Erkämpfte das Recht auf den Eintrag eines dritten Geschlechts: Alex Jürgen.

Foto: Andreas Krenn

Der Weg, den Alex Jürgen beschritt, war lang und beschwerlich. Angefangen hat alles damit, dass Jürgen am Standesamt Steyr das eigene Geschlecht im Personenstandsregister auf eine neutrale Formulierung ändern wollte, etwa auf einen Begriff wie "inter". Der Grund: Jürgen ist weder Mann noch Frau, sondern intergeschlechtlich. Der Antrag wurde abgewiesen.

Dann, nach juristischen Auseinandersetzungen auf mehreren Ebenen, kam im Juni das erlösende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), der entschieden hat, dass Eintragungen im Personenstandsregister im Einklang mit der individuellen Geschlechtsidentität sein müssen.

Offene "Vollzugsfragen"

Deshalb hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den seinerzeitig abweisenden Bescheid des Standesamts Steyr aufgehoben. Alex Jürgen stehe es zu, den Geschlechtseintrag im Zentralen Personenstandsregister von "männlich" auf, wie von Jürgen beantragt, "inter" zu ändern. Dazu ist es aber nach wie vor noch nicht gekommen, die Behörde hat dazu noch Zeit.

Vielleicht wird es aber noch länger dauern als angenommen, denn das Innenministerium hat gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts beim Verwaltungsgerichtshof ordentliche Revision eingelegt, berichtet der Anwalt Jürgens, Helmut Graupner. Es seien "wichtige Vollzugsfragen ungeklärt", sagt ein Sprecher des Innenministeriums zum STANDARD. Man wolle "Rechtssicherheit für die Betroffenen und auch die Behörden herstellen".

Abwarten

Bemängelt werde etwa, dass ungeklärt sei, welche Bezeichnungen zur Eintragung des dritten Geschlechts zulässig sind, sagt Graupner. Im Erkenntnis des VfGH steht allerdings bereits, dass der von Alex Jürgen gewünschte Begriff "inter" jedenfalls zulässig sei. Außerdem verlange das Innenministerium ein Gutachten, das klären soll, ob bei Jürgen wirklich eine Intergeschlechtlichkeit vorliege. "Dass diese vorliegt, ist aber von keiner Partei jemals bestritten worden", sagt Graupner.

Wie lange es noch dauern wird, bis Jürgen seinen Geschlechtseintrag berichtigen kann, hängt nun vom Verwaltungsgerichtshof ab. Dieser müsse nun entscheiden, ob er der Revision aufschiebende Wirkung zuerkennt, so Graupner. Ist das der Fall, gebe es keine bestimmte Frist, bis der Fall erledigt sein müsse. Auskunft darüber, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei, konnte eine VwGH-Sprecherin nicht geben.

Auch Tinou Ponzer ist nicht zufrieden mit dem Geschlechtseintrag, der derzeit im Personenstandsregister gelistet ist. Deshalb wollte Ponzer nach dem VfGH-Erkenntnis den Eintrag auf "inter" oder "divers" berichtigen lassen. "Ich will nicht mehr rechtlich und sozial unsichtbar sein müssen. Ich habe deshalb im Juli beim Standesamt angerufen und nachgefragt, wie ich vorgehen soll", sagt Ponzer. Dort hieß es aber, dass es "derzeit noch keinen Sinn machen würde, einen Antrag zu stellen, weil dieser liegen bleiben würde", erzählt Ponzer.

Erlass in Ausarbeitung

Theoretisch muss eine Aufschiebung im Fall Jürgen nicht zwingend auf andere Personen, die ebenfalls ihren Geschlechtseintrag auf "inter" oder "divers" ändern wollen, Auswirkungen haben, denn das VfGH-Erkenntnis gilt mit sofortiger Wirkung. In der Praxis warten Standesämter jedenfalls auf Anweisungen aus dem Innenministerium, wie bei etwaigen Anträgen vorzugehen sei. Das bestätigte dem STANDARD auch die zuständige Magistratsabteilung in Wien – Anträge müssten aber trotzdem angenommen werden, auch, wenn sie derzeit nicht bearbeitet werden könnten.

Laut Auskunft aus dem Innenministerium arbeitet man gerade an einem entsprechenden Erlassentwurf, ein genauer Termin für die Verlautbarung stehe noch nicht fest. "Was der Innenminister will, ist mir völlig unklar. Außer, dass er es den Leuten möglichst schwermachen will und versucht, einzelne Entscheidungen zu verzögern", sagt Graupner mit Bezug auf die Revision.

Medizinische Gutachten

In der ORF-Sendung Konkret ließ ein Ministeriumsmitarbeiter außerdem mit der Ankündigung aufhorchen, dass man für die Eintragung ein medizinisches Gutachten verlangen wolle. Auf körperliche Aspekte dürfte es bei der Entscheidung aber nicht ankommen, meint Graupner: Denn auch bei einem Wechsel von "männlich" auf "weiblich" und umgekehrt dürfe das keine Rolle spielen, wurde bereits vor einigen Jahren gerichtlich entschieden.

"Die Vorstellung, dass Ärzte über meine Identität und Dokumente entscheiden, ist schrecklich", sagt Ponzer. Denn die Medizin habe Ponzer schon "oft genug" vermittelt, nicht "normal" zu sein. (Vanessa Gaigg, 5.11.2018)