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Szene aus der US-Dramedy "Mid90s". Mit der Frage, wie man feministische Söhne erzieht, beschäftigen sich noch immer eher die Mütter.

Foto: AP/Tobin Yelland

Die Frage, die mir im Zusammenhang mit meinen feministischen Überzeugungen am häufigsten gestellt wird, ist die nach dem Umgang mit meinem eigenen Geschlecht. Manche erkundigen sich mit aufrichtiger Neugier, andere sehr irritiert, und wieder andere wollen einfach nur wissen, was da schiefgelaufen ist: Bist du ohne Vater aufgewachsen, hasst du Männer, pflegst du eine besonders absurde Form von Selbstekel? Nichts von alledem. Mein Vater war in meiner Kindheit und Jugend sehr präsent. Die wenigsten Männer, die ich kenne, halte ich für Arschlöcher (für Frauen gilt übrigens dasselbe). Und die meiste Zeit komme ich ziemlich gut mit mir klar.

Aber wenn Männer halbwegs ernsthaft und überzeugt feministische Standpunkte vertreten, unterstellt man ihnen dabei entweder eine spezifische Form der Ablehnung des männlichen Geschlechts oder eine leicht zu durchschauende Karriereentscheidung. Und wenn diese Männer auch Väter von Söhnen sind, können sie ihrem Gegenüber oft buchstäblich dabei zusehen, wie es sich erziehungstechnische Gräueltaten ausmalt: väterlich verordneter Selbsthass. Pinke Strampler und Barbiepuppen. Schwanz ab, Schwanz ab, runter mit dem Männlichkeitswahn!

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Achtzehn Jahre Feminismus-Camp eben. Das ist so ungefähr auch das Vorstellungswespennest, in das auch meine Kollegin Mithu Sanyal hineingeschrieben hat, als sie einen Text darüber veröffentlichte, wie sie zunächst mit dem männlichen Geschlecht ihres Kindes gehadert habe und es dann aber nicht trotz, sondern gerade wegen seines Geschlechts liebe.

Die Kommentare überschlugen sich: Männerhass, Sexismus, nehmt der Frau das Kind weg! Dass die Autorin damit lediglich sehr wahrhaftig und präzise ihre anfängliche Sorge beschreibt, die Gesellschaft könnte ihr womöglich den Sohn trotz all ihrer Bemühungen zu einem chauvinistischen Arschloch sozialisieren, ist ihnen dabei entgangen. Ihre Wertschätzung und ihre Liebe für die Jungen anscheinend auch. Viele Menschen wollen sich ihre Meinung dieser Tage nicht bilden, sondern sie sich lieber bestätigen lassen. Das ist zwar eine bittere, wenn auch keine neue Erkenntnis, aber kein Grund, nicht sein Möglichstes zu versuchen. Also reden wir drüber: Habe ich wirklich vor, feministische Söhne zu erziehen, und wenn ja, wie genau sieht das aus?

So oft gibt es die Gelegenheit nicht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist das Internet nicht gerade voll von Vätern, die bekennen, ihre Söhne zu Feministen erziehen zu wollen. Das sind dann doch eher die Mütter.

Nicht nur Verneinungen

Wenn, dann reden Väter mehr darüber, wie sie durch ihre Töchter gemerkt hätten, dass Sexismus real und nicht imaginiert ist. Bei Söhnen scheint ihnen das allerdings weniger oder gar nicht aufzufallen. Obwohl es hierfür reichlich Gelegenheiten gäbe.

Söhne also. Mein Elfjähriger und mein Dreijähriger. Ich würde nicht sagen, dass ich sie bewusst zu Feministen erziehe, genauso wenig, wie ich bewusst Atheisten aus ihnen mache oder sie politisch eher links der Mitte verankere. Ich verkörpere diese Dinge. Es wäre absurd, zu behaupten, dass mir die Echos meiner eigenen Identität in ihnen nicht gefallen würden und sie nicht wahrnehmen könnten, dass sie mir damit gefallen. Und zugleich wäre es naiv, zu vermuten, ich würde nicht mit Revolution, Abgrenzung und Identitätskämpfen rechnen und hätte nicht die größte Freude daran, ihnen beim Aufwachsen in ihr eigenes Selbst zuzusehen.

Mir ist dabei wichtig, meine Jungs nicht nur in Verneinungen zu erziehen, also in Vorgaben, was sie nicht zu sein haben. Die momentan wirkmächtigsten sind wohl "Kein Mädchen" und "Nicht schwul". Aber auch in feministischen Kontexten finden sich hauptsächlich Verweise auf das, was vollkommen zu Recht nicht sein darf: kein Sexist, kein Gewalttäter, kein Vergewaltiger. Was fehlt, sind brauchbare Definitionen für das, was ist beziehungsweise sein kann: Großzügigkeit, Fairness, Mitgefühl, Geduld. Durchsetzungskraft und Hilfsbereitschaft. Mit Niederlagen umgehen können. Die Fähigkeit, sich um sich und andere zu kümmern. Für mich haben diese Qualitäten kein Geschlecht. Das sind einfach Eigenschaften, die ich gerne in meinen Kindern verkörpert sähe. Was meine Jungs draus machen, ist ihre Sache. Und ob sie das Ergebnis dann Feminismus nennen, auch. (Nils Pickert, 4.11.2018)