganzes Leben lang auftauchen. Wir arbeiten auch sehr intensiv mit Kindern.

STANDARD: Mit welchen Diagnosen?

Pfaller: Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen. Die bekannteste ist sicherlich das Stottern. Hier können wir durch etablierte Therapien diese Sprechstörungen sehr gut behandeln und so in den Griff bekommen, dass sie quasi verschwinden. Aber abgesehen davon gibt es viele andere Sprachentwicklungsstörungen, die sich langfristig auf das gesamte Leben auswirken können. Wer nicht gut hören, sprechen und sich ausdrücken kann, hat später in der Schule Probleme. Unsere Aufgabe ist, es gar nicht so weit kommen zu lassen.

STANDARD: Oft hört man doch aber gerade bei Problemen mit der Sprache, dass "sich das schon auswachsen wird".

Pfaller: Gegen diese falsche Meinung kämpfen wir Logopäden schon immer an. Ich kann nur sagen: Abwarten kann gerade bei Kindern die schlechteste Lösung sein. Eltern, die sich Sorgen machen, sollten ihre Beobachtungen unbedingt ernst nehmen. Oft genügt eine einzige Logopädiestunde, um die Sorgen zu zerstreuen oder eine Therapie einzuleiten.

STANDARD: Wie kommt man zu einer Logopädin?

Pfaller: Über eine ärztliche Zuweisung, es kann ein Zahnarzt, ein Neurologe oder der HNO-Arzt sein, dem Ungewöhnlichkeiten auffallen. Das ist die Voraussetzung. Besorgte Eltern sollten die Kinderärzte auch direkt ansprechen. Neben den Vertragslogopäden über eine Krankenkasse gibt es auch Wahllogopäden. Sie sind immer dann eine Option, wenn es bei den Vertragslogopäden lange Wartezeiten gibt.

STANDARD: Was kostet eine Stunde?

Pfaller: Eine Stunde bei einer Vertragslogopädin wird von der Krankenkasse bezahlt. Leider variiert die Versorgung von Bundesland zu Bundesland. Eine Stunde bei einer Wahllogopädin kostet ungefähr 85 Euro. 80 Prozent des Honorars wird im Nachhinein refundiert. Wir sind sehr froh über den Vorstoß des Hauptverbands, den Zugang zur Therapie bis zum Jahr 2020 zu vereinheitlichen. Die Logopädie gibt es seit 1913.

STANDARD: Sie meinen, es hat lange gedauert?

Pfaller: Nein, das wollte ich nicht sagen. Nur de facto ist die Logopädie tatsächlich eine medizinische Therapie, die vor dem Ersten Weltkrieg in Wien von Ohrenarzt Emil Fröschel entwickelt wurde. Er verstand es als "Erziehung zum Wort". Darunter verstand er auch das Hören, das Artikulieren, das Verstehen von Sprache. Als Fröschel nach dem Anschluss 1939 emigrieren musste, hat er die Logopädie aus Wien in die USA exportiert und sie zusammen mit anderen groß gemacht. Spracherwerb ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Wir gehen davon aus, dass zirka 50.000 Kinder zwischen ein und sechs Jahren in Österreich eine logopädische Therapie benötigen, um ihre Sprache regelrecht zu entwickeln.

STANDARD: Wie kann man sich eine Stunde bei einer Logopädin vorstellen?

Pfaller: Wir arbeiten mit vielen Methoden, Konzepten und Hilfsmitteln, haben Spielzeug in der Praxis, machen Rollenspiele. Sprachentwicklungsstörungen können ja sehr unterschiedlich sein. Wir testen, wie gut ein Kind hört, wie der Sprachentwicklungsstand ist. Auch die Qualität des Blickkontakts spielt eine Rolle, da er eine wesentliche Grundlage der Kommunikation ist. Nicht selten ist bei Kindern auch die Hörwahrnehmungsverarbeitung beeinträchtigt. Ist das der Fall, kann man zum Beispiel die Worte Tanne und Kanne einfach nicht unterscheiden, weil man dann "T" und "K" gleich hört. Oder Kuh und Du.

STANDARD: Und was dann?

Pfaller: Dann können wir solche Defizite durch sehr gezieltes Training ausgleichen. Möglichst bis zum Schuleintritt, denn wer Sprache nicht versteht, tut sich auch beim Schreibenlernen schwer und hat langfristig massive Nachteile bei Bildung und Arbeit.

STANDARD: Dauert eine Logopädie lange?

Pfaller: Auch dafür gibt es keine generelle Antwort. Es gibt Kinder, die brauchen nur ein paar Stunden, andere länger. Wichtig ist, dass wir Kinder mit Sprachstörungen frühestmöglich sehen, weil wir wirklich vieles ausgleichen können.

STANDARD: Logopäden helfen nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen. Wie genau?

Pfaller: Wir kümmern uns um Patienten mit Sprachverlust oder Schluckstörungen. Das kann nach einem Schlaganfall sein, der die Sprachzentren betroffen hat. Solche Patienten müssen das Sprechen erst wieder erlernen. Hier bieten wir Hilfestellungen für Betroffene und ihre Angehörigen an. Wichtig ist, sich wieder verständlich machen zu können. Sprache hat eine sehr strukturierende Funktion.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Pfaller: Oft werden Handlungen über Sprache gesteuert. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass auch Patienten mit Demenzerkrankungen von Logopädie profitieren, zum Beispiel indem man Worte, die zusammengehören, gemeinsam erwähnt. Stuhl und Sitzen zum Beispiel. Patienten wissen, dass sie sich dann setzen sollen.

STANDARD: Logopädie als Lebensbegleitung?

Pfaller: Sozusagen. Viele ältere Menschen leiden an Stimmstörungen, an Heiserkeit durch Probleme mit dem Kehlkopf oder an Schluckbeschwerden. Das kann die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen. Bei solchen zum Teil auch altersbedingten Einschränkungen können wir Logopädinnen wirklich viel machen.

STANDARD: Wie sieht es bei der logopädischen Versorgung älterer Menschen aus?

Pfaller: Viele ältere Patienten mit neurologischen Einschränkungen kommen schon im Spital oder in der Reha-Klinik mit Logopädie in Kontakt. Das Problem ist aber dann oft, dass sie, wenn sie wieder zu Hause sind, nicht mehr weitermachen. Vor allem der ländliche Raum ist unterversorgt. (Karin Pollack, 4.11.2018)