Genaue Beobachterin und neue Stadtschreiberin von Mainz: Eva Menasse.

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Das Beziehungsleben ist in den Erzählungen und Romanen von Eva Menasse beileibe kein Krippenspiel. Unnötige Gespräche werden geführt, notwendige bleiben aus, auch die Kinder geraten nicht wie geplant. Weiters wimmelt es im Werk der 1970 in Wien geborenen Autorin nur so von lahmen Liebhabern, abgewiesenen Ehemännern und gestressten Frauen, die an knarzenden Patchworkkons trukten verzweifeln.

So leichtfüßig, ironisch, aber nie empa thielos wie die Schriftstellerin Eva Menasse in ihrer Literatur das Leben der Gutgebildeten, Wohlbestallten und Ratlosen in der Wohlstandsgesellschaft schildert, so entschieden prangert sie in Texten und Reden gesellschaftliche und politische Missstände an. Erst kürzlich konstatierte sie in ihrer Eröffnungsrede zum Literaturfest Berlin neben einem "Tsunami der Vereinfachung" im politischen Diskurs eine zunehmende "militante Intoleranz" sowie einen Mangel an Offenheit, Neugier – und an Humor.

Letzteren hat Eva Menasse von Wien nach Berlin exportiert, wo sie seit zwei Jahrzehnten lebt. Abwechselnd wird die Mutter eines Sohnes seither von deutschen Medien mit Karl Kraus, Musil, Bernhard, Qualtinger oder wahlweise Elfriede Jelinek verglichen. Was die ehemalige Journalistin (Profil, FAZ) wenig anfechten dürfte, denn ihren eigenen Ton hat sie schon in ihrem ersten Roman Vienna (2005) gefunden, der eine jüdische Familiengeschichte reflektiert. Sie ist fiktiv, trägt aber Züge der Herkunft der Autorin, deren Vater im Zuge einer britischen Rettungsaktion für jüdische Kinder nach England emigrierte, Fußballspieler wurde und später im österreichischen Nationalteam spielte. Robert Menasse ist der Bruder der Autorin, er hat eine andere Mutter, den Begriff "Halbgeschwister" lehnen die beiden ab, das klinge wie "Halbjude".

Mit einer Vergangenheit, die nicht enden will, hat sich die studierte Historikerin Menasse immer wieder auseinandergesetzt, unter anderem in einem Buch über den Holocaustleugner David Irving. Gute Literatur, sagte die selbst mit vielen Preisen ausgezeichnete Autorin einst in einer Laudatio auf Imre Kertész, sei unbequem, auch weil sie eher Fragen stelle als Antworten gebe. Und wenn sie antworte, "dann nicht auf die Fragen, die wir gestellt haben. Sie hat dunkle Falten (...), nur deshalb leuchtet sie und klärt uns auf." Eva Menasse beobachtet genau und fragt präzis, das wird sich auch 2019 als neue Stadtschreiberin von Mainz nicht ändern. (Stefan Gmünder, 30.10.2018)